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Auf der Suche nach stabilen Verhältnissen

Am 10. und 17. Juni sind Parlamentswahlen in Frankreich und der neu gewählte sozialistische Präsident François Hollande kann laut Umfragen auf eine Mehrheit hoffen. Gewinnt jedoch die Rechte die Oberhand, wäre das das Ende der Hollandschen Wahlversprechen.

Von Ursula Welter | 22.05.2012
    Gelungener Auftakt - heißt es in den Nachrichten. Obwohl das internationale Parkett Neuland sei für François Hollande, habe er seine Themen problemlos platzieren können, vorzeitiger Abzug aus Afghanistan und Wachstum statt Spardiktat.

    Ein starker Franzose, eine einsame deutsche Kanzlerin, das Bild der neuen Verhältnisse verfestigt sich in Frankreichs öffentlicher Wahrnehmung.
    Siegerpose jenseits des Atlantiks, Detailarbeit an der Seine. Der Rechnungshof sitzt am Kassensturz, bis Ende Mai soll klar sein, wie viel Spielraum es gibt für die neue Regierung.

    Diese Ungerechtigkeit müssen wir so schnell wie möglich beenden, sagt Arbeitsminister, Michel Sapin und meint die Rücknahme der Rentenreform des Nicolas Sarkozy. Rente mit 60 bei langer Beitragszeit, eine Milliarde Euro Kosten schätzen die Sozialisten. Die Sozialpartner gehen bereits ein und aus, und die Gewerkschaften legen weitere Wünsche auf den Tisch: ein um 300 Euro höheres Mindesteinkommen etwa.

    Munition für den Wahlkampf. Seit gestern ist er offiziell eröffnet, am 10. und 17. Juni sind Parlamentswahlen. 6600 Kandidaten stehen zur Abstimmung, und doch gibt es ein Demokratiedefizit, sagt Hans Stark vom Internationalen Forschungsinstitut IFRI in Paris:

    "Die Franzosen haben ein Wahlrecht, das es den kleinen Parteien unmöglich macht, in der Nationalversammlung repräsentiert zu werden."

    Nahezu unmöglich. Wer im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen einsammelt, ist gewählt. Wo das nicht gelingt, geht es in den zweiten Wahlgang aber nur für die, die mehr als 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler für sich gewinnen konnten.

    Das macht es schwer für die kleineren Gruppierungen, selbst für die Dritte der Präsidentschaftswahlen, Marine Le Pen, die ihre Nationale Front für die Parlamentswahlen "bleue marine" getauft hat:

    "Wir sind nicht rechtsextrem, ich vertrete die patriotische, die nationale Bewegung." Marine Le Pen tritt im Pas-de Calais an, in der Heimat der "Schtiis", ausgerechnet gegen Jean-Luc Melenchon, von der radikalen linken Front.

    Wer verärgert, aber kein Faschist ist, sollte mir folgen, sagt Melenchon, helft mir Eure Wut in die Nationalversammlung zu tragen. Das Aufeinandertreffen zwischen Le Pen und Melenchon, den beiden Extremen, in einem Wahlkreis, lockt besonders viele Kameras in den Norden Frankreichs.

    In manchen Stimmbezirken wird die Qual der Wahl herrschen, bis zu einem Dutzend Kandidaten gibt es, skurrile Bewerbungen darunter, Wetteransager, Pornodarstellerinnen.

    Glamouröse Kulisse für die wirklichen Auseinandersetzungen: Die neue Regierung braucht die Parlamentsmehrheit, andernfalls muss der frisch gewählte Präsident in die "Cohabitation" , mit einer konservativen Mehrheit zusammen leben – das wäre das Ende der 60 Wahlversprechen des François Hollande.

    Die Umfragen sagen eine linke Mehrheit voraus, aber nicht alle Gleichgesinnten ziehen am gleichen Strang: In manchen Wahlkreisen machen sich Sozialisten und Grüne, trotz Wahlbündnis, Konkurrenz, ein "nachhaltiges" Wahlbündnis sieht anders aus, wetterte Grünenchefin Cecile Duflot am Sonntag im Zeitungsinterview. Die Kandidaten der Linksfront kommen hinzu. Auch deshalb glaubt die Konservative UMP an ihre Chance.

    Mehr Funktionäre, höhere Steuern, keine Sparpolitik - das haben wir von François Hollande gehört - sagt Jean-Francois Copé der Chef der bisherigen Regierungs-Partei UMP. Die Konservativen glauben an den Wahlsieg im Juni, vor allem, weil einer diesmal nicht zur Abstimmung steht: Nicolas Sarkozy.

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