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Auf Deutschlandtour

Anlässlich des 60. Jahrestages der Staatsgründung Israels in diesem Jahr erklärten das deutsche und das israelische Wissenschaftsministerium das Jahr 2008 zum "Deutsch-israelischen Jahr der Wissenschaft und Technologie". In diesem Rahmen gibt es auch einen zweiwöchigen Studentenaustausch. Viel Zeit, um miteinander ins Gespräch zu kommen und auch mal kritischere Themen zu besprechen.

Von Kilian Geiser |
    Günther Beck ist Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Haifa und begleitet die israelische Studentengruppe auf ihrer kurzen Reise durch Deutschland. Beck selbst hat in Augsburg promoviert und möchte den Studenten eine Stadt und eine Region zeigen, die im Gegensatz zu Berlin üblicherweise nicht auf dem Programm solcher Kurzbesuche steht - eine Stadt die sich in der Tradition des Augsburger Religionsfriedens im Jahr 1555 als Friedensstadt versteht. Auch wenn sich die Studenten aus Deutschland und Israel meist über ganz alttägliche Dinge, die Studiensituation in den beiden Ländern und ähnliches unterhalten, kommen sie an Gesprächen über Frieden und über Krieg nicht vorbei, sagt Christina Isensee:

    "Es gab ein besonderes Erlebnis oder vielmehr ein besonderes Gespräch. Das war mit einem Israeli aus unserer Gruppe. Er hat die Geschichte von seinem Großvater erzählt der eben direkt vom Holocaust betroffen war, in einem Konzentrationslager war, dort aber flüchten konnte, mit einer Schar von Kindern über die Alpen geflüchtet ist und in dem Moment dachte ich eben, wenn sein Großvater nicht entkommen wäre, dann würde er mir jetzt nicht gegenübersitzen."

    Die deutschen Studenten wissen in solchen Situationen oft nicht recht, was sie sagen sollen. Wenn es um Geschichte und Politik geht, bemüht man sich vor allem, Missverständnisse zu vermeiden - zumal die meisten Gespräche auf Englisch ablaufen. Diese Vorsicht ist auch Oz Friedmann aus Haifa in Diskussionen mit Deutschen immer wieder aufgefallen.

    "Wenn wir als Israelis oder Juden gesehen werden, dann stelle ich fest, dass die Leute in mancher Beziehung vorsichtiger sind. Sie versuchen zurückhaltender zu sein, wenn man über manche Sachen spricht oder wenn sie Kritik haben. Ich weiß das Deutsche die israelische Politik oft kritisch sehen und wenn sie uns treffen kritisieren sie uns trotzdem nicht. Aber wenn man eine Weile mit Leuten redet, dann verschwindet diese Zurückhaltung und man unterhält sich so, wie sich Menschen aus verschiedenen Ländern eben unterhalten."

    Es gibt wenige kritische Streitpunkte. Studenten aus Deutschland und Israel sehen die meisten Dinge sehr ähnlich sagt Oz Friedmann - mit dem Selbstbild der Deutschen im Zweiten Weltkrieg ist er jedoch nicht einverstanden:

    "Wir hatten ein paar Schwierigkeiten damit, wie sich Deutsche an einige Dinge aus dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Vor allem wenn es um ihr Leiden im Krieg geht, wie die Bombardierung Dresdens oder das Leiden von Soldaten der Wehrmacht oder von Flüchtlingen aus den ehemals deutschen Gebieten. Bei solchen Themen haben wir, denke ich, verschiedene Ansätze."

    Oz Friedmann war schon einige Male in Deutschland. Er sagt, er kenne Leute aus Israel, die nicht gerne nach Deutschland kommen, weil schon allein die Sprache traurige Erinnerungen weckt. Er selbst sagt, er fühlt sich in Deutschland sehr wohl. Auch Claretta Treger ist schon zum dritten Mal in Deutschland. Dieses Mal aber sagt sie ist es anders als früher:
    "Bei meinen früheren Besuchen in Deutschland war ich noch zu jung und mir war nicht richtig klar, wo ich bin und was passiert ist, aber jetzt finde ich die engen Verbindungen unserer Länder viel interessanter. Es ist interessant zu sehen, wie sich die Dinge verändert haben, vor allem durch Berlin zu laufen und Hebräisch zu sprechen. Das ist etwas besonderes, weil das früher nicht ging und jetzt kann man das machen. Dass ist irgendwie aufregend."

    Der Geschichte sind sich deutsche wie israelische Studenten bewusst. Das weckt aber vor allem Interesse am Gegenüber. Eine Barriere stellt sie unter den Austauschstudenten nicht mehr dar. Fragt man Claretta Treger und Oz Friedmann nach einem ganz besonderen Erlebnis auf dieser Deutschlandreise, fällt ihnen spontan nur eines ein: Der Schnee mache ihnen klar, dass sie weit weg von zu Hause sind.