In Deutschland nutzen Unternehmen Assessment Center seit den frühen 70er Jahren, um Führungs-Nachwuchskräfte auszuwählen. Zwischenzeitlich sind die mehrstufigen Tests auch in den Blickpunkt der Wissenschaft geraten. Die Frage lautet: Hält dieses Auswahlverfahren das, was sich die Unternehmen davon versprechen?
"In der Vergangenheit hat man häufig den besten Sachbearbeiter zur Führungskraft gemacht. Aber der fachlich beste ist noch lange nicht die beste Führungskraft. Deshalb lohnt es sich, mit Assessment Centern hier genauer hinzuschauen."
Dr. Andreas Diemand ist Psychologe. An der baden-württembergischen Sparkassen-Akademie in Neuhausen arbeitet er an der Entwicklung und Durchführung von Assessment Centern - ein Instrument zur Rekrutierung von Führungskräften, das nach seiner Meinung in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden ist.
"Anforderungsanalysen zeigen, dass die soziale Kompetenz im Umgang mit Kunden, mit Kollegen, mit der eigenen Führungskraft der zentrale Erfolgsfaktor im Verkauf, in der Beratung ist. Und das können sie am besten durch solche Simulationen hier abgreifen. Ansonsten geht es einfach darum, hier eine gute Vorhersage zu machen: Je höher die Position ist, desto mehr lohnt sich auch der Einsatz solcher Verfahren, weil personelle Fehlentscheidungen auf höherer Ebene entsprechende Kosten verursachen. Also hier zu investieren, nach dem Motto ’Auswahl geht vor Schulung’, lohnt sich."
Doch nicht alle Experten sind davon überzeugt, dass sich über dieses Auswahlverfahren grundsätzlich die optimalen Bewerber finden. Zu den Kritikern gehört der Psychologe Professor Heinz Schuler von der Universität Stuttgart-Hohenheim. In einem seiner Arbeitsgebiete befasst er sich mit Personalmanagement.
"Kürzlich habe ich ein Buch veröffentlicht, in dem Vergleichsstudien enthalten sind über 40 Jahre hinweg. Und die zeigen, dass die Voraussagekraft des Assessment Centers kontinuierlich abgenommen hat."
Dies liege an der Art und Weise, wie die meisten Assessment Center ablaufen. Hier stünden gruppendynamische Rollenspiele im Vordergrund, ohne allzu große Anbindung an den beruflichen Alltag: Ein Bewerber, der beispielsweise innerhalb einer Bergsteigergruppe gute Führungseigenschaften mitbringt, sei damit längst noch kein guter Abteilungsleiter in einer Bank oder in einem Großunternehmen.
"Das ist empirisch untersucht worden. Wir hatten einmal die Aufgabe, in einem neuen Automobilwerk aus arbeitslosen Personen Automobilwerker auszuwählen. Es wäre einfach, beispielsweise von BMW gute Autowerker abzuwerben und sie dann bei Daimler zu beschäftigen. Das ist keine Kunst. Aber aus arbeitslosen Maurern und Bäckern diejenigen auszusuchen, die gute Automechaniker werden, das ist schwieriger. Und genauso sah die Aufgabe aus. Da haben wir vieles ausprobiert an Arbeitsproben. Diejenigen, die die besten Indikatoren geliefert haben, waren tatsächlich die realistischen Arbeitsproben, dass jemand an einem Auto schrauben, was abbauen und wieder hinschrauben musste und dazu Instruktionen verstehen musste in mündlicher und schriftlicher Form. Die Arbeitsproben waren nicht so schwierig, dass er schon Erfahrung mitbringen konnte am Auto. Aber eben so, dass jemand zeigen konnte, dass jemand aus dem Stand bereit ist, einen Schraubenzieher zu bedienen und sorgfältig zu arbeiten. Das Grundmuster des Verhaltens war erkennbar an diesen Arbeitsproben - am besten wirklich dort, je ähnlicher diese Arbeitsproben der künftigen Tätigkeit ähnelten."
Deshalb müssten auch die Aufgabenstellungen in Assessment Centern einen engen Bezug zum späteren beruflichen Umfeld des Bewerbers haben. Genau dies sei aber meistens nicht der Fall.
"Es wird zwar von vielen Assessment Center Anbietern behauptet, sie hätten tätigkeits- und organisationsspezifische Verfahren. In Wirklichkeit sind die allenfalls an der Oberfläche angeglättet. Das Manko liegt daran, dass es viel einfacher und kostengünstiger ist, Standardverfahren zu verwenden, die überall eingesetzt werden und die kleinen Retuschen zu unterziehen, als tatsächliche Anforderungsanalysen durchzuführen."
Andreas Diemand, Psychologe an der Sparkassen-Akademie, kann dem nur zustimmen: Assessment Center, sagt er, machen nur dann Sinn, wenn keine Standardaufgaben gestellt werden. Stattdessen müssten Problemstellungen entwickelt werden, die sich sehr eng an der zu besetzenden Stelle orientieren:
"Wenn wir mal eine Zielposition nehmen wie den Leiter einer Privatkundenberatung einer Sparkasse, dann ist es so, dass wir mit dem Kunden zuerst eine Anforderungsanalyse durchführen, uns verständigen auf die wichtigsten Anforderungen. Stichworte sind: Führung, Verkauf auch bei exklusiven Kunden, Kooperation, Teamfähigkeit, Belastbarkeit - also solche Werte werden erfasst mit interaktiven Methoden. Das heißt: Mitarbeitergespräche führen, Verkaufsgespräche führen, Diskussionen werden simuliert, wobei diese Themen dann immer auch aufs Haus zugeschnitten werden, also die Themen, die das Haus gerade beschäftigt. Das Ziel ist, in einem Simulationsansatz typische Aufgabenstellungen, wie sie die Kandidaten zukünftig erwarten, zu simulieren und hier einfach beobachten können, wie sie sich in diesen zukünftigen Aufgabenstellungen bereits jetzt verhalten und Potenzial mitbringen."
Das heißt: Fachliche Fertigkeiten und Teamverhalten lassen sich nicht voneinander trennen, sondern bedingen einander gegenseitig: In einer Gruppe von Kleingärtnern sind andere Teameigenschaften gefragt als in einem Ingenieurteam oder in einem Team von Kreditsachbearbeitern.
"Je näher die Aufgabenstellungen an der späteren Zielposition sind, desto mehr werden sie von den Teilnehmern akzeptiert, die ja bereits auch häufig in dieser Funktion arbeiten. Dies nennt man auch soziale Validität. Es geht aber auch um die Vorhersage späterer Leistungen. Und da ist das Assessment Center nun kein perfektes Instrument. Aber kombiniert mit schriftlichen Verfahren, also zum Beispiel mit Intelligenztests, die eine sehr hohe Vorhersagekraft haben, oder auch Interviews lassen sich dann doch sehr gute Werte in der Vorhersage erzielen."
Die Mehrzahl aller Assessment Center in Deutschland, bemängelt Professor Heinz Schuler von der Universität Hohenheim, lasse es aber an diesem Zuschnitt auf die zukünftige Aufgabenstellung eines Bewerbers fehlen. Und das führe zu fatalen Folgen: Die Zielsetzung eines Unternehmens, die Besten der Besten für einen Job herauszufiltern, werde nicht erfüllt. Und: Die Personalplaner merken nach den Beobachtungen des Hohenheimer Forschers gar nicht, dass die besten Teilnehmer durch das ’Bewerbersieb’ eines falsch konzipierten Assesstment Centers fallen.
"Das Problem ist: Ein gutes Unternehmen kann es sich leisten, viele Personen abzulehnen, weil die Bewerberzahlen sehr hoch sind, kann es sich leisten, auch sehr viel qualifizierte Bewerber abzulehnen, die potenziell erfolgreich wären. Und sie merken es gar nicht, weil die paar, die sie einstellen, immer noch ganz gut sind. Aber wenn Sie auf jede Stelle 100 Bewerber haben, wie das ja bei angesehenen Unternehmen der Fall ist, und sie nehmen immer nur den zweit- oder drittbesten, werden sie natürlich mit diesen Leuten auch zufrieden sein, weil Sie gar nicht merken, dass Sie ständig Fehler machen und die besten immer nach Hause schicken. Aber genau das passiert eben. Und das ist ein Fehler, der häufig gemacht wird, für den unter anderem untaugliche Assessment Center verantwortlich sind."
"In der Vergangenheit hat man häufig den besten Sachbearbeiter zur Führungskraft gemacht. Aber der fachlich beste ist noch lange nicht die beste Führungskraft. Deshalb lohnt es sich, mit Assessment Centern hier genauer hinzuschauen."
Dr. Andreas Diemand ist Psychologe. An der baden-württembergischen Sparkassen-Akademie in Neuhausen arbeitet er an der Entwicklung und Durchführung von Assessment Centern - ein Instrument zur Rekrutierung von Führungskräften, das nach seiner Meinung in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden ist.
"Anforderungsanalysen zeigen, dass die soziale Kompetenz im Umgang mit Kunden, mit Kollegen, mit der eigenen Führungskraft der zentrale Erfolgsfaktor im Verkauf, in der Beratung ist. Und das können sie am besten durch solche Simulationen hier abgreifen. Ansonsten geht es einfach darum, hier eine gute Vorhersage zu machen: Je höher die Position ist, desto mehr lohnt sich auch der Einsatz solcher Verfahren, weil personelle Fehlentscheidungen auf höherer Ebene entsprechende Kosten verursachen. Also hier zu investieren, nach dem Motto ’Auswahl geht vor Schulung’, lohnt sich."
Doch nicht alle Experten sind davon überzeugt, dass sich über dieses Auswahlverfahren grundsätzlich die optimalen Bewerber finden. Zu den Kritikern gehört der Psychologe Professor Heinz Schuler von der Universität Stuttgart-Hohenheim. In einem seiner Arbeitsgebiete befasst er sich mit Personalmanagement.
"Kürzlich habe ich ein Buch veröffentlicht, in dem Vergleichsstudien enthalten sind über 40 Jahre hinweg. Und die zeigen, dass die Voraussagekraft des Assessment Centers kontinuierlich abgenommen hat."
Dies liege an der Art und Weise, wie die meisten Assessment Center ablaufen. Hier stünden gruppendynamische Rollenspiele im Vordergrund, ohne allzu große Anbindung an den beruflichen Alltag: Ein Bewerber, der beispielsweise innerhalb einer Bergsteigergruppe gute Führungseigenschaften mitbringt, sei damit längst noch kein guter Abteilungsleiter in einer Bank oder in einem Großunternehmen.
"Das ist empirisch untersucht worden. Wir hatten einmal die Aufgabe, in einem neuen Automobilwerk aus arbeitslosen Personen Automobilwerker auszuwählen. Es wäre einfach, beispielsweise von BMW gute Autowerker abzuwerben und sie dann bei Daimler zu beschäftigen. Das ist keine Kunst. Aber aus arbeitslosen Maurern und Bäckern diejenigen auszusuchen, die gute Automechaniker werden, das ist schwieriger. Und genauso sah die Aufgabe aus. Da haben wir vieles ausprobiert an Arbeitsproben. Diejenigen, die die besten Indikatoren geliefert haben, waren tatsächlich die realistischen Arbeitsproben, dass jemand an einem Auto schrauben, was abbauen und wieder hinschrauben musste und dazu Instruktionen verstehen musste in mündlicher und schriftlicher Form. Die Arbeitsproben waren nicht so schwierig, dass er schon Erfahrung mitbringen konnte am Auto. Aber eben so, dass jemand zeigen konnte, dass jemand aus dem Stand bereit ist, einen Schraubenzieher zu bedienen und sorgfältig zu arbeiten. Das Grundmuster des Verhaltens war erkennbar an diesen Arbeitsproben - am besten wirklich dort, je ähnlicher diese Arbeitsproben der künftigen Tätigkeit ähnelten."
Deshalb müssten auch die Aufgabenstellungen in Assessment Centern einen engen Bezug zum späteren beruflichen Umfeld des Bewerbers haben. Genau dies sei aber meistens nicht der Fall.
"Es wird zwar von vielen Assessment Center Anbietern behauptet, sie hätten tätigkeits- und organisationsspezifische Verfahren. In Wirklichkeit sind die allenfalls an der Oberfläche angeglättet. Das Manko liegt daran, dass es viel einfacher und kostengünstiger ist, Standardverfahren zu verwenden, die überall eingesetzt werden und die kleinen Retuschen zu unterziehen, als tatsächliche Anforderungsanalysen durchzuführen."
Andreas Diemand, Psychologe an der Sparkassen-Akademie, kann dem nur zustimmen: Assessment Center, sagt er, machen nur dann Sinn, wenn keine Standardaufgaben gestellt werden. Stattdessen müssten Problemstellungen entwickelt werden, die sich sehr eng an der zu besetzenden Stelle orientieren:
"Wenn wir mal eine Zielposition nehmen wie den Leiter einer Privatkundenberatung einer Sparkasse, dann ist es so, dass wir mit dem Kunden zuerst eine Anforderungsanalyse durchführen, uns verständigen auf die wichtigsten Anforderungen. Stichworte sind: Führung, Verkauf auch bei exklusiven Kunden, Kooperation, Teamfähigkeit, Belastbarkeit - also solche Werte werden erfasst mit interaktiven Methoden. Das heißt: Mitarbeitergespräche führen, Verkaufsgespräche führen, Diskussionen werden simuliert, wobei diese Themen dann immer auch aufs Haus zugeschnitten werden, also die Themen, die das Haus gerade beschäftigt. Das Ziel ist, in einem Simulationsansatz typische Aufgabenstellungen, wie sie die Kandidaten zukünftig erwarten, zu simulieren und hier einfach beobachten können, wie sie sich in diesen zukünftigen Aufgabenstellungen bereits jetzt verhalten und Potenzial mitbringen."
Das heißt: Fachliche Fertigkeiten und Teamverhalten lassen sich nicht voneinander trennen, sondern bedingen einander gegenseitig: In einer Gruppe von Kleingärtnern sind andere Teameigenschaften gefragt als in einem Ingenieurteam oder in einem Team von Kreditsachbearbeitern.
"Je näher die Aufgabenstellungen an der späteren Zielposition sind, desto mehr werden sie von den Teilnehmern akzeptiert, die ja bereits auch häufig in dieser Funktion arbeiten. Dies nennt man auch soziale Validität. Es geht aber auch um die Vorhersage späterer Leistungen. Und da ist das Assessment Center nun kein perfektes Instrument. Aber kombiniert mit schriftlichen Verfahren, also zum Beispiel mit Intelligenztests, die eine sehr hohe Vorhersagekraft haben, oder auch Interviews lassen sich dann doch sehr gute Werte in der Vorhersage erzielen."
Die Mehrzahl aller Assessment Center in Deutschland, bemängelt Professor Heinz Schuler von der Universität Hohenheim, lasse es aber an diesem Zuschnitt auf die zukünftige Aufgabenstellung eines Bewerbers fehlen. Und das führe zu fatalen Folgen: Die Zielsetzung eines Unternehmens, die Besten der Besten für einen Job herauszufiltern, werde nicht erfüllt. Und: Die Personalplaner merken nach den Beobachtungen des Hohenheimer Forschers gar nicht, dass die besten Teilnehmer durch das ’Bewerbersieb’ eines falsch konzipierten Assesstment Centers fallen.
"Das Problem ist: Ein gutes Unternehmen kann es sich leisten, viele Personen abzulehnen, weil die Bewerberzahlen sehr hoch sind, kann es sich leisten, auch sehr viel qualifizierte Bewerber abzulehnen, die potenziell erfolgreich wären. Und sie merken es gar nicht, weil die paar, die sie einstellen, immer noch ganz gut sind. Aber wenn Sie auf jede Stelle 100 Bewerber haben, wie das ja bei angesehenen Unternehmen der Fall ist, und sie nehmen immer nur den zweit- oder drittbesten, werden sie natürlich mit diesen Leuten auch zufrieden sein, weil Sie gar nicht merken, dass Sie ständig Fehler machen und die besten immer nach Hause schicken. Aber genau das passiert eben. Und das ist ein Fehler, der häufig gemacht wird, für den unter anderem untaugliche Assessment Center verantwortlich sind."