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Auf leisen Kufen durch die Natur

Knapp 200 Kilometer nördlich vom Polarkreis steigt die Sonne im Winter kaum über den Horizont, im Sommer dagegen scheint sie über einen Monat lang ununterbrochen. Rentiere, Elche und Wölfe sind in der rauen Wildnis zuhause. Aber auch immer mehr Schlittenhunde.

Von Ulrike Langer | 27.03.2011
    Kauppinen, am Ortsrand von Kiruna. Es ist später Vormittag und das Thermometer an der Hauswand der Futterhütte bei Daniela Hohn und Jan Borinski zeigt minus 18 Grad. Hinter den Baumspitzen taucht die Sonne auf. Jan ist dick angezogen. Um den Bauch gebunden trägt er ein riesiges Paar Fäustlinge aus Fuchsfell, zum drauf Sitzen - oder zum Anziehen, falls es noch kälter wird. Er holt zwei lange Leinen und legt sie der Länge nach in den Schnee - die Zugleinen für unsere Hundeschlitten.

    "Die Schlitten, die wir haben, sind aus Birken gemacht und das ist wie ein großer Schlittenkorb und der Fahrer steht quasi hinten drauf, wo die Bremse auch ist, auf den Enden von den Kufen, und mit 'nem großen - ja - Packsack drauf, wo das ganze Gepäck reinkommt."

    Es schneit kurz und die dicken Flocken bleiben auch in dem dichten Fell der Hunde hängen. Es ist hellbraun, bei manchen fast weiß, bei anderen glänzend schwarz. Sie haben spitze Ohren und sehr hübsche Augen, karamellbraune oder eisblaue. Groß oder besonders stark sehen die Tiere auf den ersten Blick nicht gerade aus. 75 Schlittenhunde leben im schwedischen Kauppinen bei Jan und Daniela.

    "Wir haben Alaskan Huskies, das sind Mischlingsschlittenhunde. Die gehen trotzdem noch zurück auf die reinrassigen Schlittenhunde wie sibirischer Husky oder Grönländer oder Malamute."

    Auf lange Distanzen können sie ihr eigenes Körpergewicht ziehen, das liegt zwischen 20 und 30 Kilogramm. Dick eingepackt schieben wir zwei Schlitten zum Anspannen neben die Zwinger, einen großen und einen kleineren. Jan befestigt die Zugleinen und steckt die Handbremsen, wie einen Anker, fest in den Schnee. Bevor wir die Hunde aus den Zwingern holen, erklärt er uns, wie wichtig es ist, als Schlittenfahrer immer mit mindestens einer Hand den Griff zu halten.

    "Wenn Du freihändig versuchst zu fahren, ziehen sie vielleicht ruckartig an, dann fällst Du vielleicht runter. Aber auch nicht den Fehler machen, sich ganz nach vorne auf den Schlitten drauf zu lehnen, sondern schön weich in den Knien stehen, schon auf den Beinen stehen, nicht auf dem Schlitten liegen."

    Die Hunde wissen, dass es bald losgeht. Sie bellen und heulen schon eine ganze Weile.

    "Ihr könnt mir jetzt vielleicht helfen, die Hunde aus dem Zwinger zu holen. - Genau. - Fangen wir mit dem größeren Team an, und dann das kleine."

    Jan holt einen Leithund aus dem Zwinger, ich darf Morris von der Kette nehmen, den anderen Leithund. Wie viel Energie in solch einem Körper steckt! In einer großen Runde flitzt Morris um die Zwinger stürmt dann wie ein kleiner Wirbelwind auf Jan zu, der ihn ruft. Die Hunde bekommen nacheinander das Zuggeschirr angelegt und werden so mit der langen Zugleine verbunden.

    Auf dem großen Schlitten liegen schon Rentierfelle. Wir ziehen uns unsere Schals über die Nase und die Kapuze über die Mützen. Jan stellt sich hinten auf die Kufen, er ist der Fahrer für den großen Schlitten. Ich darf mit unserer dreijährigen Tochter nach vorne.

    "Dann muss man sich draufsetzen und die Hunde ziehen einen."

    Wir fahren leicht bergab, bald kommt die erste Kurve. Wir lehnen uns ein bisschen nach links und fahren dicht an hohen Nadelbäumen vorbei. Unsere Spur geht durch ein Stück Wald, der Weg wird schmaler und hügeliger. Wir entdecken zwischen den Bäumen Rentiere und fahren etwas langsamer, um sie nicht zu stören. Wie es unter der Schneedecke aussieht? Direkt unter uns fließt im Sommer ein Bach, in dem Fische schwimmen.

    "Diese Spuren gibt es im Sommer nicht, also wenn kein Schnee da ist, gibt's die nicht. Die fährt man da auf, wenn der Boden richtig schön gefroren ist und der erste Schnee gekommen ist und es geht über Moore, übers Eis auf Flüssen und Seen, einfach nur durch 'n Wald.""

    Die Hunde laufen und laufen, sie sind kaum zu bremsen. Selbst als uns auf dem schmalen Weg zwei andere Gespanne entgegen kommen. Jan lenkt den Schlitten an den Rand der Spur, ich nehme meinen linken Fuß von der Kufe hoch und schon hat uns das erste Gespann passiert. Bald darauf fahren wir wieder alleine durch die weiße Wildnis. Eine lange Tradition hat das Hundeschlittenfahren hier im schwedischen Lappland nicht.

    ""Die ersten Hundegespanne sind hier so in den 70ern aufgetaucht und vorher wurden hier Waren nur mit Rentierschlitten transportiert. Das hat eine viel längere Tradition in Russland, Kanada und Alaska. Da ist das Hunderte von Jahren alt. Aber hier in Nordschweden wurden eher Rentiere benutzt."

    Das Rentier hat in der samischen Kultur eine große Bedeutung. Auch wenn die meisten Samen von modernen Berufen leben, ist ein Großteil von ihnen noch mit der Rentierwirtschaft verbunden.

    Der Schnee glitzert in der Sonne, vor uns liegt jetzt eine endlos weite Ebene. Unsere Zehen sind eiskalt, aber wir sind glücklich seit zwei Stunden unterwegs. Auf einem sonnigen Schneefeld halten wir. Wie lange am Stück können die Schlittenhunde wohl laufen?

    "Das kommt ein bisschen aufs Training an und auf die Schneeverhältnisse natürlich, aber unsere Hunde sind trainiert auf maximal 70, 80 Kilometer."

    "Wir trainieren die mit Fourwheelern im Herbst, die ja auch so zwischen zwei- dreihundert Kilo wiegen. Und die ziehen die dann, ohne dass der Motor an ist, den ziehen die dann wirklich und so bauen die eigentlich hauptsächlich die Muskeln auf für das kräftige Ziehen."

    Sind die Hunde mehrere Tage mit auf Tour, übernachten sie draußen, auch bei Minus 30 und 40 Grad. Sie schlafen im Schnee. Gefüttert werden die Schlittenhunde mindestens zweimal täglich.


    "Im Winter bekommen sie Fleisch und Trockenfutter, gemischt mit ziemlich viel Wasser. Damit sie im Winter auch was zu Trinken haben, weil ja alles draußen sonst einfach frieren würde. Im Sommer bekommen sie nur Trockenfutter mit Wasser, aber dann haben sie auch noch Eimer in ihrem Zwinger, dass sie praktisch immer trinken können."

    Bis Mai können Daniela und Jan mit ihren Hunden noch im Fjäll oben fahren. Wenn Eis und Schnee schmelzen, geht die Schlittensaison zu Ende. Dann schmilzt auch das mondäne Eishotel in Jukkasjärvi und fließt zurück in den riesigen Torne-Fluss.

    "Im Sommer sind hier auch 25, 30 Grad unter Umständen warm, da kannste mit Huskies nichts machen, die würden überhitzen und kollabieren, wenn Du sie arbeiten lassen würdest. Also der Sommer ist Ruhezeit für die Hunde wirklich."

    An richtig heißen Tagen liegen die nur rum. Und die leiden nicht unter der Hitze, das tun die nicht, aber die sollen nicht arbeiten.

    Es ist Zeit, sich Reparaturen im Haus und Hof anzunehmen. Die Tage werden wieder länger, bald schwärmen die Mücken aus - und die Schlittenhunde haben Sommerferien.