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Auf eigenen Wegen zum gemeinsamen Ziel

"Jetzt muss sich entsprechend verhalten, wer Verantwortung trägt und Rechenschaft schuldet. Wir brauchen Achtsamkeit für das Gemeinwohl. Wir brauchen Anstand, Bescheidenheit und Maß. Glaubwürdigkeit bringt das Vertrauen zurück. Es ist das Band, das unsere Gesellschaft zusammenhält."

Von Dietmar Reiche |
    Selten hat ein Bundespräsident den Vertretern der Wirtschaft so beharrlich ins Gewissen geredet wie Horst Köhler. Der Ökonom und ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds warnte schon früh vor den Exzessen an den Finanzmärkten, wohl wissend, dass nach der Finanzkrise eine Wirtschaftskrise folgt.

    "Sorgen macht uns allen die weltweite Finanzkrise mit ihren Folgen. Unvorstellbar viel Geld ist verspielt worden. Viele haben Angst um ihre Ersparnisse und viele fürchten um ihren Arbeitsplatz. Es ist richtig, dass der Staat entschlossen handelt, um die Betriebe zu schützen und um Arbeit und Einkommen der Menschen zu sichern."

    In seiner Rede zu Weihnachten sprach Bundespräsident Köhler den Bürgern Mut zu. Weil der Finanzmarkt versagt hat, der Staat seinen Aufsichtspflichten nicht nachgekommen ist, muss nun der Steuerzahler die Zeche zahlen. Die Regierung rettete im vergangenen Jahr die Banken vor dem Kollaps, bürgt mit 500 Milliarden Euro. Das ist fast doppelt so viel wie der Bundeshaushalt 2008.

    "Ich habe das Problem, dass ich da draußen in den Veranstaltungen einer überwiegenden Anzahl von Bürgern und Bürgerinnen erklären soll, was wir da machen. Ich habe zunehmend ein Legitimationsproblem."

    Sagt Finanzminister Peer Steinbrück im Herbst des vergangenen Jahres. Zuvor hatten die Arbeitnehmer jahrelang - wie von Betrieben und Politik gefordert - auf Lohnzuwächse verzichtet, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern und den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Nun kommt die Rezession und wieder sind die Jobs in Gefahr. Dieses Mal erwarten die Menschen Hilfe.

    Und die soll vom Staat kommen. Deshalb spannte die Bundesregierung nach dem so genannten Schutzschirm für Banken einen Schutzschirm für Arbeitsplätze auf. Große Firmen sollten freiwillig auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten, forderte die Kanzlerin im Dezember bei einem Treffen mit Vertretern der Dax-Unternehmen. Um Kündigungen als Folge von Auftragseinbrüchen in den Unternehmen zu vermeiden, verlängerte die Regierung die Zahlung von Kurzarbeitergeld von sechs auf 18 Monate.

    Doch die in einem ersten Konjunkturpaket verabschiedeten Maßnahmen reichten nicht aus. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage nannte das Paket in seinem Gutachten ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen. Deshalb will die Bundesregierung mit einem zweiten Konjunkturpaket den Abschwung bremsen. Mit welchen konkreten Maßnahmen die Wirtschaftskrise gemildert werden soll, darüber wird heute und in den nächsten Tagen in der Großen Koalition heftig diskutiert werden.

    Heute Abend trifft sich die Kanzlerin mit dem Vorsitzenden der CSU, Horst Seehofer, bevor morgen Nachmittag SPD und Union im Koalitionsausschuss beraten. Am Donnerstag sollen die Bundesländer ihre Pläne bei einem Treffen mit Kanzleramtsminister Thomas de Maizière auf den Tisch legen. Und am darauf folgenden Montag soll das zweite Konjunkturpaket beschlossen werden.

    Um viele Maßnahmen wird noch gerungen, doch einige stehen schon fest: Ein wichtiges Instrument sind Investitionen in die Infrastruktur. Schulen, Universitäten und Krankenhäuser sollen saniert und Straßen ausgebaut werden.

    Das Spiel mit den großen Zahlen hat begonnen. Allein Bildungsministerin Annette Schavan will 15 Milliarden Euro in die Schulen und Universitäten investieren – auch für die seit Jahren notwendigen Sanierungen und Modernisierungen. Allerdings: Die Kapazitäten der Bauwirtschaft und des Handwerks sind begrenzt. Michael Hüter, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.

    "Nur sollte man auch bei den Volumina realistisch sein. Mehr als vier Milliarden Euro werden es kaum sein, ohne dass es zu Geldverschwendung oder zu Preiseffekten in der Bauwirtschaft führt."

    Doch es geht nicht nur um neue Bauaufträge: Nach den Vorstellungen des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, soll die Staatsbank KfW einen Hilfsfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro auflegen, meldet der Spiegel. Damit könnten finanzschwache Unternehmen aus der Kreditklemme befreit werden.

    SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier unterstützt die Pläne der Autoindustrie. Er fordert eine staatliche Abwrackprämie in Höhe von 3.000 Euro für alte Fahrzeuge, um den Absatz anzukurbeln.

    Die Partei "Die Linke" will den gesetzlichen Mindestlohn einführen und den Regelsatz für Hartz-IV-Bezieher erhöhen. Damit soll der Konsum belebt werden.

    Die vier wichtigsten Wirtschaftsverbände fordern mehr Geld in Bildung und Infrastruktur, sowie deutlich niedrigere Steuern und Abgaben - auch für die Rentenversicherung.

    An Ideen, wie die Konjunkturkrise bekämpft werden soll, mangelt es also nicht, eher am Geld. Denn für die Konjunkturmaßnahmen muss sich der Staat zusätzlich verschulden. Experten schätzen, dass die Neuverschuldungen des Bundes auf über 30 Milliarden Euro anwachsen dürften. Daher gilt es, Begehrlichkeiten genau zu überprüfen:

    "Die Bundesregierung handelt umfassend und entschlossen. Aber ich entscheide nicht danach, wer gerade am lautesten ruft. Denn es ist Ihr Geld, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, das Geld der Steuerzahler, für das wir in der Politik Verantwortung tragen. Deshalb ist unser Maßstab für alle weiteren Entscheidungen so einfach wie eindeutig: Wir machen das, was Arbeitsplätze sichert und schafft, egal ob in kleinen oder in mittleren oder in großen Unternehmen. Arbeit für die Menschen - das ist der Maßstab unseres Handelns."

    Und der gelte sogar parteiübergreifend. Sagte Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Neujahrsansprache. Allerdings: Fünf Landtagswahlen, acht Kommunalwahlen, die Wahl des Bundespräsidenten, des Europaparlaments und schließlich die Bundestagswahl im Herbst setzen die Politiker unter Druck, sich auch erkennbar parteipolitisch zu profilieren. Der Wahlkampf hat längst begonnen, trotz oder gerade wegen der Wirtschaftskrise:

    "Letztendlich geht es den Parteien gerade in dem sogenannten Superwahljahr 2009 darum, dass sie einem breiten Bedürfnis in der Bevölkerung entgegenkommen. Neuere Umfragen machen deutlich, dass ein großer Teil der Beschäftigten insbesondere in den unteren und mittleren Lohn- und Einkommensgruppen Angst um ihre Arbeitsplätze hat. Und dann kommen solche Äußerungen in einen anderen Zusammenhang. Da gilt es wirklich etwas zu bieten, was wir früher als Soziale Sicherheit, Schutz vor Abstieg bezeichnet haben und was nun in eine konjunkturpolitische Debatte hineingebracht wird, wo es gar nichts zu tun hat. Das ist eine gesellschaftspolitische Debatte."

    Sagt Gero Neugebauer, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Der Wähler in der politischen Mitte rückt also wieder in den Fokus. Der Wähler mit kleinem oder mittlerem Einkommen soll wirtschaftlich entlastet werden – und zwar so stark, dass er merkt, dass die Politik auch ihn nicht vergisst – und außerdem genug, damit er mehr kaufen kann und damit den Konsum wieder ankurbelt.

    Dazu wurden bereits im letzten Jahr mehrere Möglichkeiten diskutiert. Konsumschecks hatte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ausgeschlossen und eine Senkung der Mehrwertsteuer, wie in Großbritannien, lehnte die Kanzlerin ab. Sie würde den Staatshaushalt zu stark belasten, aber die Konjunktur kaum beleben. Zustimmung von Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung:

    ""Als Konjunkturinstrument taugt sie wenig. Das sehen wir auch schon mit ersten Erfahrungen in Großbritannien. Denn was passiert? Wenn man die Mehrwertsteuer senkt, dann muss der Einzelhandel weniger Steuern abführen. Ob er das aber in sinkenden Preisen weitergibt, dass ist eine offene Frage. Und wenn wir uns die gegenwärtigen Rabattaktionen anschauen, da fallen die ein, zwei Prozentpunkte Mehrwertsteuer gar nicht auf. Es ist hier zu befürchten, dass es zu sehr hohen Mitnahmeeffekten kommt und kaum einen konjunkturellen Impuls."

    Zudem lässt sich daraus kein politisches Kapital schlagen und ist damit im Super-Wahljahr für die Politik uninteressant. Anders sieht das bei Steuern und Abgaben aus. Hier können die Parteien Wählerstimmen einsammeln. Denn die Beschäftigten wünschen sich nicht nur einen sicheren Arbeitsplatz, sondern auch mehr Geld in der Haushaltskasse. Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung.

    "Das ist sicherlich so. Es ist ja auch schon längere Zeit angekündigt worden, dass hier auch Reformen und eine Entlastung der Verbraucher anstehen. Es ist jetzt zunächst einmal für die Zeit nach der Bundestagswahl geplant, also für das Jahr 2010. Aber die gegenwärtige Schwäche, auch gerade die Konsumschwäche, lässt es auch ratsam erscheinen, einige dieser Maßnahmen vorzuziehen."

    Dafür plädieren auch die Liberalen und drängen auf schnelle und massive Steuersenkungen. Zwar ist die FDP im Bundestag in der Opposition, aber sie lauert als potentieller Koalitionspartner der Union in Wartestellung. Anfang Dezember des vergangenen Jahres warf Guido Westerwelle der Kanzlerin Wahltaktik vor.

    "Sie wollen im nächsten Jahr über Steuersenkungen entscheiden. Das hat nichts mit deutschem Interesse zu tun, sondern das entspringt dem Wahlkampfinteresse der beiden Regierungsparteien. Sie wollen als Koalition das Thema Steuersenkungen im Wahlkampf, aber Deutschland braucht es jetzt."

    Dass es eine umfassende Reform erst nach der Bundestagswahl geben sollte, wie die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel noch im Dezember klargemacht hatte, sorgte auch bei der bayerischen Schwesterpartei, CSU, für Unmut. Die Partei hatte bei Kommunalwahlen und der bayerischen Landtagswahl ein desaströses Ergebnis eingefahren und muss nun im Wahlkampfjahr beweisen, dass sie immer noch ein eigenes Profil, aber auch bundespolitisches Gewicht hat. Auch deshalb lässt es der Parteivorsitzende Horst Seehofer in der Frage der Steuersenkungen sogar auf eine Kraftprobe mit der CDU ankommen.

    "Wir diskutieren jetzt seit Jahren über die Phänomene der immer stärkeren Belastung der Einkommen durch Steuern und Abgaben. Ich denke, es ist durchaus an der Zeit, in dieser wirtschaftlichen Situation zu handeln. Ich denke für den Konsum und für die Nachfrage, ist eine Steuerentlastung die beste Antwort."

    Mit Konjunkturpolitik hat das wenig zu tun. Es geht in erster Linie um Parteipolitik und die Bundestagswahl im September.

    "Wir helfen uns für den Wahlerfolg ungemein, wenn wir vor der Bundestagswahl wegen dieser schwierigen Konjunkturlage im Lande, eine erste Stufe dieser Steuerentlastung durchführen."

    Eine Möglichkeit wäre, den Grundfreibetrag anzuheben. Dieser Grundfreibetrag sichert das Existenzminimum jedes Bürgers und ist deshalb für den Fiskus tabu. Er beträgt derzeit 7.664 Euro und für Verheiratete das Doppelte. Nach Ansicht der CSU würde eine Anhebung sofort zu einer spürbaren Entlastung der Arbeitnehmer führen.
    "Wenn zum Beispiel der Grundfreibetrag erhöht würde, was zur Folge hätte, dass viele Menschen keine Steuern mehr bezahlen und andere Menschen deutlich weniger, dann kann man dies sofort in der Lohnsteuerkarte eintragen lassen und diejenigen, die Einkommensteuervorauszahlungen tätigen, die beantragen dann eben eine Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlung."

    Dieser Vorschlag wird von den Freien Demokraten dankbar aufgenommen. CSU und FDP ziehen in der Steuerpolitik insgeheim am gleichen Strang und setzen damit die Union weiter unter Druck. FDP-Chef Guido Westerwelle nannte in seiner Neujahrsansprache, die als Video im Internet verbreitet wurde, Zahlen.

    "Gerade Familien könnten wir ganz schnell und unkompliziert entlasten, wenn wir einen einheitlichen Grundfreibetrag von 8.000 Euro und für die Kinder einführen. Das wäre ein erster Schritt zu einem niedrigeren, einfacheren und gerechten Steuersystem und es wäre im Übrigen auch überfällig und richtig für die Familien."

    Ob CSU-Chef Horst Seehofer dem konkreten Zahlenbeispiel der Liberalen folgt, ist ungewiss. Sicher ist jedoch, dass die Christsozialen auf dem heutigen Treffen mit der CDU-Spitze auf eine schnelle Entlastung – wenn möglich in zweistelliger Milliardenhöhe drängen. Gero Neugebauer, Politikwissenschaftler von der Freien Universität Berlin.

    "Herr Seehofer hat mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Frage der Pendlerpauschale ein Gewicht in der Hand, mit dem er sagen kann: Bitte schön, ich hatte recht und ich werde auch in der Steuerfrage recht haben. Frau Merkel wiederum verkörpert nicht eine Kontinuität in der Wirtschafts- und Steuerpolitik der Union, mit der sie sagen könnte, "Ich bin Repräsentantin eines bestimmten Konzepts". Sie verhält sich sehr taktisch. Auf der einen Seite sagt sie mit ihrem Finanzminister, "Wir müssen die Neuverschuldung bremsen" und könnte da auch Herrn Seehofer hinweisen, dass das im CSU-Programm ist. Auf der anderen Seite weiß sie aber, sie braucht auch eine starke CSU, um ein günstiges Bundestagswahlergebnis zu kriegen. Nur die CSU braucht auch die CDU. Insofern werden die sich irgendwo begegnen müssen."

    Und so kündigte Bundeskanzlerin Merkel bereits in ihrer Neujahrsansprache Zugeständnisse in der Steuerpolitik an, ohne Details zu nennen. Punktgewinn für die CSU. Aus München kam umgehend die Reaktion:

    "Ich habe zwar keine Zusagen von der Kanzlerin, ich habe auch keine Hinweise, aber mein politisches Gefühl sagt mir nach langer Erfahrung, dass die CDU gemeinsam mit der CSU mit einer einheitlichen Verhandlungslinie das Gespräch mit der SPD aufnehmen werden."

    Zugleich übt die CSU weiter Druck auf die Schwesterpartei aus. Anfangs drohte die CSU mit einer Blockade des zweiten Konjunkturpakets. Nun wollen die Christsozialen auch noch die politische Sinnfrage stellen. Es geht um den Bundestagswahlkampf 2009. Dazu erklärte heute der CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg im Interview der Woche des Deutschlandfunks:

    "Was die Bundestagswahlen anbelangt, ist es nicht unüblich mit einer gemeinsamen Kanzlerkandidatur programmatisch auch geschlossen in die Wahlen zu gehen. Das hängt natürlich alles ein bisschen davon ab, wie wir uns heute Abend auf einige Kernpunkte einigen werden. Das hängt sicherlich auch davon ab, wie geschlossen wir uns bei den politisch notwendigen Punkten verhalten. Steuersenkungen spielen dabei sicher auch eine gewisse Rolle und dann werden wir sehen, wie das Jahr sich entwickelt."

    Den Christsozialen geht es nicht nur um die Steuerpolitik. Es geht auch darum, mit welchem sozialpolitischen Profil und vor allem mit welcher Führungsmannschaft die Union in den Bundestagswahlkampf zieht.

    So warnt CSU-Parteichef Horst Seehofer davor, den Bundestagswahlkampf allein auf Kanzlerin Angela Merkel zuzuschneiden. Personelle Breite sei überlebenswichtig für die Regierungsfähigkeit der Union, sagt der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer:

    "Herr Seehofer hat ja zurzeit das Problem, die CSU wieder zu rehabilitieren, das heißt, sie aus ihrer Seitenlage in eine aufrechte Position zu bringen. Und ihm sind ökonomische Erfordernisse nicht so wichtig. Frau Merkel wiederum hat ein Problem, das darin besteht, dass sie 2005 in den Wahlkampf mit einem Wirtschafts- und Steuerprogramm gegangen ist, für das sie keine Mehrheiten kriegt, auch 2009 nicht. Nun wirft man ihr sozialdemokratische Operationen vor, ein Plädoyer für staatswirtschaftliches Verhalten. Und wenn sie jetzt in einem Punkt nachgibt, dann könnte sie – wenn die Zeiten nicht so spannend wären, sagen: "Okay, das ist ein Ergebnis von Überlegungen." Aber sie ist in einem innerparteilichen Konflikt. Es ist für Frau Merkel eine Niederlage, wenn sie Steuerreduzierungen jetzt zustimmen wird und nicht erst später."

    Doch selbst wenn CDU und CSU heute Abend eine Einigung beim Thema Steuersenkungen als gemeinsamen Erfolg verkaufen, es droht bereits Widerstand vom Koalitionspartner. Die SPD gehe mit einer klaren Linie in die Verhandlung, sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles der «Bild am Sonntag»: Nein zu Steuersenkungen. Es sei verantwortungslos, in Zeiten mit unkalkulierbaren Ausgabenrisiken dauerhafte Mindereinnahmen des Staates zu beschließen. Zudem machen Steuersenkungen nach Ansicht der Sozialdemokraten keinen Sinn, denn:

    "50 Prozent der Menschen in Deutschland zahlen überhaupt keine Lohn- und Einkommensteuern. Gerade untere und mittlere Einkommen hätten mehr davon, wenn wir beispielsweise bei den Gesundheitskosten ansetzen. Da kann ich mir Entlastungen vorstellen."

    Sagte Hubertus Heil, SPD-Generalsekretär, im ZDF. Seit Anfang des Jahres zahlen die Versicherten mit Einführung des Gesundheitsfonds den einheitlichen, aber deutlich höheren Beitragssatz von 15,5 Prozent auf das Bruttoeinkommen für ihre Krankenversicherung. Dieser Beitragssatz könnte nun wieder gesenkt werden.

    "Es wird zumindest ernsthaft diskutiert. Wie die Entscheidungen nachher aussehen, kann ich heute noch nicht sagen. Man wird das genau abwägen. Aber wenn man Steuersenkungen oder Abgabensenkungen nebeneinander stellt, dann bin ich so – wie die SPD – dafür, dass wir die Abgaben senken, weil davon auch die Rentner und Geringverdiener mit entlastet würden. Und meine Wunschvorstellung wäre, dass dieses Geld genutzt werde, um den Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten abzuschaffen. Denn dann würde es wirklich zu einer Entlastung der Versicherten kommen, dass über 90 Prozent weniger Beiträge zahlen würden als in diesem Jahr."

    Sagte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Zweiten Deutschen Fernsehen. Den Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozentpunkten des Bruttoeinkommens zahlen die Versicherten seit Juli 2005 aus der eigenen Tasche und tragen damit die Kosten von Zahnersatz und Krankengeld allein.

    Der Vorschlag, den Beitragssatz für die Gesetzliche Krankenversicherung zu senken, ist allerdings in der Union umstritten. So zeigte sich der Unions-Fraktionschef Volker Kauder zwar generell bereit, den über Steuern finanzierten Bundeszuschuss an die Krankenversicherung rascher als geplant zu erhöhen. Davon sollten aber Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen profitieren. Und der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder rechnet in der Montagsausgabe des Handelsblattes vor, dass die Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung um einen Prozentpunkt einen Arbeitnehmer mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2000 Euro nur um rund zehn Euro entlaste. Bei vielen Rentnern sei es sogar nur die Hälfte.

    In Berlin wird in den kommenden Tagen noch heftig über das zweite Konjunkturpaket gestritten werden. Im Superwahljahr wollen die Parteien sich vor allem in der Wirtschaftspolitik profilieren. Wahrscheinlich ist, dass die SPD mehr Steuergeld für das Gesundheitssystem und eine Senkung der Kassenbeiträge bekommt. Im Gegenzug dürfte sie Steuersenkungen zustimmen, die CSU und FDP fordern. Ob der Wähler das Ringen um ein Konjunkturpaket mit seiner Stimme honoriert, bleibt abzuwarten.