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Auf Dinge konzentrieren, die man gerne macht

Perfektionismus führt nicht weiter, behauptet zumindest Klaus Werle, Redakteur beim Manager Magazin und Buchautor. Denn: Wenn alle das Gleiche optimieren, rage auch niemand mehr heraus.

Klaus Werle im Gespräch mit Kate Maleike |
    Kate Maleike: Die berühmten guten Vorsätze fürs neue Jahr, die haben in diesen Tagen ja wieder Hochkonjunktur. Viele von uns nehmen sich wieder mal was vor, was sie gern verändern wollen, obwohl man natürlich weiß, dass die Umsetzung schwer werden wird oder dass es vielleicht auch wieder mal nichts wird mit dem mehr Sport machen oder dem weniger Rauchen, dem pünktlicher sein oder dem sich mehr Zeit nehmen für Familie und Freunde. Kleine Ziele, raten Psychologen, sollte man sich deshalb setzen, um den Schweinehund auch wirklich zu überlisten und Dinge zu verbessern, eben auch Erfolge zu haben. Aber Achtung: Zu viel Optimierungsdrang kann schaden, sagt zumindest Klaus Werle. Er ist Redakteur beim Manager Magazin, zudem schreibt er Bücher. Und sein neuestes trägt den Titel "Die Perfektionierer: Warum der Optimierungswahn uns schadet und wer wirklich davon profitiert". Vor der Sendung habe ich ihn gefragt, ob er entsprechend selbst keine guten Vorsätze hat oder den Drang, etwas zu optimieren?

    Klaus Werle: Doch, selbstverständlich. Also, natürlich habe ich diese Vorsätze. Ich glaube, es ist auch nichts gegen Vorsätze im Kleinen zu sagen. Sie haben ein paar Dinge angesprochen, mehr Zeit mit der Familie, mehr Sport, weniger rauchen und so weiter. Und das Buch ist natürlich auch ein Stück weit so eine Art Selbsttherapie gewesen, denn ich bin durchaus auch, wie viele oder wie die meisten, natürlich nicht gefeit gegen die Versuchung der Optimierung.

    Maleike: Aber trotzdem halten Sie der Gesellschaft mit Ihrem Buch ganz schön den Spiegel vor. Warum?

    Werle: Also es gibt eigentlich zwei Gründe. Ich möchte einerseits darauf hinweisen, wie es im Untertitel schon heißt, wer davon profitiert. Also ich möchte zeigen, es gibt eine Menge Industrien, Branchen, die von diesem Optimierungsdrang und -zwang leben und damit gutes Geld verdienen. Was im Prinzip nicht schlecht ist, da kann ich ja als Wirtschaftsredakteur schlecht was dagegen haben. Aber der gravierendere Punkt ist, dass ich glaube, dass die Optimierung, so wie sie von vielen betrieben wird, nicht das gewünschte Ergebnis bringt. Also, es ist meiner Meinung nach überhaupt nichts daran falsch, besser werden zu wollen in bestimmten Dingen, die einem Spaß machen. Aber wenn man versucht, in möglichst vielen Bereichen besser zu sein und sich dabei auch an dem orientiert, was von außen an einen herangetragen wird an Anforderungen und an Idealen, dann führt das meiner Meinung nach dazu, dass die Optimierung nach hinten losgeht. Und dass man nicht das erreicht, was eigentlich ja Ziel des Optimierens ist, nämlich besser zu sein und was Besonderes zu sein und herauszuragen aus der Masse.

    Maleike: Nennen Sie doch mal ein Beispiel.

    Werle: Also ich glaube, dass der Optimierungswahn am stärksten tobt in der Gruppe der Studenten beziehungsweise der Berufseinsteiger, denn die haben natürlich alle Möglichkeiten, sie haben sehr gute Voraussetzungen gehabt, und jetzt stehen ihnen alle Wege offen, jetzt haben sie Angst, dass sie sich Optionen verschließen, dass sie vielleicht nicht das Optimale machen aus ihren Talenten und aus ihrem Können. Und die Folge ist, dass sie viele Praktika machen, renommierte Praktika, möglichst schnell studieren, möglichst gute Noten haben. Das ist auch alles gut und schön, nur das machen natürlich alle. Und wenn es alle machen, dann ist sozusagen der Witz des Optimierens weg, denn wenn alle fünf Stufen höher sind, sind zwar alle fünf Stufen höher, aber alle wieder auf der gleichen Stufe, da, wo sie angefangen haben. Das heißt, der eigentliche Sinn geht dadurch verloren. Und ich glaube, dass man sehr viel Energie und sehr viel Zeit investiert in etwas, was einen nicht weiterbringt. Weiterbringen würde einen eher, dass man sich auf die Dinge konzentriert, die man gern macht und woran man Spaß hat und die ausbaut, anstatt zu schauen, was will der Arbeitsmarkt gerade, was sagen die Firmen, was sagen Karriereratgeber, was sagen Bewerbungshandbücher, was gerade verlangt wird und gefordert wird?

    Maleike: Optimiert nicht so, seid anders, seid mehr das, was ihr selbst sein wollt. Das muss man sich aber auch leisten können.

    Werle: Ja, das muss man sich leisten können, aber der schwierigere Punkt ist natürlich, man muss es erst mal wissen. Also zu wissen, was man wirklich will und was man gut kann, das klingt so banal, aber es ist in der Tat eine sehr schwierige Aufgabe. Und die meisten Menschen, glaube ich, haben sich darüber noch nie wirklich Gedanken gemacht, deswegen greifen sie eben zur Perfektionierung, denn die Perfektionierung ist ja im Grunde eine Strategie zur Vermeidung von Risiken. Also wenn ich alles richtig mache, kann ich nichts falsch machen. Und das ist ja sozusagen das, was dahintersteht. Und das geht ja auch weit über den Job hinaus, das reicht ja auch in den Alltag, wo man das perfekte Diner kocht. Es geht hin zu Urlaubsreisen, wo man ja nicht mehr nach, weiß ich nicht, an die Nordsee oder nach Mallorca fahren kann, sondern wo es möglichst exotische Ziele sein müssen. Das geht zur Kindererziehung, zur Frühförderung. Also das heißt, in allen Bereichen möchte man möglichst gut sein, möglichst besser als andere. Und dort verzettelt man sich dann einfach, weil man sich nicht auf das konzentriert, was einem am meisten liegt.

    Maleike: Was sind denn Ihre Tipps für den gesunden Umgang mit Optimierung? Sie haben gesagt, gute Vorsätze wie zum Beispiel weniger rauchen, mehr Sport machen, das wäre für Sie in Ordnung. Aber wann wird es eher schadhaft, wie Sie sagen?

    Werle: Also, ich glaube, der wichtigste Tipp ist, sich das erst mal bewusst zu machen. Und der nächste ganz große Tipp ist natürlich, sich klar zu machen, wo lohnt es sich für mich, zu optimieren. Und vor allen Dingen, wo habe ich Freude dran, wo habe ich Spaß dran. Und sich dann auf diese Dinge zu konzentrieren und bei anderen Dingen eben zu sagen, ja, Mensch, ich bin halt eben nicht der Supersportler oder Superkoch oder mein Kind muss nicht unbedingt mit drei Jahren schon Chinesisch können. Dass man sozusagen bestimmte Dinge einfach laufen lässt und da etwas mehr Gelassenheit an den Tag legt, weil das gibt einem die Kraft und die Zeit und auch die Energie, um in anderen Feldern, wo es sich für einen selbst dann mehr lohnt, sozusagen richtig durchzustarten.

    Maleike: Eine Frage muss ich Ihnen jetzt noch stellen: Was optimieren Sie in 2011 für sich?

    Werle: Ja, ich werde meinen Umgang mit unserer Tochter optimieren. Ich habe jetzt Elternzeit und habe natürlich in den letzten Jahren relativ wenig Zeit mit ihr verbracht. Und ich freue mich drauf, viel Zeit mit ihr zu verbringen und zu schauen, wie sie sich so macht und die Welt entdeckt und ihren Papa etwas besser kennenlernt.

    Maleike: Dann wünschen wir Ihnen dafür viel Erfolg, viel Zeit, viel Spaß und vielen Dank für das Gespräch!

    Werle: Vielen Dank. Gerne!

    Maleike: Klaus Werle war das, Buchautor und Redakteur beim Manager Magazin, "Die Perfektionierer" sind übrigens im Campus Verlag erschienen, haben 256 Seiten und kosten 19,90 Euro.