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Auf der Suche nach einer Professur

Kian-Harald Karimi ist ein Star. Zumindest für die Studierenden der Uni Potsdam. Die nämlich kürten den habilitierten Romanisten zum "Profstar 2006" und damit zu ihrem Lieblingsprofessor. Doch die Kür zum beliebtesten Hochschullehrer nützt ihm wenig. Denn als Privatdozent hangelt sich der 52-Jährige seit Jahren von einer befristeten Stelle zur nächsten. Nach Vertretungsprofessuren in Leipzig und Bonn und fast anderthalb Jahren Arbeitslosigkeit ergatterte er für den Sommer eine befristete Assistentenstelle in Potsdam und einen schlecht dotierten Lehrauftrag an der Freien Universität Berlin:

Von Mareike Knoke | 30.06.2007
    "Man kann davon leben. Nur, das Ganze ist eben doch befristet. Und ich stehe im August wieder vor der Notwendigkeit, mir einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Und da ich bereits anderthalb Jahre lang Arbeitslosengeld bezogen habe, dürfte nicht mehr viel für mich dabei herausspringen. Es würde wahrscheinlich so laufen, dass ich noch drei oder vier Monate Arbeitslosengeld bekommen und dann bei Hartz IV landen würde. Und dann wäre es unter diesen Umständen kaum noch möglich, dass ich meine Wohnung halten könnte."

    Seine Wohnung in Berlin-Mitte teilt er sich mit Zebrafinken und Kanarienvögeln. Und ungefähr 10.000 Büchern. Sie türmen sich in den Regalen, die fast alle Wände der Wohnung bedecken. Seine Privatbibliothek vereint die wichtigsten Werke der spanischen, portugiesischen und französischen Literatur. Sie ist Karimis Kapital und seine wissenschaftliche Infrastruktur,

    "...weil ja ein Privatdozent keine Infrastruktur in der Universität hat, sondern sich diese selber in seiner Wohnung aufbauen muss. Und wenn das auch noch wegfallen würde, dann wären die Möglichkeiten [...] für mich noch schlechter. Ich müsste wahrscheinlich [...] die ganze Sache aufgeben."

    Für Karimi wäre das eine Tragödie. Denn für den Sohn aus deutsch-persischem Elternhaus stand schon als Schüler fest, dass er in der Wissenschaft arbeiten und sich mit romanischer Literatur beschäftigen wollte. Er studierte Romanistik in Berlin und Bonn. Unbeirrbar und mit Leidenschaft stürzte er sich in die akademische Welt. Doch Karimi ist nicht weltfremd. Er hat immer gewusst, dass Geisteswissenschaftler beim Wettlauf um eine Professorenstelle schlechtere Karten haben als andere. Trotz ellenlanger Publikationsliste. Er hat sich deshalb auch außerhalb der Hochschule nach Jobs umgesehen, um sich zu finanzieren:

    "Ich habe in Computerschulen gearbeitet, in Nachhilfeschulen gearbeitet. Ich habe ein Buchhandelsvolontariat gemacht. Also, das heißt, ich weiß eigentlich ganz gut, wie es außerhalb der Universität aussieht. Aber mein Ziel war eigentlich seit dem Abitur, als Romanist zu arbeiten. [...] Das Problem ist natürlich: Je man dafür tut, je mehr man dafür leistet, je mehr Hürden man übersprungen hat, mit Promotion und Habilitation, umso mehr möchte man dabei bleiben, das ist doch völlig klar.[...] . Ich habe mich seit dem Sommer 2000 eigentlich ständig auf Professuren beworben. Das sind so viele, dass ich sie eigentlich gar nicht zählen kann. [...] Also, ich denke, wenn man fünf Jahre lang C4-Professuren vertreten hat und etliche Magister- und Examenskandidaten über die Runden gebracht hat, dann hat man doch eigentlich bewiesen, dass man in der Lage ist, ein erfolgreicher Hochschullehrer zu sein, oder?"

    Für andere Jobs, außerhalb der Uni, kommt er inzwischen wegen seines Alters kaum noch in Frage. Dabei würde er dafür überall hinziehen. Er ist alleinstehend und flexibel.

    "Ich denke, dass es für mich fast noch glimpflich ausgeht, eingedenk der Tatsache, dass andere ja eine Familie haben. Und nicht nur für sich, sondern auch für andere verantwortlich sind damit."

    Karimi verschickt Bewerbung um Bewerbung. Er gibt die Hoffnung nicht auf. Mitte Juli hat er endlich wieder ein Vorstellungsgespräch - für eine Professur in Rostock.