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Auf eigenen Pfaden

Seit 100 Jahren ist Norwegen selbstständig. Die Wirtschaft ist stabil, neben dem Fischerei- und dem Schifffahrtssektor sind es die Öl- und Gasvorkommen vor der Küste, die Norwegen binnen eines Jahrhunderts von einem ärmlich-agrarischen Land zu einer der reichsten Gesellschaften weltweit transformiert haben. Allein außenpolitisch ist das Land noch immer auf der Suche nach seiner Identität.

Von Marc-Christoph Wagner |
    Ein Einkaufszentrum im schwedischen Nordby nur wenige hundert Meter von der schwedisch-norwegischen Grenzen entfernt. Auf dem Parkplatz stehen fast ausschließlich Wagen mit norwegischen Kennzeichen. Im Supermarkt schieben Kunden aller Altersgruppen große randvoll beladene Einkaufswagen vor sich her.

    "Ich kaufe für uns beide ein – gewöhnliche Dinge für den Haushalt: Hühnchenfilets, Speck, gepökeltes Fleisch, ein bisschen Käse, Karbonaden. Es ist günstiger. Wir machen hier einen Großeinkauf, füllen unsere Tiefkühltruhe auf, und dann muss ich nicht jeden Tag daran denken, etwas einzukaufen. Ach ja, natürlich fahren wir auch noch in das Systembolaget, den Spirituosenladen, um Wein zu kaufen. Und Cognac! "

    100 Jahre ist es her, dass Norwegen seine Selbstständigkeit erklärte. Lediglich 0,06 Prozent der Bürger stimmten im Jahr 1905 in einem Referendum für den Verbleib des Landes in der Union mit Schweden. Heute sprächen sich, einer Umfrage aus der vergangenen Woche zufolge, immerhin zehn Prozent der Norweger für einen solchen Zusammenschluss aus – wohl auch ein Zeichen für die gutnachbarschaftlichen Beziehungen:

    "Aber sicher, bestimmt, wir Norweger lieben es, die Schweden aufzuziehen. Und umgekehrt natürlich. Wir konkurrieren, wo immer es geht, und für uns gibt es nichts Besseres, als über die Schweden zu gewinnen. Aber natürlich ist das kein voller Ernst. "

    Wenige hundert Meter vom Einkaufszentrum entfernt werden die letzten Arbeiten auf der neuen Brücke über den Svinesund erledigt. Seit langem ist die alte, in den vierziger Jahren gebaute zweispurige Brücke völlig überlastet. Regelmäßig staut sich der Verkehr kilometerlang in das Landesinnere hinein. Etwa ein Drittel aller norwegischen Ausfuhren wird über die Europastraße E6 transportiert.

    Der mit Abstand größte Handelspartner der Norweger ist der schwedische Nachbar. Im Zuge der Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitsjubiläum wird die neue vierspurige Brücke am Freitag gemeinsam vom norwegischen und schwedischen Königspaar eröffnet. 100 Jahre nach der Trennung werden erneut Brücken zwischen den beiden Ländern gebaut, unterstreicht der Vorsitzende der ostnorwegischen Grenzregion Østfold, Arne Øren:

    "Das ist sehr symbolisch und es zeigt, dass sowohl der Handel wie die Zusammenarbeit im allgemeinen zwischen Norwegen und Schweden nach der Auflösung der Union sehr viel intensiver geworden sind als zuvor. Für uns Norweger war die Aufkündigung der Union ein wichtiges Element bei der Herausbildung unserer nationalen Identität – eine eigene Außenpolitik wie überhaupt die Souveränität zu erhalten war wichtig. Aber heute sehen wir, dass die grenzüberschreitende Kooperation und die enge Nachbarschaft mit Schweden wichtiger sind denn je, und auch in Zukunft noch weiterentwickelt und vertieft werden können. "

    Aker Brygge am Osloer Hafen. Auf dem Kai direkt bei den Fähren swingen Tanzpaare zu lauter Musik. Einige Passanten bleiben stehen und schauen einen Moment lang zu. Andere sitzen in der Sonne und blicken hinaus aufs blaue Wasser:

    " (Junger Mann) Warum wir hier tanzen? Ja, warum nicht? Es ist Sommer. Die Luft hier ist sehr viel besser als in irgendeiner Halle. Und natürlich können wir hier auch ein wenig zeigen, was wir können. "

    Aker Brygge symbolisiert den Wandel der norwegischen Gesellschaft wie kaum ein anderer Ort. Das alte Werftgelände ist heute ein modernes Finanz-, Geschäfts- und Einkaufszentrum. In den Bars und Restaurants am Wasser sitzen gut gekleidete Leute bei Fisch und Wein – Optimismus und Lebensfreude sind nicht zu übersehen.

    "Ich bin sehr viel gereist und habe Norwegen oft von außen betrachtet. Es geht uns hier verdammt gut, obwohl mancher das nicht begreifen möchte. Die Probleme, die wir haben, sind Luxusprobleme, gerade wenn man es mit dem Rest der Welt vergleicht. Natürlich gibt es auch bei uns politische Diskussionen – der Wahlkampf steht ja kurz bevor; da ist die EU-Debatte, sollen wir beitreten oder nicht; es gibt die ein oder andere Affäre – na, ja, solche Dinge eben."

    "Das Besondere der norwegischen Wirtschaft ist, dass wir Rohstoffe exportieren – wir sind eine Ölnation, keine Industrienation wie etwa Deutschland oder Schweden es sind. Deswegen ist dieser Aspekt, dass Unternehmen ins Ausland abwandern und norwegische Arbeitsplätze auf diese Weise verloren gehen, bei uns eher marginal. In dem Moment jedoch, in dem die Arbeitslosigkeit steigt, könnte die Globalisierungsdebatte natürlich auch bei uns aufflammen. Im Augenblick aber schwimmen wir auf unserem Öl! "

    Wie Magnus Takvam, politischer Kommentator des norwegischen Fernsehens, betrachten viele das schwarze Gold als den eigentlichen Grund für das norwegische Erfolgsmodell. Neben dem Fischerei- und dem Schifffahrtssektor seien es die Öl- und Gasvorkommen vor der Küste, die Norwegen binnen eines Jahrhunderts von einem ärmlich-agrarischen Land zu einer der reichsten Gesellschaften weltweit transformiert hätten.

    Doch nicht jeder teilt diese Sicht der Dinge – Harald Magnus Andreassen etwa, Chefökonom bei der norwegischen Investmentgesellschaft First Securities:

    "Die norwegische Wirtschaft ist in einer sehr guten Verfassung. Viele Leute meinen, der alleinige Grund hierfür seien die Öleinkünfte, aber ich denke nicht, dass dies die Sache in ihrem Kern trifft. Norwegen hat bislang ja kaum etwas von dem Geld verbraucht, was es durch das Ölgeschäft eingenommen hat. Wir haben es in einen Fonds gesteckt, der das Geld wiederum international angelegt hat. Und betrachten wir uns die öffentlichen Finanzen, so haben wir zwar ein Defizit – ein Defizit jedoch, welches sehr viel kleiner ist als in den meisten anderen europäischen Staaten. Und der Grund, warum es uns wirtschaftlich so gut geht, ist meines Erachtens der, dass norwegische Unternehmen wie auch die öffentlichen Behörden sehr effektiv arbeiten und eine hohe Produktivität aufweisen. Das ist die eigentliche Grundlage unseres Wohlstandes. "

    Bescheiden gibt sich auch Knut Kjær von Norges Bank. Er ist der Chefverwalter des sog. Petroleumsfonds:

    "Der Petroleumsfonds ist nur eine andere Art, unsere Ressourcen aufzubewahren. Derzeit befindet sich unser Reichtum im Meer – in Form von Öl und Gas. Durch den Petroleumsfonds überführen wir diesen Reichtum nur in eine andere Form – von Öl und Gas hinüber in ausländische Aktien und Obligationen. Der Wert ist der gleiche, wir werden nicht reicher. Aber die Zahlen werden höher, das Geld wird sichtbarer. Es sieht aus, als ob wir reicher würden, aber in Wirklichkeit werden wir es nicht. "

    1090,1 Milliarden norwegische Kronen betrug der Wert des Petroleumsfonds am Ende des ersten Quartals 2005 – umgerechnet etwa 138 Milliarden Euro. Allein in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres kamen 9,33 Milliarden Euro hinzu. Welche Summen genau aus dem staatlichen Öl- und Gasgeschäft in den Fonds überführt würden, das, sagt Knut Kjær, ist eine politische Entscheidung:

    "Das Staatsbudget muss jedes Jahr ausgeglichen sein. Und die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft werden dazu verwendet, diesen ausgeglichenen Haushalt herzustellen. Alles Geld darüber hinaus wird in den Petroleumsfonds gesteckt. Allerdings gibt es hier auch eine gewisse Einschränkung: Es heißt, der Staat darf jährlich nicht mehr Geld verwenden, als die Summe, die der Fonds real erwirtschaftet – und das sind vier Prozent seines Gesamtwertes. Im Moment jedoch verwendet Norwegen einen deutlich höheren Betrag als vorgesehen, um den Staatshaushalt auszugleichen. "

    Und obwohl auch dies eher nach Luxusproblemen klingt, gerade aus deutscher Perspektive, mit immer neuen milliardenschweren Löchern im Bundeshaushalt, mahnen norwegische Ökonomen wie Harald Magnus Andreassen bereits zur Besinnung:

    "Das große Risiko auf längere Sicht ist, dass die Versuchung der Politiker wächst, sich aus dem Petroleumsfonds zu bedienen. Dieser entspricht im Moment etwa dem Wert des norwegischen Bruttonationalproduktes. Und schauen Sie: Man ist ja nicht reich, nur weil man ein Jahresgehalt auf der Bank hat – reich ist man erst, wenn man mehrere Jahresgehälter auf dem Konto hat! Die vielen Milliarden aber können viele Menschen dazu verleiten zu glauben, dass wir reich sind, und dass sich Probleme einfach durch den Griff in den Geldtopf lösen lassen, obwohl das ein wirtschaftliches Ungleichgewicht in Norwegen schaffen würde. Noch dazu würden wir das Geld so auch schneller verbrauchen als vorgesehen. Schließlich haben wir beschlossen, es unseren Kindern zu hinterlassen. Und daran sollten wir auch festhalten. "

    Diese Einschätzung aber wird nicht von allen Experten geteilt. Espen Barth Eide etwa, Leiter der internationalen Abteilung im Norwegischen Außenpolitischen Institut, hält einen solchen Sparkurs für gefährlich. Anstatt kommenden Generationen einen riesigen Kapitalfonds zu vererben, sollte man das Geld lieber heute investieren, und die norwegische Wirtschaft für die Herausforderungen der Globalisierung rechtzeitig rüsten.

    "Man kann diskutieren, ob es uns wirtschaftlich so gut geht. Sicherlich ist die Arbeitslosigkeit niedrig, die Krone ist stabil, wir haben nicht vor so einschneidenden Entscheidungen gestanden, wie dies zum Beispiel in Deutschland in den vergangenen Jahren der Fall war – mit den Einschnitten in den Sozialsystemen. Wir haben sogar im Gegenteil neue soziale Leistungen einführen können. Auf kurze Sicht betrachtet sieht alles also recht günstig aus. Das Problem aber ist, dass wir uns vom Öl- und Gassektor dermaßen abhängig machen. Und von dem wissen wir ja, dass er endlich und irgendwann nicht mehr vorhanden ist. In einigen Jahrzehnten wachen wir dann vielleicht auf und stellen fest, dass Länder wie Finnland, Schweden, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Irland sich rechtzeitig umgestellt und den neuen Herausforderungen angepasst haben, während wir uns ganz und gar auf einen zeitlich limitierten Sektor konzentriert haben. Und dann werden wir uns ärgern, dass wir nicht einen Teil unserer Reserven genutzt haben, um in neue Technologien und Wirtschaftszweige zu investieren. "

    Etwa zwanzig Minuten dauert die Fahrt zwischen Oslo und Nesodden auf der anderen Seite der Bucht. In den Morgen- und Abendstunden ist die Fähre stets voll besetzt. Vor allem Familien mit Kindern wohnen auf der Landzunge im Grünen.

    "Das Land als solches hat keine wirtschaftlichen Probleme, das ist sicher richtig. Und dennoch: Nehmen Sie die Krankenhäuser mit den langen Wartezeiten, da führen wir uns auf wie ein armes Land – ja, manche Leute sterben sogar, während sie auf eine Behandlung warten. Als Staat legen wir das Geld auf das Bankbuch, im Alltag aber gibt es viele soziale Probleme: die Schulen sind in einem schlechten Zustand, viele öffentliche Gebäude müssten renoviert werden, und viele Kommunen haben einfach nicht das Geld, um alle ihre öffentlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Nein, aus der Alltagsperspektive betrachtet, erscheint mir Norwegen nicht wie ein reiches Land. "

    Schon einmal brachten Betrachtungen wie diese eine Regierung zu Fall. Bei den letzten Wahlen im September 2001 erzielten die norwegischen Sozialdemokraten das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Viele Wähler wollten die Kluft zwischen dem hohen Steuerniveau und den staatlichen Rücklagen einerseits, und den vielen Mängeln beim öffentlichen Service andererseits nicht akzeptieren.

    In gut drei Monaten wird ein neues Parlament gewählt. Allen Umfragen zufolge steht nun die konservative Regierung von Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik vor dem Fall – trotz florierender Wirtschaft. Magnus Takvam vom norwegischen Fernsehen erklärt es so:

    "Viele Norweger betrachten die gute ökonomische Situation als eine Selbstverständlichkeit, nicht als das Resultat politischer Entscheidungen. Es wird der amtierenden Regierung nicht als besondere Leistung angerechnet. "

    Erstmals in ihrer Geschichte gehen die norwegischen Sozialdemokraten mit einer klaren Koalitionsaussage in den Wahlkampf. Zusammen mit den Grünen und der agrarisch geprägten Zentrumspartei wollen sie die Regierung bilden – mit einem deutlich linkeren Profil als noch vor vier Jahren. Der Generalsekretär der Arbejderpartiet, Martin Kolberg:

    "Die Norweger sind Befürworter einer starken Gemeinschaft und des starken Staates. Die amtierende Regierung von Ministerpräsident Bondevik hat zur Spaltung des Landes beigetragen – etwa durch Steuererleichterungen für die Reichen und eine Schwächung des Gemeinschaftsgedankens. Das wichtigste Beispiel hierfür ist die Privatisierung der Schulen, die man zwar sehr vorsichtig, aber eben dennoch begonnen hat. Das hat es in Norwegen bislang nicht gegeben, und wir von der Arbeiterpartei können eine solche Politik absolut nicht akzeptieren. "

    Ein Thema, welches im anstehenden Wahlkampf mit Sicherheit kaum eine Rolle spielen wird, ist die norwegische Europapolitik. Zwei Mal – 1972 und 1994 – haben die Bürger die Frage nach einer EU-Mitgliedschaft des Landes mit "Nein" beantwortet. Nach der Ablehnung der Verfassung in Frankreich und den Niederlanden ist auch die Zustimmungsquote für einen EU-Beitritt unter den Norwegern drastisch gefallen. Und so sieht Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik derzeit keinen Anlass, das Thema EU zu forcieren:

    "Natürlich ist die EU ein wichtiges Thema, und wir Politiker müssen die Diskussion führen und vorantreiben, aber jetzt ist der absolut falsche Zeitpunkt. Die jüngsten Umfragen nach den beiden Referenden in Frankreich und den Niederlanden zeigen nun auch in Norwegen ein Nein. Die Debatte jetzt zu führen wäre unverantwortlich, auch weil wir nicht wissen, in welche Richtung sich die EU entwickeln wird. "

    Doch auch ohne die Referenden in Frankreich und den Niederlanden hätte Europa kaum eine Rolle im norwegischen Wahlkampf gespielt. Sowohl das Regierungs- als auch das Oppositionslager sind in Sachen Europapolitik in sich gespalten. Den pro-europäischen Konservativen und Sozialdemokraten stehen jeweils die europaskeptischen Christdemokraten bzw. die Zentrumspartei und Grünen gegenüber. Deren Vorsitzende Kristin Halvorsen begründet ihren EU-Widerstand so:

    "Erstens glaube ich nicht an eine Union, die eine so geringe Akzeptanz bei den Bürgern hat, ja ich halte sie sogar für gefährlich. Zweitens glaube ich nicht an eine Wirtschafspolitik, die so unterschiedliche Volkswirtschaften wie die europäischen mit derart strikten Auflagen überzieht – das engt den Handlungsspielraum ein, um eine aktive Wirtschaftspolitik führen zu können, die Arbeitsplätze und somit unseren Wohlstand sichert. Und drittens glaube ich, dass ein kleines Land wie Norwegen größere Möglichkeiten außerhalb der EU hat – zum Beispiel bei der Schlichtung von Konflikten. Dass wir uns auf diesem Gebiet so engagieren können, hat ja unter anderem damit zu tun, dass man uns nicht als ein Vertreter von Großmachtinteressen ansieht und weiß, dass wir nicht alle Informationen mit 25 Partnern teilen müssen. "

    Vor allem von den seriösen Medien des Landes wurde in den letzten Tagen heftig kritisiert, dass die Debatte über einen Beitritt Norwegens zur EU voraussichtlich auch in der kommenden Legislaturperiode aufgrund dieser politischen Konstellation auf Eis gelegt sein wird. Die Beitrittsdebatte zu verschieben, so hieß es, diene nicht den Interessen des Landes. Die EU sei – wie die norwegische Demokratie – ein ewiger Prozess. Anstatt vollendete Tatsachen zu akzeptieren, sollte sich Norwegen an der Ausformung und Vertiefung der Union beteiligen. Eine Auffassung, die auch Außenminister Jan Petersen grundsätzlich teilt:

    "Über das EWR-Abkommen sind wir ökonomisch voll in die EU integriert, und dieses Abkommen hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung in unserem Land. Sehen Sie, in Norwegen gelten – mit Blick auf den freien Markt – die gleichen Gesetze wie innerhalb der EU, aber wir Norweger setzen diese Regeln lediglich um und sind nicht an deren Zustandekommen beteiligt. Und ich finde, daran sollte sich etwas ändern. "

    Auch Espen Barth Eide, Leiter der internationalen Abteilung im Norwegischen Außenpolitischen Institut, hält einen weiteren Aufschub der EU-Beitrittsdebatte für kurzsichtig:

    "Unser Beitrag zu einer Europäischen Einsatztruppe ist, ebenso wie unsere Mitgliedschaft im EWR- und im Schengener Abkommen, ein Weg, sich an der EU zu beteiligen, ohne Mitglied zu sein – darin sind wir Norweger ja Meister. Aber es gibt hier auch einen grundsätzlichen Aspekt: Der Gedanke, der hinter der Einsatztruppe steht, liegt dem norwegischen Friedensengagement etwa im Rahmen der UNO sehr nahe, während uns die Krisenpolitik der USA, mit der wir aufgrund unserer NATO-Mitgliedschaft ja direkt verbunden sind, eher fremd ist. Und das ist ziemlich paradox! "

    Ob in der kommenden oder erst übernächsten Legislaturperiode – 100 Jahre nach der Unabhängigkeit muss sich Norwegen erneut für oder gegen eine Union entscheiden. Ökonomisch steht das Land mittlerweile auf eigenen Füßen. Die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates ist aufgrund der Öl- und Gasvorkommen zumindest mittelfristig gesichert.

    Außenpolitisch aber ist das Land noch immer auf der Suche nach seiner Identität – manch politischer Beobachter sieht Norwegen schon heute in einer Klemme zwischen Europa und den USA. In Sachen EU-Diskussion jedenfalls scheint mancher Bürger weiter zu sein als sein Repräsentant in Parlament und Regierung.
    Der norwegische Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik (links) und sein schwedischer Kollege Göran Persson feiern den norwegischen Nationalfeiertag am 17.5.2005 in Eidsvoll in der Nähe von Oslo
    Der norwegische Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik (links) und sein schwedischer Kollege Göran Persson feiern den norwegischen Nationalfeiertag am 17.5.2005 in Eidsvoll in der Nähe von Oslo (AP)
    Ein Fjord in Norwegen
    Ein Fjord in Norwegen (AP)