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Auf den Spuren Mantegnas

Der 500. Geburtstag von Andrea Mantegna, dem wichtigen Maler und Kupferstecher der Renaissance ist Italien nicht eine, sondern gleich vier Ausstellungen wert. Mantegna ist der Manierrist, der in dramatischen Untersichten den menschlichen Körper, den Leichnam Christi zeigte. Wir stellen ihnen drei der vier Ausstellungen vor: Mantua, Verona, Padua.

Von Thomas Migge |
    1944 zerstörten alliierte Bomben die Cappella Ovetari in der Chiesa degli Eremitani in Padua. Der Krieg war noch nicht zu Ende, und es gab anderes zu bedauern. Doch nach Kriegsende, als in ganz Europa auch eine Bestandaufnahme der zerstörten Kunstwerke erstellt wurde, musste man auch die Cappella Ovetari aufnehmen.

    Die Kapelle enthielt eines der bedeutendsten Kunstwerke des 15. Jahrhunderts: Der große Renaissance-Maler Andrea Mantegna hatte sie mit einem seiner schönsten Freskenzyklen ausgemalt. Davon war 1945 nichts mehr zu sehen: Die Bomben hatten diesen Kulturschatz in einen Schutthaufen aus rund 80.000 Fragmenten verwandelt. 7.000 davon haben Restauratoren und Computertechniker nun wieder zusammengefügt. Wie das ging, erklärt Domenico Toniolo, der das Restaurierungsprojekt leitete:

    "Wir haben die Fragmente nach Größe geordnet und mit Digitalkameras erfasst. Ein von uns entwickeltes Computergramm fügte diese Stücke und Stücken zusammen. Ausgehend von den einzigen erhaltenen Schwarzweiß-Fotografien, die wir von diesen Fresken besitzen. Nur mit Hilfe des Computers ist uns diese Teilrettung der Mantegnafresken gelungen."

    Zu sehen ist endlich wieder, und nahe komplett zusammen gepuzzelt, die ergreifende Darstellung des Martyriums des Heiligen Christopherus. Das Resultat der aufwendigen Arbeit von Toniolo und seinem Team wird in diesen Tagen der Öffentlichkeit präsentiert im Rahmen des größten Ausstellungsprojektes, das in diesem Jahr in Italien überhaupt organisiert wurde.

    Fünf Einzelschauen in Padua, Verona und Mantua stellen das gesamte Schaffen des Andrea Mantegna und jener Künstler vor, die ihn beeinflusst haben, die seine Kollegen waren und die sich von ihm selbst inspirieren ließen. Anlass dieses Ausstellungsmarathons ist der 500. Geburtstag des neben Giovanni Bellini sicherlich wichtigsten Malers und Kupferstechers der italienischen Frührenaissance. Der Kunsthistoriker Vittorio Sgarbi leitet das Projekt:

    "Man kann Mantegna nicht nur mit einer Ausstellung in Mantua feiern, wo er zu Ruhm und Ansehen kam. Verona und Padua sind ebenso wichtige Stationen in seinem Leben. Jede einzelne Ausstellung stellt einen wichtigen Lebensabschnitt des Künstlers vor. Um das Schaffen jeder dieser drei Perioden möglichst komplett zu zeigen, liehen wir uns fehlende Werke zusammen. "

    Da die Entfernungen zwischen Padua, Mantua und Verona nicht allzu groß sind, bieten die fünf Ausstellungen in den drei Städten ein faszinierendes Panorama des nord- und mittelitalienischen Kunstschaffens in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und weit in das 16. Jahrhundert hinein.

    Neben den 41 Gemälden und Tafelbildern Mantegna, zusammengeliehen aus Europa und den USA, sind rund 300 Meisterwerke von Giovanni Bellini und Donetallo, von Vivarini, Schiavone und anderen Malern Nordostitaliens zu sehen.

    Gezeigt werden nicht nur einfach nebeneinander hängende Bilder; den Besucher erwarten regelrechte Kulturschauen: So sind neben Ölgemälden, Kupferstichen und Fresken auch andere Kunstgegenstände und kostbares Kunstgewerbe aus der Zeit Mantegnas zu sehen.

    Mantegna führte die aus Florenz übernommene Perspektivlehre konsequent weiter und zu neuer Blüte. Wie an seinem Bild "Die heilige Familie mit der heiligen Elisabeth und dem kleinen Johannes dem Täufer" aus Fort Worth in Kimbell deutlich wird - das trotz intensiver Farben ungemein ernst wirkt - ist seine Formgebung immer streng plastisch. Der Gesamteindruck seiner Darstellungen wirke ungemein herb, meint Vittorio Sgarbi:

    "Er war der erste Künstler, der sich auf die Antike als eine Zeit der Wiederentdeckung berief. Ihn faszinierten mehr die antiken Statuen als lebendige Menschen und deshalb wirken seine Gemälde, so menschlich sie auch sein können, immer ein wenig statisch. Zusammen mit dem Baumeister und Architekturtheoretiker Leon Battista Alberti strebte er die Renaissance an, die Wiederaufstehung der Antike, und damit eine Art neuer Antike."

    Der besondere Reiz der fünf Ausstellungen besteht darin, dass sie an Orten gezeigt werden, die schon zu Mantegnas Zeiten existierten oder zu seinen Lebzeiten geschaffen wurden: wie zum Beispiel die grandiose Renaissancevilla Palazzo Te in Mantua und wie das Kloster degli Eremitani in Padua, in dem heute das städtische Museum untergebracht ist. Die auf drei Städte verteilte Kunstschau bietet so auch die Möglichkeit, der Architektur und der Landschaft sowie der historischen Stadtkerne aus Mantegnas Epoche nachzuspüren.