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Auf die Großväter ist Verlass

Neben Irland ist Frankreich der einzige europäische Staat mit einer annähernd konstanten Bevölkerungszahl. Allerdings wird die hohe Geburtenrate auch staatlich gefördert: so gibt es nicht nur ausreichend Krippenplätzen für den Nachwuchs, sondern auch erhebliche steuerliche Vergünstigungen. Über die französische Familienpolitik berichtet unser Korrespondent Christoph Heinemann aus Paris.

28.09.2005
    Dominique de Villepin zieht Bilanz:

    ""Zu den großen Erfolgen unseres Landes gehört die hohe Zahl von Frauen, die arbeiten, trotz der Reibungen zwischen Berufs- und Familienleben", sagte der Premierminister in seiner ersten Regierungserklärung im Juni. "Ich möchte, dass dies so bleibt. Deshalb werden wir bald 15.000 neue Krippenplätze schaffen". "

    Mit einem großzügigen Betreuungsangebot versucht der Staat, die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Berufstätigkeit erleichtern. Ein Ziel der französischen Familienpolitik ist die Geburtenförderung. Und das heißt, dass Familien mit mehreren Kinder stärker unterstützt werden - nicht nur mit höherem Kindergeld: Ab dem dritten Kind können sich Eltern für ein neues Erziehungsjahr entscheiden:

    ""Sie bekommen 750 Euro pro Monate also etwa 50 Prozent mehr, als bei der gegenwärtigen Erziehungszeit, erläutert der Premierminister". "

    Trotz knapper Kassen gibt die Regierung für die neuen familienpolitischen Maßnahmen, zu denen auch eine bessere steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten zählt, 140 Millionen Euro aus. Die Familienverbände sind zufrieden Henri Joyeux, der Vorsitzende von "Famille de France" meint:

    ""Dies wird ungefähr 65.000 Familien in die Lage versetzen, das dritte Kind zu bekommen, das sie sich wünschen. Beinahe jede zweite Familie in Frankreich möchte ein weiteres Kind bekommen und kann sich das aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten". "

    In 15 Prozent der Familien in Frankreich wachsen gegenwärtig drei oder mehr Kinder auf. Kinderreichtum soll auch deshalb gefördert werden, weil Bevölkerungsentwicklung und Ökonomie nicht voneinander zu trennen sind. Trotz der hohen Arbeitslosenquote von rund 10 Prozent, trotz stagnierender oder sinkender verfügbarer Einkommen und unabhängig davon, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger die eigene Zukunft nicht eben optimistisch beurteilen - die Franzosen geben Geld aus. Familie und Kinder haben sich längst zu einer der wichtigsten Stützen des heimischen Konsums entwickelt, unterstreicht Laure Maillard von der Investmentbank Ixix:

    ""Die positive Entwicklung der Geburtenrate ist ein wichtiger Grund für die Dynamik des Verbrauchs. Und das ist nicht schwer zu verstehen: vor allem, wenn das erste Kind kommt, müssen Eltern einiges anschaffen. Unsere Geburtenrate, um die uns ganz Europa beneidet, erklärt eindeutig den steigenden Verbrauch der Haushalte". "

    Yves-Marie Laulan, Gründungsdirektor des Instituts für Geo- und Bevölkerungspolitik in Paris, ist mit der Lage in seinem Land dennoch nicht zufrieden: Mit Sorge beobachten die Demographen, dass vor allem hoch qualifizierte Frauen die erste Schwangerschaft immer weiter hinauszögern.

    ""Es muss möglich sein, dass eine Frau etwa an der Elitehochschule "Ecole Polytechnique" studiert und ein Kind hat. Bis heute ist beides nur schwer miteinander zu vereinbaren. Nach dem Studium - ab dem 30. Lebensjahr - wird es biologisch schwieriger, überhaupt schwanger zu werden. Eine Frau ist mit 20 Jahren darauf eingestellt, Kinder zu bekommen. Und in diesem Augenblick schlägt man ihr die Tür vor der Nase zu. Das ist doch idiotisch". "

    Unterdessen weisen die Familienverbände darauf hin, dass Kinder nicht nur Mütter, sondern auch Väter haben. Weniger als zwei Prozent der Männer machen von der Erziehungszeit Gebrauch, kritisiert Christiane Therry von "Famille de France":

    ""Die Männer machen inzwischen zwar öfter Hausarbeit als das früher der Fall war. Aber das reicht nicht aus. Auch wenn Frauen berufstätig sind, leisten sie den Großteil der Arbeit in der Familie. Der Vater hat immer noch zu wenig mit dem Kind zu tun". "

    Wenigstens auf die Großväter ist Verlass, sagt schmunzelnd Michel Rocard. Am Premierenabend des neuesten Films über den früheren Staatspräsidenten Francois Mitterand habe er nicht teilnehmen können, gesteht der ehemalige Regierungschef von der Sozialistischen Partei.

    ""Meine Frau und ich, wir haben viele Enkelkinder. An diesem Abend musste ich kurzfristig als Babysitter einspringen". "