"Wir sind Protagonisten, weil wir auch die Bühne betreten und begegnen uns mit Objekten, in denen die Leidenschaften ihre Spuren hinterlassen haben. Und begeben uns dann auf Spurensuche nach diesen Gefühlen und nach allem, was mit diesen Gefühlen zu tun hat. Und auf diese Weise sind wir immer im Dialog mit diesen Gefühlen eben und mit ihrer Geschichte und zwar ganz direkt, in dem wir auf der Bühne drum herum laufen."
Die australische Kuratorin Dr. Cathrine Nichols betritt den ersten Raum der Ausstellung, der gleichzeitig auch der erste Akt des Dramas über die Leidenschaften ist. Zu jedem Akt gehört ein Ausstellungsraum, eingerichtet wie eine gewöhnliche Wohnung.
"Wir haben da insgesamt mit der Idee des Gefühlshaushalts gespielt, dass wir einen Haushalt haben, in dem wir uns bewegen. Es gibt ein Esszimmer, es gibt eine Küche, es gibt ein Bad, Schlafzimmer und Wohnzimmer und dieses Arrangement wiederholt sich fünft Mal in fünf Akten. Während die Handlung fortschreitet, verwandelt sich dieser Raum."
Ein täuschend echt aussehendes Krokodil mit einem weit aufgerissenen Maul hängt über einem weißen langen Tisch im Esszimmer und zieht erst einmal jeden Besucher in seinen Bann.
"Descartes hat gesagt, dass Staunen so eine Art Sonderleidenschaft ist, eine Art Überleidenschaft, weil immer bei jedem Affekt wird man zuerst in Verwunderung versetzt, das ist das erste, was einem passiert, wenn man von einem Gefühl überwältigt wird. Das man erst mal staunt, was ist denn mit mir passiert."
An der Esszimmer-Wand hängt ein Bild, auf dem der heilige Hieronymus gegen einen Löwen kämpft. Ein anderes zeigt den heiligen Michael, der sich mit einem Drachen anlegt. Besonders im christlichen Mittelalter wurden Leidenschaften immer wieder als wilde Tiere dargestellt, als Bestien, die der Mensch zu bändigen hat. Leidenschaftliche Gefühle in Schach zu halten, ist eine Aufgabe, die bis heute im sozialen Miteinander bewältigt werden muss, meint die Kulturhistorikerin Prof. Ute Frevert, die das Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung leitet.
"Alle Gesellschaften haben sich im Prinzip immer davor gefürchtet, dass Leidenschaften aus dem Ruder geraten – also sie finden seit der Antike immer die Idealvorstellung des richtigen Maßes. Also Leidenschaften sind nicht von sich aus schlecht, aber wenn sie zu stark werden, wenn sie Besitz von einem Menschen ergreifen und diesen Menschen dann letztendlich auch überwältigen, so dass nichts anderes mehr übrig bleibt als diese Leidenschaft und es gibt ja bis heute den Begriff rasend vor Leidenschaft zu sein, mit dem kann man Gesellschaft nicht machen mit dem kann man keine lastbaren sozialen Beziehungen eingehen."
Seit der Antike wurde außerdem versucht, die Leidenschaften überhaupt erst einmal zu erfassen. Lange vermutete man beispielsweise, dass sie im Körper wohnen. Dieses Streben macht Dr. Catherine Nichols in dem Ausstellungs-Drama über die Leidenschaften sichtbar.
"Über die Jahrhunderte hat man die Leidenschaften in fast jedem Organ irgendwie verortet, sei es im Herzen, sei es im Gedärm, sei es in der Leber, in der Milz oder so und deswegen haben wir versucht, es sehr kompakt und dicht anhand dieser anatomischen Figur, dieser ausgehöhlten anatomischen Figur zu zeigen, wo alle Organe, in den mal die Leidenschaften vermutet worden sind, dann außerhalb dieses Körpers suspendiert im Raum da sehen."
Die Figur hängt über einer weißen Badewanne und die Organe scheinen frei davor zu schweben. Mittlerweile wissen Forscher, dass Organe betroffen sein können, wenn es um leidenschaftliche Gefühle geht. Sie wissen inzwischen auch, dass diese starken Gefühle mit komplexen Vernetzungen zwischen Organen und Gehirn zusammen hängen. Prof. Ute Frevert.
"Das versuchen jetzt die Neurowissenschaftler zu messen. Ich bin gespannt, wie weit sie damit kommen. Das Problem für Neurowissenschaftler ist natürlich, Leidenschaften unterscheiden sich von Affekten dadurch, dass sie von langer Dauer sind. Man kann eine Leidenschaft sehr sehr lange hegen, man kann sie auch durch die Länge der Zeit in ihrem Intensitätsgrad steigern, weil ein Affekt etwas ist, was sie überkommt ganz schnell und was dann auch wieder weg ist. Und wie messen Wissenschaftler solche Phänomene. Sie legen sie mittlerweile in diese computertomografische Röhre und verbinden die mit irgendwelchen Messinstrumenten, aber das geht am besten, wenn es kurz ist, aber eine lange Leidenschaft, die sich über Jahre hinweg entwickelt ist auch für Neurowissenschaftler nicht messbar."
Während die Kulturhistorikerin Prof. Ute Frevert Leidenschaft so definiert, dass starke Gefühle über längere Zeit andauern und unser Handeln prägen, meint die Kuratorin Dr. Cathrine Nichols, dass auch kurze heftige Gefühle Leidenschaften sein können.
"Also uns geht es wirklich um diese starken Gefühle, die wir meinen passiv zu erleben, die uns überfallen, die uns überwältigen und heutzutage werden die auch als Affekte bezeichnet. Das sind Gefühle wie Zorn, wie Angst, wie Scham, wie Liebe, Begierde, also all diese Gefühle, wo man das Gefühl hat, dass man die Kontrolle verliert, wo man überwältigt wird, wo man sich nicht wiedererkennt in diesem Moment."
"Wenn man verliebt ist, dann geht es einem öfters mal schlecht, weil wenn irgendjemand das weiß, zum Beispiel ein anderer Junge, und dann sagt der das einem. Man fühlt sich durcheinander auch ein bisschen, man kann sich gar nicht mehr konzentrieren. Bei mir ist das eher so: Ich werde dann rot. Ich bin ja verliebt in ein Mädchen und dann denke ich meistens gar nicht nach, dann bin ich auf einmal in einer ganz anderen Dimension."
Was die Kinder im Drama über die Leidenschaften so authentisch beschreiben, soll auch bei den Besuchern einen Aha-Effekt hervorrufen. So kann er selbst vom Betrachter starker Emotionen zum Protagonisten werden und sich davon treiben lassen. In der Ausstellung gewinnen die leidenschaftlichen Gefühle an Fahrt. Das Drama der Leidenschaften nähert sich dem Höhepunkt.
"Die Leidenschaften haben die Oberhand bekommen und alles durch den Raum gewirbelt, also diese ganzen Möbelstücke sind jetzt zu komischen Hybriden geworden, da sieht man die Toilette, die auf einem umgedrehten Tisch steht und mit dem Herd verbunden ist und da geht es um Ekel und jede dieser Inseln, die sie da sehen, sind für eine bestimmte Leidenschaft gedacht."
Der Besucher, der ja gleichzeitig Protagonist des Dramas ist, soll durchaus auch von Ekel überfallen werden, wenn er das auf der Bühne entstandene Chaos sieht. Außerdem will Dr. Cathrine Nichols ihm vor Augen führen, wie heterogen heftige Gefühle sein können.
"Aus jeder Insel geht auch die Ambivalenz der Gefühle hervor, das ist Zorn zum Beispiel. Hier sehen sie das ganz deutlich, da anhand dieser Transparente von der Demonstration Berlin Alexanderplatz zum 4. November 1989, da merkt man auch das Zorn zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Ausmaß, wie Aristoteles schon sagte eine durchaus positive Sache sein kann. Gleichzeitig sieht man darunter so ein Beil, was in einem Affekt-Mord benutzt worden ist und da sind die Zeugenvernehmungen zu hören und die Beschreibungen von dem Psychiater und das Zeugnisverständnis von dem Täter. Und da merkt man: Zorn kann zu unglaublich vielen destruktiven Akten, Taten auch führen."
Wie sind leidenschaftliche Gefühle zu beherrschen? Welche gesellschaftlichen Mechanismen müssen greifen, damit der Mensch selbst nicht von seinen Gefühlen davongetragen wird und dann auch noch das soziale Miteinander unmöglich macht? Erziehung, Arbeit und Religion können leidenschaftliche Gefühle begrenzen. Das zeigt sich auch im Bühnenbild der Ausstellung: Es kehrt wieder Ordnung zurück und in der Küche steht plötzlich ein Beichtstuhl.
"Beichten ist eine der Möglichkeiten, die die Religion hat für diese Linderung von Leidenschaften, das ist wirklich ein kathartisches Moment, man hat die Möglichkeit zu erzählen, was man alles getan hat und auch diese Reinigung zu erleben, deswegen haben wir da den Küchenschrank an der Stelle mit dem Beichtstuhl ausgetauscht. Es ist nichts mehr, wie es vorher war, da sehen sie es sehr deutlich."
Eine Polizeisäule, die mitten in der Wohnung steht, verweist auf die helfende und gleichzeitig sanktionierende Rolle des Staates. Früher gab es noch andere gesellschaftliche Züchtigungen um die Gefühle von Menschen in Zaum zu halten. Prof. Ute Frevert:
"Wir haben ja bis ins 19. Jahrhundert hinein etwas, was wir heute nur noch aus der Sprache kennen, nämlich jemanden an den Pranger stellen und dieser Pranger war ein materielles, ein anfassbares Ding, nämlich eine Art Podest, auf den jemand gestellt wurde, der die Normen der Gesellschaft des Dorfes oder der Stadt mit Füssen getreten hat, verachtet hat, sich gegen diese Normen vergangen hat, in dem er jemand anders bestohlen hat oder Ehebruch begangen hat. Und auf diesen Pranger gestellt wurde und drei Tage lang der Öffentlichkeit preisgegeben wurde, konnte ihn bespucken, konnte ihn bewerfen, konnte ihn auslachen, diese Art von öffentlicher Beschämung ist ein sehr starker Mechanismus, um bestimmte Gefühle, nämlich die der Scham, in einer Person zu wecken und damit durch die Beschämung auf die gute Ordnung einer Gesellschaft dann hinzuwirken."
"Tor, Tor, Tor! Tor für Deutschland Linksschuss von Ran, Schäfer hat die Flanke nach innen geschlagen. Drei zu zwei für Deutschland fünf Minuten vor dem Spielende. Halten sie mich für verrückt, halten sie mich für übergeschnappt, ich glaube auch Fußball-Laien sollten ein Herz haben, sollten sich an der Begeisterung unserer Mannschaft und an unserer eigenen Begeisterung mitfreuen."
Das populäre Endspiel der Fußball WM 1954 in Bern. Sport kann also ebenfalls wieder Ordnung ins Land der Leidenschaften beim Menschen selbst und in die Gesellschaft bringen. Aber was wirkt ausgleichend jenseits gesellschaftlicher Grenzsetzungen? Mitgefühl kann bei der Regulation leidenschaftlicher Gefühle eine zentrale Rolle spielen. Das dokumentiert die Ausstellung im letzten Akt, denn dann lösen sich die Leidenschaften auf. Der Besucher steht in einem Garten und kann in die aufgeräumte Wohnung blicken.
Die australische Kuratorin Dr. Cathrine Nichols betritt den ersten Raum der Ausstellung, der gleichzeitig auch der erste Akt des Dramas über die Leidenschaften ist. Zu jedem Akt gehört ein Ausstellungsraum, eingerichtet wie eine gewöhnliche Wohnung.
"Wir haben da insgesamt mit der Idee des Gefühlshaushalts gespielt, dass wir einen Haushalt haben, in dem wir uns bewegen. Es gibt ein Esszimmer, es gibt eine Küche, es gibt ein Bad, Schlafzimmer und Wohnzimmer und dieses Arrangement wiederholt sich fünft Mal in fünf Akten. Während die Handlung fortschreitet, verwandelt sich dieser Raum."
Ein täuschend echt aussehendes Krokodil mit einem weit aufgerissenen Maul hängt über einem weißen langen Tisch im Esszimmer und zieht erst einmal jeden Besucher in seinen Bann.
"Descartes hat gesagt, dass Staunen so eine Art Sonderleidenschaft ist, eine Art Überleidenschaft, weil immer bei jedem Affekt wird man zuerst in Verwunderung versetzt, das ist das erste, was einem passiert, wenn man von einem Gefühl überwältigt wird. Das man erst mal staunt, was ist denn mit mir passiert."
An der Esszimmer-Wand hängt ein Bild, auf dem der heilige Hieronymus gegen einen Löwen kämpft. Ein anderes zeigt den heiligen Michael, der sich mit einem Drachen anlegt. Besonders im christlichen Mittelalter wurden Leidenschaften immer wieder als wilde Tiere dargestellt, als Bestien, die der Mensch zu bändigen hat. Leidenschaftliche Gefühle in Schach zu halten, ist eine Aufgabe, die bis heute im sozialen Miteinander bewältigt werden muss, meint die Kulturhistorikerin Prof. Ute Frevert, die das Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung leitet.
"Alle Gesellschaften haben sich im Prinzip immer davor gefürchtet, dass Leidenschaften aus dem Ruder geraten – also sie finden seit der Antike immer die Idealvorstellung des richtigen Maßes. Also Leidenschaften sind nicht von sich aus schlecht, aber wenn sie zu stark werden, wenn sie Besitz von einem Menschen ergreifen und diesen Menschen dann letztendlich auch überwältigen, so dass nichts anderes mehr übrig bleibt als diese Leidenschaft und es gibt ja bis heute den Begriff rasend vor Leidenschaft zu sein, mit dem kann man Gesellschaft nicht machen mit dem kann man keine lastbaren sozialen Beziehungen eingehen."
Seit der Antike wurde außerdem versucht, die Leidenschaften überhaupt erst einmal zu erfassen. Lange vermutete man beispielsweise, dass sie im Körper wohnen. Dieses Streben macht Dr. Catherine Nichols in dem Ausstellungs-Drama über die Leidenschaften sichtbar.
"Über die Jahrhunderte hat man die Leidenschaften in fast jedem Organ irgendwie verortet, sei es im Herzen, sei es im Gedärm, sei es in der Leber, in der Milz oder so und deswegen haben wir versucht, es sehr kompakt und dicht anhand dieser anatomischen Figur, dieser ausgehöhlten anatomischen Figur zu zeigen, wo alle Organe, in den mal die Leidenschaften vermutet worden sind, dann außerhalb dieses Körpers suspendiert im Raum da sehen."
Die Figur hängt über einer weißen Badewanne und die Organe scheinen frei davor zu schweben. Mittlerweile wissen Forscher, dass Organe betroffen sein können, wenn es um leidenschaftliche Gefühle geht. Sie wissen inzwischen auch, dass diese starken Gefühle mit komplexen Vernetzungen zwischen Organen und Gehirn zusammen hängen. Prof. Ute Frevert.
"Das versuchen jetzt die Neurowissenschaftler zu messen. Ich bin gespannt, wie weit sie damit kommen. Das Problem für Neurowissenschaftler ist natürlich, Leidenschaften unterscheiden sich von Affekten dadurch, dass sie von langer Dauer sind. Man kann eine Leidenschaft sehr sehr lange hegen, man kann sie auch durch die Länge der Zeit in ihrem Intensitätsgrad steigern, weil ein Affekt etwas ist, was sie überkommt ganz schnell und was dann auch wieder weg ist. Und wie messen Wissenschaftler solche Phänomene. Sie legen sie mittlerweile in diese computertomografische Röhre und verbinden die mit irgendwelchen Messinstrumenten, aber das geht am besten, wenn es kurz ist, aber eine lange Leidenschaft, die sich über Jahre hinweg entwickelt ist auch für Neurowissenschaftler nicht messbar."
Während die Kulturhistorikerin Prof. Ute Frevert Leidenschaft so definiert, dass starke Gefühle über längere Zeit andauern und unser Handeln prägen, meint die Kuratorin Dr. Cathrine Nichols, dass auch kurze heftige Gefühle Leidenschaften sein können.
"Also uns geht es wirklich um diese starken Gefühle, die wir meinen passiv zu erleben, die uns überfallen, die uns überwältigen und heutzutage werden die auch als Affekte bezeichnet. Das sind Gefühle wie Zorn, wie Angst, wie Scham, wie Liebe, Begierde, also all diese Gefühle, wo man das Gefühl hat, dass man die Kontrolle verliert, wo man überwältigt wird, wo man sich nicht wiedererkennt in diesem Moment."
"Wenn man verliebt ist, dann geht es einem öfters mal schlecht, weil wenn irgendjemand das weiß, zum Beispiel ein anderer Junge, und dann sagt der das einem. Man fühlt sich durcheinander auch ein bisschen, man kann sich gar nicht mehr konzentrieren. Bei mir ist das eher so: Ich werde dann rot. Ich bin ja verliebt in ein Mädchen und dann denke ich meistens gar nicht nach, dann bin ich auf einmal in einer ganz anderen Dimension."
Was die Kinder im Drama über die Leidenschaften so authentisch beschreiben, soll auch bei den Besuchern einen Aha-Effekt hervorrufen. So kann er selbst vom Betrachter starker Emotionen zum Protagonisten werden und sich davon treiben lassen. In der Ausstellung gewinnen die leidenschaftlichen Gefühle an Fahrt. Das Drama der Leidenschaften nähert sich dem Höhepunkt.
"Die Leidenschaften haben die Oberhand bekommen und alles durch den Raum gewirbelt, also diese ganzen Möbelstücke sind jetzt zu komischen Hybriden geworden, da sieht man die Toilette, die auf einem umgedrehten Tisch steht und mit dem Herd verbunden ist und da geht es um Ekel und jede dieser Inseln, die sie da sehen, sind für eine bestimmte Leidenschaft gedacht."
Der Besucher, der ja gleichzeitig Protagonist des Dramas ist, soll durchaus auch von Ekel überfallen werden, wenn er das auf der Bühne entstandene Chaos sieht. Außerdem will Dr. Cathrine Nichols ihm vor Augen führen, wie heterogen heftige Gefühle sein können.
"Aus jeder Insel geht auch die Ambivalenz der Gefühle hervor, das ist Zorn zum Beispiel. Hier sehen sie das ganz deutlich, da anhand dieser Transparente von der Demonstration Berlin Alexanderplatz zum 4. November 1989, da merkt man auch das Zorn zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Ausmaß, wie Aristoteles schon sagte eine durchaus positive Sache sein kann. Gleichzeitig sieht man darunter so ein Beil, was in einem Affekt-Mord benutzt worden ist und da sind die Zeugenvernehmungen zu hören und die Beschreibungen von dem Psychiater und das Zeugnisverständnis von dem Täter. Und da merkt man: Zorn kann zu unglaublich vielen destruktiven Akten, Taten auch führen."
Wie sind leidenschaftliche Gefühle zu beherrschen? Welche gesellschaftlichen Mechanismen müssen greifen, damit der Mensch selbst nicht von seinen Gefühlen davongetragen wird und dann auch noch das soziale Miteinander unmöglich macht? Erziehung, Arbeit und Religion können leidenschaftliche Gefühle begrenzen. Das zeigt sich auch im Bühnenbild der Ausstellung: Es kehrt wieder Ordnung zurück und in der Küche steht plötzlich ein Beichtstuhl.
"Beichten ist eine der Möglichkeiten, die die Religion hat für diese Linderung von Leidenschaften, das ist wirklich ein kathartisches Moment, man hat die Möglichkeit zu erzählen, was man alles getan hat und auch diese Reinigung zu erleben, deswegen haben wir da den Küchenschrank an der Stelle mit dem Beichtstuhl ausgetauscht. Es ist nichts mehr, wie es vorher war, da sehen sie es sehr deutlich."
Eine Polizeisäule, die mitten in der Wohnung steht, verweist auf die helfende und gleichzeitig sanktionierende Rolle des Staates. Früher gab es noch andere gesellschaftliche Züchtigungen um die Gefühle von Menschen in Zaum zu halten. Prof. Ute Frevert:
"Wir haben ja bis ins 19. Jahrhundert hinein etwas, was wir heute nur noch aus der Sprache kennen, nämlich jemanden an den Pranger stellen und dieser Pranger war ein materielles, ein anfassbares Ding, nämlich eine Art Podest, auf den jemand gestellt wurde, der die Normen der Gesellschaft des Dorfes oder der Stadt mit Füssen getreten hat, verachtet hat, sich gegen diese Normen vergangen hat, in dem er jemand anders bestohlen hat oder Ehebruch begangen hat. Und auf diesen Pranger gestellt wurde und drei Tage lang der Öffentlichkeit preisgegeben wurde, konnte ihn bespucken, konnte ihn bewerfen, konnte ihn auslachen, diese Art von öffentlicher Beschämung ist ein sehr starker Mechanismus, um bestimmte Gefühle, nämlich die der Scham, in einer Person zu wecken und damit durch die Beschämung auf die gute Ordnung einer Gesellschaft dann hinzuwirken."
"Tor, Tor, Tor! Tor für Deutschland Linksschuss von Ran, Schäfer hat die Flanke nach innen geschlagen. Drei zu zwei für Deutschland fünf Minuten vor dem Spielende. Halten sie mich für verrückt, halten sie mich für übergeschnappt, ich glaube auch Fußball-Laien sollten ein Herz haben, sollten sich an der Begeisterung unserer Mannschaft und an unserer eigenen Begeisterung mitfreuen."
Das populäre Endspiel der Fußball WM 1954 in Bern. Sport kann also ebenfalls wieder Ordnung ins Land der Leidenschaften beim Menschen selbst und in die Gesellschaft bringen. Aber was wirkt ausgleichend jenseits gesellschaftlicher Grenzsetzungen? Mitgefühl kann bei der Regulation leidenschaftlicher Gefühle eine zentrale Rolle spielen. Das dokumentiert die Ausstellung im letzten Akt, denn dann lösen sich die Leidenschaften auf. Der Besucher steht in einem Garten und kann in die aufgeräumte Wohnung blicken.