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Auf ewig in der Atmosphäre

Umwelt. - Seit Montag treffen sich im argentinischen Buenos Aires Klimaforscher aus aller Welt zur "". Zwar prägt der Streit um die Kohlendioxid-Emissionen die Konferenz, doch daneben tragen zahlreiche andere, weniger prominente Gase ebenfalls dazu bei, die Durchschnittstemperaturen anzuheben. So zerstören etwa Fluorkohlenwasserstoffe nicht den wichtigen Ozonmantel, sondern wirken auch erheblich als Klimagase - und dies sehr lange.

    Mit Antennen, Licht und Schall fühlen Klimaforscher den Puls der Atmosphäre - und manchmal lassen sie dazu geradezu den Geist aus der Flasche. Und der kann sich mitunter gegen seinen Befreier wenden. Schwefelhexafluorid, kurz SF6, verhält sich wie ein Edelgas, also lässt es sich quasi mit nichts und niemandem ein. Aus diesem Grund ist es ein Favorit unter Atmosphärenforschern, wenn es darum geht, die Ausbreitung von Gasen in der Atmosphäre sowie ihre Eigenbewegungen zu beobachten. Zwar ist SF6 völlig ungiftig, doch wie der Name verrät, enthält das Molekül sechs Anteile Fluor. Solche so genannten vollfluorierten Verbindungen gehören zu den mit Abstand potentesten bekannten Treibhausgasen. Die Wirkung von SF6 liegt dabei etwa 23.900 mal höher als bei Kohlendioxid. Warum, erklärt der Entdecker des Ozonlochs selbst, der britische Antarktisforscher Joe Farman: "Diese Gase sind extrem langlebig. Wenn man sie in die Atmosphäre einbringt und beobachten wollte, wie lange sie dort bleiben, dann müsste man gut und gerne 10.000 Jahre warten." Denn so lange dauere es im Durchschnitt, bis sie in etwa 100 Kilometer Höhe gelangen, wo die Energie der Sonnenstrahlung die Verbindungen abbaut.

    Im Gegensatz zu prominenten Klimakillern wie Kohlendioxid, Methan oder Distickstoffmonoxid - besser bekannt als Lachgas - fallen die "ewigen Treibhausgase" wie SF6 und Konsorten mengenmäßig kaum ins Gewicht und sind daher auch weniger bekannt, berichtet Hartmut Graßl, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg: "Die Jahresproduktion an solchen starkfluorierten Verbindungen liegt nicht in der Größenordnung von Millionen Tonnen, sondern bestenfalls bei 1000 Tonnen." Doch ihre außerordentliche Langlebigkeit ist es, die Maßnahmen zu ihrer Reduktion äußerst sinnvoll erscheinen lassen. "Mit jedem Kilo vermiedenem Schwefelhexafluorid kann man zehn Tonnen Kohlendioxid einsparen", veranschaulicht der Hamburger Meteorologe. Doch nicht nur Atmosphärenwissenschaftler sollten sich darauf einstellen, in Zukunft auf SF6 und ähnliches zu verzichten, denn die Substanzen finden auch Verwendung in Hochspannungsanlagen, Autoreifen und Schallschutzfenstern.

    Neben SF6 gelangen weitere vollfluorierte Verbindungen in die Luft, darunter Tetrafluormethan und Hexafluorethan. Sie entweichen als Nebenprodukte in Aluminium-Schmelzen, wo das Metall aus natürlichen Mineralen über Elektrolyse herausgelöst wird. Das erfordert aber sehr viel kostbare Energie, erklärt Graßl: "So genannte Flussmittel, die eben Fluor enthalten, drücken den Energieeinsatz etwas herunter. Aber bei diesen hohen Temperaturen und der rapiden Abkühlung danach entstehen diese Substanzen und gelangen in die Atmosphäre." Auch der Europäische Union sind die Nobodies unter den Klimagasen nicht entgangen: sie will den Ausstoß der fluorierten Gase vermindern. Nach dem Kioto-Protokoll müssen die EU-Länder ihre Treibhausgas-Emissionen zunächst um acht Prozent reduzieren. Dazu soll der Abschied von den Fluor-Gasen beitragen. Eine entsprechende Rechtsverordnung, die dazu bald in Kraft tritt, sieht vor, ein Entweichen der Verbindungen aus Anlagen zu unterbinden und sie stattdessen zurückzugewinnen oder zu vernichten. Ab 2007 wird schließlich Schwefelhexafluorid in der EU in offenen Anwendungen verboten sein.

    [Quelle: Volker Mrasek]