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Auf Kosten der Basis

Die neue Spielplangestaltung der Deutschen Fußball-Liga hat zu einer Zerfledderung des Spieltags geführt: Fünf Anstoßzeiten gibt es jetzt. Beobachter sehen die Fußball-Basis durch die ungebremste Gewinnsucht der Profi-Klubs weiter bröckeln.

Von Heinz Peter Kreuzer | 09.08.2009
    Veltins-Arena Gelsenkirchen. Wenn Bundesligist Schalke 04 sonntags um 15.30 Uhr spielt, fürchten die Amateure im Ruhrgebiet um ihre Zuschauer. Schon bei den Partien um 17 Uhr in der vergangenen Saison haben es die Nachbarn in den unteren Ligen gespürt. Rainer Grundmann, Vorsitzender des SC Schaffrath, hat Anfang März eine Demonstration gegen die neue Anstoßzeit organisiert. 800 Protestler trafen sich in Gelsenkirchen. Ende April rief Grundmann zum Protest beim Außerordentlichen DFB-Bundestag auf, etwa 20 Demonstranten erschienen in Düsseldorf. Und der Bundestag beschloss fast einstimmig den Grundlagenvertrag zwischen DFB und Deutscher Fußball-Liga, der das 15.30 Uhr-Spiel für die nächsten vier Jahre festschreibt. Jetzt will der Schaffrather Vorsitzende die Entwicklung mit der Bundesliga-Konkurrenz abwarten, er befürchtet aber, das weniger Zuschauer auf die Plätze kommen. Das bedeutet geringere Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten und in der Gastronomie:

    "Wir haben das gesehen, als Schalke vergangene Saison sonntags gespielt hat, da hatten wir knappe 100 Euro Einnahmen an Eintrittsgeldern. Und die Schiedsrichterkosten belaufen sich auf 60 bis 80 Euro."

    Aber nicht nur die Zuschauerzahlen sinken, auch Vereinsmitglieder und Aktive bleiben fern:

    "Funktionäre haben Jahreskarten, Spieler haben Jahreskarten, Trainer haben Jahreskarten. Wie es dann sein wird, wenn Schalke wirklich sonntagnachmittags um 15.30 Uhr spielt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Aber es ist damit zu rechnen, dass der eine oder andere definitiv nicht da ist. Und wir werden da vor leeren Rängen spielen."

    Sorgen, mit denen die Amateure alleine bleiben. Die Deutsche Fußball-Liga ist die Interessenvertretung der 36 Profivereine und hat deshalb zur Maximierung der Erlöse den neuen Spielplan durchgeboxt. Ein existenzielles Problem ist das für Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer von Bayer Leverkusen und ehemaliger Liga-Präsident nicht.

    Dieser Argumentation kann Grundmann nicht folgen. In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Clubs im Kreis Gelsenkirchen von 80 auf 60 gesunken. Das Vereinssterben werde weitergehen und die ehrenamtlichen Funktionäre würden demotiviert.

    "Ich sehe es wirklich so, dass in den nächsten Jahren viele Vereine dichtmachen müssen, weil sie es einfach nicht mehr finanzieren können. Denn es ist ja nicht nur, dass das Geld ausgeht, sondern dann haben viele Ehrenamtliche gar nicht mehr das Interesse daran, wenn sie am Wochenende alleine auf Platz sind um sich ein Spiel an zugucken."

    Für die hochbezahlten Funktionäre wie DFL-Geschäftsführer Christian Seifert ist die Zerfledderung des Spieltages eine betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit. Solche Äußerungen stoßen bei den Ehrenamtlichen auf Verwunderung. Hans-Jürgen Irmer, Präsident des hessischen Verbandsligisten Eintracht Wetzlar, sagt:

    "Wenn die Deutsche Fußball-Liga in einer Größenordnung von 400 Millionen Euro Verträge abzuschließen gedenkt, das ganze Geld geht an die Großen und bei den Amateuren kommt Null an, dann stimmt die Relation nicht. Ich fordere vom DFB, dass der Amateur-Fußball anders bedacht wird, in dem er überhaupt wieder finanziell bedacht wird. und seine Interessen stärker berücksichtigt werden."

    Stattdessen hat DFB-Präsident Theo Zwanziger die Amateur-Klubs aufgefordert, sich andere Erwerbsquellen zu suchen, um die erwarteten Verluste auszugleichen. Der SC Schaffrath wollte Spiel-Ausschnitte auf dem Portal hartplatzhelden.de zeigen. Über diese Website können Amateur-Klubs Ausschnitte ihrer Partien zeigen und werden von Portalbetreiber an den Werbeeinnahmen beteiligt. Reiner Grundmann.

    "Wir hatten über die Hartplatzhelden die Möglichkeit gehabt, Spiele von uns über deren Homepage abzuspielen, montags kurze Ausschnitte da zeigen zu können, um halt über Sponsorengelder wenigstens kleines Geld zu bekommen für die Vereine. Wir hatten das gerade angedacht, da kam vom Verband schon im Prinzip eine Abmahnung, dass das die Vereine das nicht dürften, das es Sache des DFB wäre."

    Der DFB, vertreten durch den baden-württembergischen Verband, steht im Rechtsstreit mit den Hartplatzhelden und beansprucht die Rechte an den bewegten Bildern der Amateurspiele für sich. Der DFB versagt so den Klubs mögliche Einnahmen.

    Die Amateure sind jedoch nicht die Einzigen, die unter der Zerfledderung des Spieltages leiden. Auch der Anhang der Fans leide unter fünf Anstoßzeiten, meint HSV-Fan Dirk Schümann:

    "Was aber natürlich hart ist für alle Leute die Freunde und Familie haben, die nicht Fußballinteressiert sind, wenn wir von Freitagnachmittag bis Sonntagabend weg sind, vor der Glotze hocken und sonst nichts mehr tun."