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Auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Tränende Augen, verstopfte oder laufende Nasen, juckende Haut – alltägliche Probleme eines Allergikers. Allein an Heuschnupfen leidet etwa ein Drittel der Bevölkerung. Nicht selten kommen weitere Allergien oder Asthma hinzu. Doch oft bleibt lange unklar, worauf man eigentlich allergisch reagiert. Solchen Menschen können Allergieambulanzen, wie die der Uni Münster, helfen.

Stefanie Kowalewski | 13.08.2002
    Man niest ja ständig. Dann hat man mal fünf Minuten Ruhe und dann kommen plötzlich wieder so Niesanfälle. Man niest ja nicht nur einmal – man niest fünf Minuten am Stück. – Es ist schon eine unheimliche Beeinträchtigung und es nervt – bei allem. Egal was man macht, man muss immer niesen.

    Verantwortlich für den Juckreiz und die triefenden Nasen sind meist ganz harmlose Stoffe wie Pollen oder Hausstaub. Doch Allergiker reagieren darauf, als wären es gefährliche Eindringlinge und schütten vermehrt die körpereigenen Entzündungsbotenstoffe wie Histamin aus. Patienten, bei denen sich die Suche nach den Allergie auslösenden Substanzen schwierig gestaltet oder die unter Mehrfachallergien leiden, versucht die Allergologische Ambulanz der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zu helfen, sagt die Dermatologin Anita Rütter.

    Man sucht auch oft sprichwörtlich die Nadel im Heuhaufen. Es gibt oftmals auch Patienten die verkannt werden, wo man viele Arztbesuche hinter sich hat, eine ganze Reihe von diagnostischen Prozederen vollbracht hat und trotzdem keine Diagnose finden konnte und gerade in diesen Fällen sind natürlich solche detektivischen Feinstarbeiten notwendig. – Wir machen in aller Regel umfangreiche Testungen an der Haut und auch Laboruntersuchungen um die Diagnose zu stellen und geben dann in der Regel eine Therapieempfehlung, so dass der niedergelassene Kollege die Patienten am Heimatort weiter behandelt.

    90 Prozent der Allergien werden übrigens von nur zehn Substanzen ausgelöst. Sie sind relativ leicht zu diagnostizieren. Aber für die übrigen zehn Prozent der Allergien können etwa 400 verschiedene Substanzen verantwortlich sein. Das macht die Suche schwierig. Die Ambulanz in Münster hat hier gegenüber einer Praxis einen entscheidenden Vorteil, sagt Oberarzt Randolf Brehler.

    Wir haben eine große Anzahl von verschiedenen Substanzen auf die wir feststellen können, ob die Patienten Allergien darauf haben. Diese Substanzen sind relativ teuer und sicherlich vielfach bei den niedergelassenen Kollegen nicht in der Breite verfügbar. Ich glaube das ist einer der wesentlichen Unterschiede. Und wir haben hier auch bestimmte Labormethoden, mit denen wir bestimmte Allergieformen nachweisen können, die sicherlich auch nicht überall verfügbar sind.

    So stellten die Mediziner beispielsweise bei Patientinnen mit Gesichtsekzemen fest, dass die Rötungen und Schwellungen auf bestimmte Bestandteile im Nagellack zurückzuführen sind. Nach langjährigen Untersuchungen fanden sie auch heraus, dass die Birkenfeige für viele asthmatische Beschwerden verantwortlich ist. Eine Zimmerpflanze die heute in nahezu jedem Haushalt zu finden ist.

    Da braucht man häufig längere Zeit, bis man das dann tatsächlich herausgefunden hat. Oder ein anderes Beispiel: ...Ein Mann, Handekzem, nur in der rechten Handinnenfläche. Bestand schon ne ganze Zeit. Frage ist dann, was kommt in Frage womit man nur mit der rechten Hand Kontakt hat. Letztlich rausgekommen ist, dass es der Schaltknauf vom Auto war. Eine Substanz in diesem Schaltknauf.

    Bei der detektivischen Suche nach den Ursachen einer Allergie arbeiten Ärzte verschiedener Fachbereiche zusammen. Je nach Krankheitsbild diagnostizieren und behandeln Allergologen, Kinderärzte, Lungenspezialisten, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Umweltmediziner gemeinsam, sagt Anita Rütter.

    Der Vorteil für den Patienten ist hier ganz klar: die Kommunikationswege sind kurz. Das heißt, man kann einen Rat einholen, möglicherweise am gleichen Tag. Unterm Strich soll für den Patienten ja eine optimale Therapieempfehlung herauskommen, wo man sich ganz sicher ist, dass es individuell für den Patienten das bestmöglich zugeschnittene Konzept ist.

    Allerdings müssen die Patienten auch in der Allergieambulanz die jeweiligen Fachärzte nacheinander aufsuchen. Da gäbe es noch was zu verbessern, meint Randolf Brehler.

    Das Ziel ist selbstverständlich, dass der Patient möglichst gleichzeitig von Kollegen verschiedener Fachdisziplinen gesehen wird. Das ist aber heute unter den finanziellen und gesundheitspolitischen Maßgaben nicht möglich.

    Besonders aufwendig werden derartige Diagnoseverfahren immer dann, wenn die Allergie auslösenden Substanzen in der Wohnung oder am Arbeitsplatz des Patienten vermutet werden. Umweltmediziner fahnden dann vor Ort gezielt nach den krankmachenden Stoffen, sagt Anita Rütter.

    Das heißt hier werden toxikologische Werte bestimmt, bestimmter Raumluftsubstanzen oder Umweltgifte die abgegeben werden von lasierten Möbeln oder Schimmelpilzbelastungen ect.

    Voraussetzung für die Behandlung in der Allergologischen Ambulanz ist eine Überweisung durch den Hausarzt. Die Kosten übernimmt dann die Krankenkasse. Wegen des großen Einzugsbereichs – er reicht vom Niederrhein bis nach Norddeutschland – und der wachsenden Zahl der Allergiekranken beträgt die Wartezeit allerdings derzeit bis zu vier Monate. Patienten sollten bereist bei der telefonischen Anmeldung möglichst genau ihren bisherigen Krankheitsverlauf beschreiben und auch die vermuteten Allergene nennen, denn manche Substanzen müssen auch in der Allergologischen Ambulanz gezielt besorgt werden.

    Kontaktadresse:

    Klinik und Poliklinik für Dermatologie Von-Esmarch-Str. 58 48149 Münster Tel: 0251-8356507