Halb vier am Morgen: Túrkeve, ein 10.000-Einwohner-Städtchen in der ostungarischen Puszta, schläft. Die niedrigen Häuser mit Gärten und Hühnerställen im Hof sind von dichtem Nebel umhüllt. Nur ein paar Hunde sind wach. Und Imre Juhász. Der gedrungene Mittfünfziger stellt sich vor seinen hölzernen Gartenzaun. Und er wartet.
"Jetzt kommt gleich der Kleinbus. Und dann geht's los - im Galopp. Zu einem deutschen Unternehmen bei Budapest. Da sind so Eisenteile, die die Maschine nicht gut geschnitten hat. Da muss ich seit gestern so Zipfel abflexen. Das sind so 30.000 bis 35.000 Stück. Das ist ganz schön viel."
Ein schmutzig-grüner Kleinbus schält sich aus dem Nebel und hält vor Imre Juhász' Gartentor. Ein halbes Dutzend verschlafene Gestalten hockt auf den Sitzbänken. Zwei Stunden Fahrt durch den Nebel hat Imre Juhász vor sich. Vor ihm liegt ein harter Arbeitstag.
Imre Juhász ist einer von 2500 Tagelöhnern, die jeden Morgen Túrkeve verlassen - zum Arbeiten. Sie fahren bis nach Budapest oder Westungarn, jeden Tag Hunderte Kilometer. Zwei von drei, die arbeiten können, sind Arbeitsnomaden.
Dort, wo früher die Betriebskantine der LKW-Werkstatt AFIT war, rattern heute Nähmaschinen. In dem gefliesten Flachbau, in dem Neonröhren von der Decke hängen und Schürzen und Hemden auf Kleiderständern, ist der Arbeitsplatz von Ildikó Hagymási. Die hagere Mittvierzigerin beugt sich über weiße Hemden mit dünnen blauen Streifen.
"Also ich bringe jetzt hier Manschetten an die Hemden an. Vorher muss das natürlich ordentlich gefaltet werden."
Alle zwei Wochen ist Auslieferung: Tausende Hemden und T-Shirts müssen dann raus. Die gut drei Dutzend Näherinnen schuften an ihren Maschinen - im Licht der Neon-Röhren. Im Akkord.
Hier, mitten in der Puszta, ist die Kleiderkammer von McDonalds. T-Shirts, Schürzen, Mützen mit dem Firmenemblem kommen aus Túrkeve. Richard Schubert - einem massigen Donauschwaben - gehört die Firma.
"Wir arbeiten für einen Großhändler in München. Von dem bekommen wir die Aufträge. Jetzt sind wir fast die einzige Näherei in Europa, die Schürzen und Hemden für McDonalds liefert - erst nur in Deutschland, jetzt in ganz Europa."
Das beschert dem ehemaligen Restaurantbesitzer jährlich 1,3 Millionen Euro Gewinn. Jetzt hat er in der Gegend drei weitere insolvente Firmen aufgekauft. Er expandiert. Die Näherinnen verdienen nicht mal 400 Euro. Und das auch nur mit Überstunden.
"Es ist monoton, anstrengend. Die Leute denken immer: Acht Stunden rumsitzen, na und? Aber ich glaube, nicht mal Sklaven sitzen soviel herum. Es ist schlecht für die Augen, die Gelenke, das Kreuz. Da wir nach Stück bezahlt werden, machen wir natürlich gerne Überstunden. Ich habe auch schon mal 24 Stunden durchgeschuftet - aber da hatte ich schon Halluzinationen."
Den Druck halten viele nicht durch. Ständig sucht die Firma neue Näherinnen.
16.30 Uhr. Der schmutzig-grüne Minibus voller Tagelöhner kommt zurück. Feierabend. Müde steigt Imre Juhász aus dem Wagen.
"Es war anstrengend. Ich habe über 1000 von diesen Eisen bearbeitet. Mir tut der Rücken weh."
5000 Forint hat er an diesem Tag verdient. Nicht mal 20 Euro. Wenn er die überhaupt bekommt. Mit den Subunternehmer, die ihn anheuern, hat der ungelernte Arbeiter so seine Erfahrungen gemacht. Die meisten sagt er, sind Roma aus dem Ort.
"Wir haben in Debrecen auf dem Bau gearbeitet. Den ersten Monat wurden wir noch bezahlt. Am Ende schuldete uns der Typ aus dem Ort hier zwei Monatslöhne. Betrogen zu werden, ist in unserem Paket immer inbegriffen."
Das Risiko, betrogen zu werden, ist hoch, sagt Imre Juhász. Jeder Tagelöhner kann entsprechende Geschichten erzählen. Trotzdem boomt der graue Arbeitsmarkt. Da die Menschen keine Wahl haben. Mit einer Zukunft als Tagelöhner hat sich Imre Juhász mittlerweile abgefunden. Eines ist für ihn klar: Der EU-Beitritt Ungarns hat ihm nichts genutzt.
"Für uns Malocher war es früher besser. Man hatte sein regelmäßiges Auskommen: Heute ist da ständig diese nervliche Anspannung. Gibt es noch Arbeit für mich? Früher bin ich aufgestanden, zur Arbeit gegangen und ich wusste: Ich kann meine Familie ernähren."
"Jetzt kommt gleich der Kleinbus. Und dann geht's los - im Galopp. Zu einem deutschen Unternehmen bei Budapest. Da sind so Eisenteile, die die Maschine nicht gut geschnitten hat. Da muss ich seit gestern so Zipfel abflexen. Das sind so 30.000 bis 35.000 Stück. Das ist ganz schön viel."
Ein schmutzig-grüner Kleinbus schält sich aus dem Nebel und hält vor Imre Juhász' Gartentor. Ein halbes Dutzend verschlafene Gestalten hockt auf den Sitzbänken. Zwei Stunden Fahrt durch den Nebel hat Imre Juhász vor sich. Vor ihm liegt ein harter Arbeitstag.
Imre Juhász ist einer von 2500 Tagelöhnern, die jeden Morgen Túrkeve verlassen - zum Arbeiten. Sie fahren bis nach Budapest oder Westungarn, jeden Tag Hunderte Kilometer. Zwei von drei, die arbeiten können, sind Arbeitsnomaden.
Dort, wo früher die Betriebskantine der LKW-Werkstatt AFIT war, rattern heute Nähmaschinen. In dem gefliesten Flachbau, in dem Neonröhren von der Decke hängen und Schürzen und Hemden auf Kleiderständern, ist der Arbeitsplatz von Ildikó Hagymási. Die hagere Mittvierzigerin beugt sich über weiße Hemden mit dünnen blauen Streifen.
"Also ich bringe jetzt hier Manschetten an die Hemden an. Vorher muss das natürlich ordentlich gefaltet werden."
Alle zwei Wochen ist Auslieferung: Tausende Hemden und T-Shirts müssen dann raus. Die gut drei Dutzend Näherinnen schuften an ihren Maschinen - im Licht der Neon-Röhren. Im Akkord.
Hier, mitten in der Puszta, ist die Kleiderkammer von McDonalds. T-Shirts, Schürzen, Mützen mit dem Firmenemblem kommen aus Túrkeve. Richard Schubert - einem massigen Donauschwaben - gehört die Firma.
"Wir arbeiten für einen Großhändler in München. Von dem bekommen wir die Aufträge. Jetzt sind wir fast die einzige Näherei in Europa, die Schürzen und Hemden für McDonalds liefert - erst nur in Deutschland, jetzt in ganz Europa."
Das beschert dem ehemaligen Restaurantbesitzer jährlich 1,3 Millionen Euro Gewinn. Jetzt hat er in der Gegend drei weitere insolvente Firmen aufgekauft. Er expandiert. Die Näherinnen verdienen nicht mal 400 Euro. Und das auch nur mit Überstunden.
"Es ist monoton, anstrengend. Die Leute denken immer: Acht Stunden rumsitzen, na und? Aber ich glaube, nicht mal Sklaven sitzen soviel herum. Es ist schlecht für die Augen, die Gelenke, das Kreuz. Da wir nach Stück bezahlt werden, machen wir natürlich gerne Überstunden. Ich habe auch schon mal 24 Stunden durchgeschuftet - aber da hatte ich schon Halluzinationen."
Den Druck halten viele nicht durch. Ständig sucht die Firma neue Näherinnen.
16.30 Uhr. Der schmutzig-grüne Minibus voller Tagelöhner kommt zurück. Feierabend. Müde steigt Imre Juhász aus dem Wagen.
"Es war anstrengend. Ich habe über 1000 von diesen Eisen bearbeitet. Mir tut der Rücken weh."
5000 Forint hat er an diesem Tag verdient. Nicht mal 20 Euro. Wenn er die überhaupt bekommt. Mit den Subunternehmer, die ihn anheuern, hat der ungelernte Arbeiter so seine Erfahrungen gemacht. Die meisten sagt er, sind Roma aus dem Ort.
"Wir haben in Debrecen auf dem Bau gearbeitet. Den ersten Monat wurden wir noch bezahlt. Am Ende schuldete uns der Typ aus dem Ort hier zwei Monatslöhne. Betrogen zu werden, ist in unserem Paket immer inbegriffen."
Das Risiko, betrogen zu werden, ist hoch, sagt Imre Juhász. Jeder Tagelöhner kann entsprechende Geschichten erzählen. Trotzdem boomt der graue Arbeitsmarkt. Da die Menschen keine Wahl haben. Mit einer Zukunft als Tagelöhner hat sich Imre Juhász mittlerweile abgefunden. Eines ist für ihn klar: Der EU-Beitritt Ungarns hat ihm nichts genutzt.
"Für uns Malocher war es früher besser. Man hatte sein regelmäßiges Auskommen: Heute ist da ständig diese nervliche Anspannung. Gibt es noch Arbeit für mich? Früher bin ich aufgestanden, zur Arbeit gegangen und ich wusste: Ich kann meine Familie ernähren."