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Auf den Spuren von Fräulein Smilla

Ranghohe Besucher aus China sind für demokratische Gesellschaften ein Problem, weil immer wieder die Waage gehalten werden will zwischen wirtschaftlichen und Menschenrechtsaspekten. Dänemark geht es da nicht anders - und das Motiv des chinesischen Präsidenten Hu ist offenbar geradezu arktisch.

Von Marc-Christoph Wagner |
    Ein Land rollt den roten Teppich aus. Und nicht nur dänische Unternehmer sind ob chinesischer Aufträge in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro euphorisiert. Auch dänische Politiker wie Handelsministerin Pia Olsen Dhyr sonnen sich im Glanze des hohen Staatsgastes aus Fernost.

    "Dieser Besuch sichert Arbeitsplätze in Dänemark. Und das ist unsere größte Herausforderung. Wir leben vom Export und müssen die neuen Wachstumsmärkte erobern. China wächst derzeit mit zehn Prozent, Europa mit einem – das sagt alles."

    Olsen Dyhr ist Mitglied der Sozialistischen Volkspartei – einer Partei, die noch zu Oppositionszeiten etwa den Boykott der Olympischen Spiele in Peking forderte, wegen der Menschenrechtsverletzungen durch das chinesische Regime. Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, derzeit auch EU-Ratsvorsitzende, will dieses Thema zwar ansprechen, weit oben auf der Tagesordnung aber steht es nicht.

    "Unsere strategische Partnerschaft mit China schafft Raum für Dialog. Wir werden Menschenrechte wie auch die Lage in Tibet thematisieren."

    Sehr viel deutlicher wird da die jetzige Opposition, vor allem der Außenpolitische Sprecher der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei Søren Espersen:

    "Unser Gast ist ein kommunistischer Diktator der schlimmsten Kategorie. Er unterdrückt sein Volk und schindet sein Land auf die brutalste Art. Es ist wie mit Nazi-Deutschland in den 30er- und 40er-Jahren. Auch damals haben wir Dänen Handel betrieben mit einer Diktatur und uns dabei eine goldene Nase verdient. Ich habe nichts dagegen, nur soll man doch nicht so tun, als ob China auf dem Weg ist zur Demokratie."

    Tatsächlich aber geht es der chinesischen Delegation wohl gar nicht so sehr um Dänemark, sondern um das, was Kopenhagen nach wie vor mit verwaltet – nämlich Grönland und die Arktis. Und so behaupten zynische Zungen, der Staatsbesuch und die Aufträge an dänische Unternehmen seien aus Pekinger Perspektive ein strategischer Schritt, um langfristig den Zutritt zur arktischen Region zu sichern. Nils Wang, Leiter der dänischen Verteidigungsakademie:

    "Zum einen ist da die konstante Jagd der Chinesen nach Rohstoffen, um das eigene Wachstum und die Bedürfnisse seiner boomenden Mittelklasse zu sichern. In der Arktis werden 25 Prozent aller unentdeckten, aber förderbaren Öl- und Gasressourcen vermutet. Hinzu kommen seltene Erden und strategisch wichtige Mineralien – Rohstoffe, die China jagt, wie es der Westen seit langer Zeit tut."
    Rohstoffe, die durch den Klimawandel und die schmelzenden Eismassen in der Arktis freigelegt und schon in wenigen Jahren gefördert werden könnten. Und noch in einer anderen Hinsicht, so Nils Wang, eröffnet die globale Erwärmung neue geostrategische Perspektiven:

    "Es entstehen neue Schiffswege, wie etwa die Nordostpassage, die den Abstand zwischen Europa und China um 40 Prozent verkürzt. Das sind natürlich unerhörte Perspektiven, denn dadurch sinken ja auch die Transportkosten, etwa beim Energieverbrauch, entsprechend. Wenn man sich dann vor Augen hält, dass etwa die Hälfte der chinesischen Wirtschaft von In- und Exporten abhängig ist, dann erahnt man die Bedeutung dieser neuen, arktischen Schiffsrouten."

    In Wirklichkeit also scheint Hu Jintao den Spuren Fräulein Smillas zu folgen. Denn auch bei diesem Bestseller-Krimi des Dänen Peter Hoegh spielte die Handlung zunächst in Kopenhagen. Letztendlich aber ging es um Schätze im hohen Norden.