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Auf der Spur der Rebellen

Anna McCarthy spielt Bass und singt in der Münchner "Damenkapelle". In ihren künstlerischen Arbeiten verbindet sie Installation, Performance, Videofilm, Zeichnung, Malerei und Musik zu einem Gesamtkunstwerk. Im Mittelpunk: Die Figur des gelangweilten Rebellen.

Von Andi Hörmann |
    "Ich konzentriere mich hauptsächlich schon auf die Kunstsachen - die Band ist halt Spaß."

    Die Räume der städtischen Kunsthalle "Lothringer13" in München-Haidhausen sind kalkweiß gestrichen. Im Keller probt Anna McCarthy einmal die Woche mir ihrer Band; im ersten Stock arbeitet sie fast täglich in ihrem Künstleratelier.

    "Hier ist halt so, wo ich dreckig sein kann. Hier kann ich mit Gips arbeiten und malen und alles rumliegen lassen. Da muss man ja nicht wohnen. Man kann ja wieder nachhause gehen."

    Filzstiftskizzen mit traurigen Smilies liegen verstreut auf dem Boden herum, Second-Hand-Klamotten hängen über einer halb offenen Schranktür. Auf dem Arbeitstisch: Ein chaotisches Durcheinander - zwischen Aschenbecher und Kassettenrekorder zieht Anna McCarthy ihr 2011 erschienenes Buch "Revolution & It`s Muses" hervor. Sie blättert in den aufwendig in Risograph-Technik - einer Art Siebdruckverfahren - illustrierten Bild- und Textcollagen.

    "Das mag ich gerne, das ist sehr kurz: When you are down, ugly on the ground, I`ll come around for you."

    Die rhythmische Lyrik aus ihrem Buch wird in Anna McCarthy`s Band Damenkapelle zu Songtexten: In der Musik verwebt sie Sprachrhythmus und Pop-Performance zu einem Kunsthappening.

    "Das haben wir auch mit der Damenkapelle umgesetzt: I wonna be bored all the time, I wonna be one of a kind. I am bored, bored, bored out of my mind an that`s why I am bored all the time. I don`t wonna work. I`m broke."

    "Ich benütze halt total platte, plakative Schlagwörter, weil ich mich auch gerne mit Stereotypen und Klischees auseinandersetze. Also, das ist so das persönlich Politische. Viel auch von diesem Subkulturending: Punker, Mod, Rockabilly - habe ich alles hinter mich gebracht, vor 18 oder vor 20, und irgendwann gemerkt, dass das eigentlich oft total engstirnige Menschen sein können."

    Ihr zentrales Motiv, die Figur des bored rebel - des gelangweilten Rebellen - stattet sie mit Rock 'n' Roll - Klischees aus: Bierflasche, schwarze Lederjacke, zerzauste Haare. Der Blick: auf den Boden gerichtet. Die Arme: in blutigen Verband gehüllt. Der Rebell als Antihelden - zum Scheitern verurteilt, überfordert von Ideologien und Zeitgeist, gesellschaftsmüde.

    "Dieser Moment, dass man in so einem Limbo-Zustand ist und wartet darauf, dass irgendwas passieren muss. Man würde gerne irgendwie aktiv werden, aber man weiß überhaupt nicht mehr, wo man ansetzen soll."

    In den Arbeiten von Anna McCarthy stehen immer enge Freunde und Familienmitglieder im Mittelpunkt: Als Bildmotive, als Inspiration für Texte, als Protagonisten in den Filmen. Die Ernsthaftigkeit von Rebellentum, Revolution und Rock 'n' Roll wird in den Kunstwerken oftmals über ironisches Augenzwinkern humorvoll entwaffnet.

    "Bei einem ist es mein Vater, der jetzt in seiner Rente frei wird. Der hat sein ganzes Leben lang hart gearbeitet und erst in der Rente gemerkt wie er eigentlich hätte leben können. Und jetzt fährt er nur in Urlaub und geht auf Konzerte und wir machen auch viele Projekte zusammen. Der ist so aufgeblüht. Ich hab ihn einfach gefilmt. Das ist auch überspitzt und teilweise fiktiv, wie er in der Fasanerie, in so einem typischen ´Suburb` von München einfach rumläuft und Ärger sucht und sich aufführt und der coole Macker ist. Eigentlich wie so ein 15-jähriger cooler Typ, der raucht vor dem Rauchverbotsschild."

    Ihre melancholischen Bildmotive konterkariert sie mit Primärfarben - Rot, Gelb, Blau - und verwandelt so Symbole der Rebellion in Artefakte des politischen Alltags. So taucht zum Beispiel neben einer abgetragenen Lederjacke immer wieder ein schwarzer Rabe in den Bildern, Texten und Filmen von Anna McCarthy auf:

    "Es gibt so ein Sprichwort, das heißt: Eating crow. Also wenn man Rabe gegessen hat, dann hat man gelogen. Das wird vor allem in Amerika verwendet, von der Politik. Wenn man weiß, dass man im Unrecht war, dann sagt man: Then I will eat crow for breakfast. Also man gibt zu, dass man im Unrecht war. Das finde ich ein ganz schönes Bild."