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Auf den Spuren Jesu im Ostjordanland

Viele Pilger im Heiligen Land sind besonders daran interessiert, Orte zu besuchen, die mit Erzählungen über Jesus in Verbindung stehen. Dazu gehört zum Beispiel auch die antike Stadt Gadara, die östlich des Jordans liegt und archäologisch vom Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft in Amman erforscht wird.

Von Wolfram Nagel |
    "Um die Zeitenwende war Gadara noch nicht eine so ganz riesige Stadt. Die hat sich dann erst wirklich zu einer sehr großen Stadt im 2. Jahrhundert nach Christus entwickelt. Aber der Kern, auf den wir jetzt schauen, also die Akropolis, die war schon besiedelt."

    Gadara liegt auf einem Hochplateau. Von dort oben schweift der Blick über das Jarmuktal mit dem Golan bis hinüber zum Sees Genezareth. Bei Nacht sieht man die Lichter von Tiberias und auch der kleinen Stadt Beit Shean auf der israelischen Seite des Jordantals.

    "Jesus, das wissen wir ganz klar, der ist häufig über den Jordan gegangen, ins ostjordanische Land, und hat hier die Route genommen entlang des Jordans und hat dann wieder den Jordan gequert. Das gehörte einfach dazu. Also da haben die Leute früher gar keine Unterscheidung gemacht zwischen diesen beiden Regionen."

    In denen sich das Leben der einfachen Leute, also der Bauern, Fischer und Nomaden zwischen den großen Städten abspielte, so Jutta Häser, die Leiterin des Deutschen Evangelischen Instituts in Amman. Gadara wurde bereits in hellenistischer Zeit gegründet und galt wegen seiner prächtigen Tempel als das Neue Athen. Im noch gut erhaltenen Westtheater fanden in der Antike immerhin 3000 Zuschauer Platz. Eine später unter Kaiser Hadrian gebaute fast 200 lange Wasserleitung versorge etwa 30.000 Bürger der Stadt. Aber auch das Nymphäum - eine prächtige Tempelanlage - wurde mit diesem Wasser gespeist.

    "Ursprünglich war ein Nymphäum ein kleiner Tempel in einem Hain, wo es eine Quelle gab, und dort hat man die Nymphen verehrt. Und man muss sich das schön gestaltet vorstellen, mit Figurinen, mit Marmor besetzt, ungefähr 30 Meter hoch und es plätscherte dann fröhlich hier das Wasser, an dem sich die Leute erfreuen sollten."

    Besonders in byzantinischer Zeit, also im 4. Jahrhundert, blühte Gadara auf. Es war die Regierungszeit Kaiser Konstantins, der das Christentum begünstigte.
    Orte wie Gadara, die im Evangelium erwähnt oder mit besonderen Taten Jesu in Verbindung gebracht wurden, entwickelten sich zu wichtigen Pilgerzentren. Davon zeugen bis die Ruinen großer Kirchen:

    "Wir sind gerade durch das alte Stadttor gegangen. Und jetzt befinden wir uns im Prinzip schon außerhalb dieser Stadt. Wenn man jetzt durch das Eisengitter schaut, dann sieht man eine Tür und hinter der Tür kann man verschieden große Schiebegräber erkennen, in denen noch Sarkophage stehen ... Dort war also ein großes Familiengrab."

    Und genau in diesem antiken Grab soll nach neutestamentlicher Überlieferung jener Besessene gelebt haben, den Jesus beim Besuch der Stadt geheilt hat.

    "Dort wird auch erzählt, dass Jesus die Dämonen, die in diesem Besessenen waren in eine Schweineherde fahren ließ und diese Schweineherde in den See Genezareth sprang und sich dort ertränkte. Die Überlegung ist nun, ob die Leute im 4. Jahrhundert gesagt haben, diese Geschichte könnte hier stattgefunden haben. Denn dieses große Grab das entspricht schon so ein bisschen der Beschreibung. Dass sich dann die Gadarener überlegt haben, das wäre doch ein guter Punkt für die Pilger hierher zu kommen und sich dieser Geschichte zu erinnern."

    In unmittelbarer Nähe, am Fluss Jarmuk, verlor dann im 7. Jahrhundert Kaiser Herakleios die entscheidende Schlacht gegen arabischen Muslime. Seit damals ist das Ostjordanland islamisch. Aus Kirchen wurden Moscheen, auch in Gadara:

    "Hier wurde eine Gebetsnische eingebaut, sodass man davon ausgehen kann, dass das Gebäude dann als Moschee genutzt wurde, allerdings wird die Population in der Zeit nicht all zu groß gewesen sein."

    Die große Katastrophe kam gut einhundert Jahre später. Gadara, aber auch die Nachbarstädte Gerasa und Pella wurden in der Mitte des 8. Jahrhunderts bei einem schweren Erdbeben zerstört.

    "Also das war ein ganz tiefer Einschnitt. Wir haben noch Münzfunde bis in das 13. Jahrhundert hinein, sodass wir wissen, dass auch in der Zeit noch Leute gelebt haben, aber eigentlich danach haben wir keine Nachrichten, auch keine Funde, die bestätigen, dass hier Leute permanent gewohnt haben. Erst 1806, als Ulrich Japser Setzen hierher kam, kam auch Gadara wieder in das Gedächtnis der Menschen."

    Der deutsche Arzt und Naturforscher, der zum Kreis junger Wissenschaftler um Alexander von Humboldt gehörte, bereiste seit 1802 den Orient. Viele der Ruinen dienten damals als Steinbrüche für neue Häuser.

    "Ulrich Jasper Seetzen war unterwegs von Irbid aus, zu Fuß, und kam an diese Stätte und - aufgrund seiner Kenntnisse der antiken Autoren und der Bibel - hat er gesagt, das ist der Ort, das muss Gadara sein."