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Auf der Expo

Eine verseuchte Umwelt macht krank - nicht nur Tiere und Pflanzen erkranken, sondern auch Menschen. Die Häufung von Allergien wird oft auf Umweltfaktoren zurückgeführt, schlechte Luft macht die Atemwege krank, und vergiftetes Wasser hat schon viele Menschen das Leben gekostet - vor allem in ärmeren Ländern. Die Weltausstellung Expo in Hannover ist der Tagungsort eines Kongresses zum Thema Medizin im neuen Jahrtausend, gestern ging es dort um die Folgen der Umweltverschmutzung für die Gesundheit. Prominentester Redner war der Chef der UN-Umweltorganisation, Klaus Töpfer.

Von Michael Engel | 03.08.2000
    Die reichen Länder dieser Erde exportieren ihre Umweltprobleme zu Lasten der dritten Welt. Klaus Töpfer - ehemals Umweltminister in Deutschland - heute Chef der Umweltbehörde der Vereinten Nationen - hat seinen Blick für die Belange der Entwicklungsländer geschärft. Denn das Hauptquartier der UNEP liegt in der Millionenmetropole Nairobi - der Hauptstadt Kenias. 40 Prozent der Todesfälle weltweit - so seine Bilanz - seien umweltbezogene Todesfälle. Es gibt zwar Konventionen zum Schutz der Umwelt - so zum Beispiel das noch nicht ratifizierte Kyoto-Protokoll zur Reduktion von Kohlendioxid. Nur leider - so Töpfer - habe dieser Tiger noch keine Zähne:

    "Wir sind intensiv dabei, auch global, diese Frage - wie können wir die Durchsetzbarkeit auch - wenn sie so wollen - auch bewehren - wie können wir sie stärken - voranzubringen, und ich hoffe sehr, dass die weiteren Verhandlungen im Kyoto-Rahmen zum Beispiel, dies schaffen. Wir haben es an der einen oder anderen Stelle erreicht, wenn Sie den Export gefährlicher Abfallstoffe nehmen, haben jetzt ein Protokoll für die Haftung und das ist natürlich eine Strafbewehrung, wenn etwas schief läuft, dass man dann wenigstens jemand an die Kandare nehmen kann, dass man sagen kann: Du warst verantwortlich, Du musst zahlen."

    80 Prozent der Umweltprobleme sind heute in der dritten Welt zu finden. Armut verschlimmert das Problem: so fehlt das Geld für eine intelligente Technik - für aktiven Umweltschutz. Und was geht uns das an? In einem Land mit Kläranlagen, die für sauberes Wasser sorgen, mit "grünem Punkt", Recycling und Katalysatorautos? Sehr viel, meint Klaus Töpfer, denn die Idylle trügt: in Wahrheit leben wir auf Kosten der Entwicklungsländer, doch diese "ökologische Aggression" - wie er es nennt - könne sich sehr schnell rächen:

    "Wir müssen damit rechnen, dass diese Spannungen auch zur "Entspannung" und manchmal zu damit verbundenen Konflikten führen werden. Wir werden sehr, sehr bald - wenn nicht heute schon - sehen, dass so etwas wie - "Was da hinten passiert, interessiert uns ja nicht" - dass das eine ganz falsche Haltung ist. Es interessiert nicht nur, sondern es bewirkt auch Veränderungen bei uns. Und ich glaube, wir sollten uns dieser einen Welt, in der wir leben, sehr schnell bewusst werden, damit nicht unsere Kinder später fragen, wieso wir eine solche Schrift an der Wand nicht interpretiert haben."

    Viele Umweltprobleme lassen sich allerdings nicht über Nacht lösen. Eine Erholung der Ozonschicht ist - trotz umfassender FCKW-Reduktion - wahrscheinlich erst in 50 Jahren zu erwarten. Das Langzeitgedächtnis der Atmosphäre beträgt beim Kohlendioxid sogar 200 Jahre. Jetzt komme es darauf an, dass alle Menschen dieser Erde begreifen, dass sie alle nur diese eine Welt haben. Ist die Aufgabe überhaupt zu schaffen?

    "Bei mir überwiegt ein realistischer Optimismus! Ich glaube, man kann die Dinge auch sonst gar nicht ertragen, man kann nicht nach dem Motto verfahren, es ist eh alles zu spät, was sollen wir noch tun, dann setzt man sich auf seinen Balkon und trinkt noch eine Flasche Wein und lässt alle Fünfe gerade sein. Also das Bäumchen muss schon gepflanzt werden, auch wenn wir wissen, dass die Früchte, die es mal tragen wird - hoffentlich - nicht mal von einem selbst geerntet werden, und deswegen ist so etwas viel mehr zum Handeln angelegt als zum Resignieren. Das sind meistens diejenigen, die ein gutes Alibi dafür brauchen nicht zu handeln."