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Auf der Fährte des Bürgers

Noch in diesem Jahr will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble dem Bundeskabinett einen Gesetzentwurf vorlegen, der vorsieht, dass die personenbezogenen Informationen aller Meldebehörden in Deutschland in einer zentralen Datenbank zusammengefasst werden. Dieses sogenannte zentrale Bundesmelderegister bereitet Datenschützern indes Kopfschmerzen.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering |
    Manfred Kloiber: Wie soll denn den Schäuble-Plänen zufolge dieses Bundesmelderegister aufgebaut sein, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Bislang gibt es da ja nur Entwürfe, die in Berlin zirkulieren. Der erste Entwurf ist ja im Februar bekannt geworden und kursierte als Version 0.1 des neuen Bundesmeldegesetzes. Wir haben damals ja darüber berichtet. Das war ein Referentenentwurf, der für heftige Diskussionen sorgte und die Anlage von 35 Datensätzen für das Bundesmelderegister vorsah. Der Entwurf ist im politischen Berlin quasi in der Luft zerrissen worden. Es gab heftige und teilweise sehr emotionale Kritik. Von einem "zentralen Einwohnerregister nach DDR-Manier" war damals sogar die Rede. Und deshalb wurde es auch nach zwei Wochen Aufregung ganz schnell sehr ruhig um diesen Entwurf. Jetzt ist eine leicht überarbeitet Fassung vorgelegt worden. Jetzt sollen nur noch 30 Datensätze gespeichert werden.

    Kloiber: Und welche 30 Datensätze sind da jetzt fürs Bundesmelderegister vorgesehen?

    Welchering: Also drin geblieben sind Name, Vorname, aktuelle und frühere Adressen, Tag, Ort und Staat der Geburt. Nicht gespeichert werden sollen die biometrischen Daten. Aber trotz heftiger Diskussion mit drin sind nach wie vor die Religionszugehörigkeit, Passnummern, Steuerklassen und Waffenscheindaten. Nicht mehr im Klartext aufgenommen werden soll die Steuer-Identifikationsnummer nach Paragraf 139 b der Abgabenordnung. Da sieht der jetzt diskutierte Entwurf vor, dass die nur noch verschlüsselt gespeichert wird. Das ist im Wesentlichen der Diskussionsfortschritt im Februar.

    Kloiber: Ist damit denn der Vorwurf ausgeräumt, dass die Steueridentifikationsnummer als einheitliche Personenkennziffer genutzt werden kann?

    Welchering: Wenn die Steueridentifikationsnummer nicht entschlüsselt werden kann, dann kann sie auch nicht als einheitliche Personenkennziffer verwendet werden. Das war ja im Wesentlichen die Kritik am Referentenentwurf im Februar. Denn rein datentechnisch gesehen ist so eine Identifikationsnummer nichts anderes als eine einheitliche Personenkennziffer, über die alle Daten zu dieser Person in allen von Behören oder öffentlichen Stellen geführten Datenbanken recherchiert werden können. Wo wohnt der Gesuchte, welches Auto fährt er mit welchem KFZ-Kennzeichen, welche Kredite muss er bedienen, welches Einkommen hat er, und bei der automatisierten Erfassung von KFZ-Kennzeichen an Autobahnen kann sogar ermittelt werden, wann er wohin gefahren ist. Seit dem 1. Januar gilt zudem die Telekommunikationsvorratsdatenspeicherung. Über diese Identifikationsnummer kommt man leicht an Handy- und Gerätenummer und kann ermitteln, wann jemand in welcher Funkzelle war, also ein Bewegungsprofil erstellen. Rein datentechnisch gesehen ist über diese Personenkennziffer, wenn sie in einem zentralen Melderegister zusammengeführt wird, mit anderen personenbezogenen Daten nicht nur der gläserne Bürger, sondern seine komplette Überwachung möglich. Auf diese Kritik hat man im Innenministerium reagiert. Deshalb soll die Steueridentifikationsnummer eben verschlüsselt werden. Geregelt werden muss dann aber noch im Detail, wer sie entschlüsseln darf. Solange das nicht feststeht, lässt sich nicht so genau einschätzen, ob die Steueridentifikationsnummer als einheitliche Personenkennziffer benutzt werden wird im Bundesmelderegister oder eine eigens noch zu schaffende Personenkennziffer eingeführt wird.

    Kloiber: Über welches Identifizierungsmerkmal werden denn die 5300 Meldebehörden ihre Liste mit den 30 Datensätzen ins Bundesmelderegister einspeisen?

    Welchering: Dafür wird eine eigene Meldeziffer für jeden Bürger eingeführt, die aber nur für den Datenaustausch zwischen den 5300 Meldebehörden und dem Bundesmelderegister benutzt werden darf. Auf diese Meldeziffer haben andere Behörden und die Polizei von Bund und Ländern keinen Zugriff. Die können aber auf alle anderen Datensätze des Bundesmelderegisters zugreifen. Auch der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst und der Verfassungsschutz haben hier Zugriff. Und die spannende Frage ist jetzt: Dürfen dese Dienststellen die Steueridentifikationsnummer entschlüsseln oder nicht. Wenn sie die Steueridentifikationsnummer entschlüsseln dürfen, dann ist eine Totalüberwachung rein technisch gesehen überhaupt kein Problem mehr. Die zweite offene Frage: Wie soll denn in technischer Hinsicht sicher gestellt sein, dass nur die Meldebehörden und das Bundesverwaltungsamt, das ja das Bundesmelderegister führen soll, auf die Meldeziffer Zugriff haben? Wenn die Meldeziffer einfach nur in einem ganz normalen Datensatz abgespeichert wird, hat rein technisch gesehen jede Dienststelle, auch der Geheimdienst, Zugriff darauf und kann sie als Identifikationsnummer nutzen. In technischer Hinsicht braucht man dann die Steueridentifikationsnummer nicht mehr für die Totalüberwachung. Dann lässt sich auch prima mit der Meldeziffer arbeiten.