"Die Leipziger wollen immer größer scheißen, als ihr Arschloch groß ist."
Das drastische Zitat stammt von einem ehrbaren Leipziger Bürger: von Hugo Licht, dem Stadtbaurat, der architektonisch die prägendsten Spuren in der Kommune hinterlassen hat. Er entwarf auch das Neue Rathaus, den Sitz der Stadtverwaltung, jene Trutzburg also, in der die von ihm beschriebene Mentalität seit je dominiert. Die zeitgenössische Übersetzung schiebt Philipp Steuer, sächsischer Landesgeschäftsführer des Umweltverbandes NABU, gleich nach:
"Bei den Halbmillionen-Städten, die nicht akzeptieren wollen, dass sie eben keine Millionenstadt sind, kann man das Phänomen ja öfter betrachten. Und gerade in Leipzig haben wir ja oft das Problem, dass überdimensioniert gebaut und geplant wird und man dann nachher guckt, wie nutzen wir denn das eigentlich."
Stadion, Flughafen und damit verbundene Gerichtsgänge sind nur zwei der Projekte, die Leipzig den Ruf einer Skandalnudel eingebracht haben. Einiges deutet darauf hin, dass das aktuelle Renommiervorhaben ähnliches juristisches Potenzial hat. Red Bull will ein Trainingszentrum bauen, im Auwald, auf einem Terrain, das bisher nur temporär genutzt wird, und womöglich ins angrenzende Europäische Vogelschutzgebiet hinein. Im Rathaus ist das nachrangig; man schwärmt von einer Millionen-Investition und schwebt auf roten Flügeln in die erste Bundesliga. Der Verein Rasen Ballsport spielt derzeit Vierte Liga - und das so, als ob er dort gern noch verharren würde. Egal, in Leipzig hat man's nicht so mit der Realität.
Manchmal auch nicht mit Gesetzen. Nach Bürgerprotesten sagte die Stadtverwaltung die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung zwar zu - aber für später. Für den ersten Bauabschnitt, vier Spielfelder, werden Genehmigungen schon mal erteilt. Red Bull startete bereits die Ausschreibung. Ist das rechtskonform? Die Kommunalaufsicht reagiert zurückhaltend. Genehmigungspflichtig, meint der Sprecher der Landesdirektion Stefan Barton, wäre das Projekt nur, wenn es größer würde als die bereits genutzte Fläche. Dann sei ein Umweltbericht vorzulegen:
"Im Zuge des Genehmigungsverfahrens, was durch unser Haus dann durchzuführen ist, ist auch dieser Umweltbericht zu prüfen, inwieweit diese Belange in hinreichender Weise Berücksichtigung gefunden haben. Das kann, wenn es denn nicht der Fall sein sollte, bis dahin gehen, dass wir die Genehmigung des Bebauungsplans versagen."
Die Europäische Kommission sieht das anders. Carsten Lietz, Sprecher der Kommission in Berlin:
"Das Projekt kann nur dann genehmigt werden, wenn es die schützenswerten Bereiche dort nicht gefährdet. Das ist der Kern der Regelung, und der muss halt von den deutschen Behörden entsprechend angewendet werden."
Die EU-Kommission, die über solche Bauten zu informieren wäre, kennt den Vorgang bisher nicht. Noch liege, sagt Lietz, auch keine Beschwerde vor. Das könnte sich ändern, wenn der Bebauungsplan vorliegt. Der NABU Sachsen hält die Planskizzen für ein Täuschungsmanöver. Die eingezeichnete Fläche für Parkplätze sei zu klein, ebenso der Abschnitt für Gebäude wie Internat, Indoor-Halle, Restaurant und Shop:
"Ich geh mal davon aus, dass man da wirklich entweder ein halbes Hochhaus stehen hat auf einmal oder aber das Ganze doch noch in die Breite geht, und dann hat man natürlich die entsprechende Flächeninanspruchnahme, die zusätzliche. Und aufgrund dessen, was in diesem Erbbaurechtsvertrag drinsteht, kann die Stadt es entweder genehmigen oder eben viel Geld bezahlen."
Der Erbbaurechtsvertrag ist Teil des Deals, den der Stadtrat noch absegnen muss. Er reduziert die Möglichkeit, den Bau zu stoppen, auf ein Minimum. Red Bull wird ein Anspruch auf weitere Flächen garantiert. Philipp Steuer:
" Zum zweiten aber, und da wird's noch viel heikler, möchte man dem Investor ein regelmäßiges Rücktrittsrecht zugestehen. Das heißt, erstmals nach zehn Jahren kann Rasenball Leipzig sagen: Wir wollen da jetzt kein Geld mehr reinstecken, also gehen wir einfach. Damit nicht genug, würde in dem Fall die Stadt Leipzig den Investor auch noch entschädigen müssen für Investitionen, die er bereits getätigt hat."
Nach dem Vertragsentwurf muss Red Bull nicht einmal die üblichen Sicherheiten hinterlegen. Auch das zeugt von Leipzigs blindem Vertrauen in Größe. Analysten bewerten den Umstand, dass der Konzern inzwischen mehr für Marketing inklusive Sport ausgibt als für die Herstellung seiner Getränke, als durchaus riskant. Die letzte Bilanz, die für das Geschäftsjahr 2009, fassten sie gerade in einen nüchternen Satz: "Die goldenen Jahre sind vorbei."
Das drastische Zitat stammt von einem ehrbaren Leipziger Bürger: von Hugo Licht, dem Stadtbaurat, der architektonisch die prägendsten Spuren in der Kommune hinterlassen hat. Er entwarf auch das Neue Rathaus, den Sitz der Stadtverwaltung, jene Trutzburg also, in der die von ihm beschriebene Mentalität seit je dominiert. Die zeitgenössische Übersetzung schiebt Philipp Steuer, sächsischer Landesgeschäftsführer des Umweltverbandes NABU, gleich nach:
"Bei den Halbmillionen-Städten, die nicht akzeptieren wollen, dass sie eben keine Millionenstadt sind, kann man das Phänomen ja öfter betrachten. Und gerade in Leipzig haben wir ja oft das Problem, dass überdimensioniert gebaut und geplant wird und man dann nachher guckt, wie nutzen wir denn das eigentlich."
Stadion, Flughafen und damit verbundene Gerichtsgänge sind nur zwei der Projekte, die Leipzig den Ruf einer Skandalnudel eingebracht haben. Einiges deutet darauf hin, dass das aktuelle Renommiervorhaben ähnliches juristisches Potenzial hat. Red Bull will ein Trainingszentrum bauen, im Auwald, auf einem Terrain, das bisher nur temporär genutzt wird, und womöglich ins angrenzende Europäische Vogelschutzgebiet hinein. Im Rathaus ist das nachrangig; man schwärmt von einer Millionen-Investition und schwebt auf roten Flügeln in die erste Bundesliga. Der Verein Rasen Ballsport spielt derzeit Vierte Liga - und das so, als ob er dort gern noch verharren würde. Egal, in Leipzig hat man's nicht so mit der Realität.
Manchmal auch nicht mit Gesetzen. Nach Bürgerprotesten sagte die Stadtverwaltung die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung zwar zu - aber für später. Für den ersten Bauabschnitt, vier Spielfelder, werden Genehmigungen schon mal erteilt. Red Bull startete bereits die Ausschreibung. Ist das rechtskonform? Die Kommunalaufsicht reagiert zurückhaltend. Genehmigungspflichtig, meint der Sprecher der Landesdirektion Stefan Barton, wäre das Projekt nur, wenn es größer würde als die bereits genutzte Fläche. Dann sei ein Umweltbericht vorzulegen:
"Im Zuge des Genehmigungsverfahrens, was durch unser Haus dann durchzuführen ist, ist auch dieser Umweltbericht zu prüfen, inwieweit diese Belange in hinreichender Weise Berücksichtigung gefunden haben. Das kann, wenn es denn nicht der Fall sein sollte, bis dahin gehen, dass wir die Genehmigung des Bebauungsplans versagen."
Die Europäische Kommission sieht das anders. Carsten Lietz, Sprecher der Kommission in Berlin:
"Das Projekt kann nur dann genehmigt werden, wenn es die schützenswerten Bereiche dort nicht gefährdet. Das ist der Kern der Regelung, und der muss halt von den deutschen Behörden entsprechend angewendet werden."
Die EU-Kommission, die über solche Bauten zu informieren wäre, kennt den Vorgang bisher nicht. Noch liege, sagt Lietz, auch keine Beschwerde vor. Das könnte sich ändern, wenn der Bebauungsplan vorliegt. Der NABU Sachsen hält die Planskizzen für ein Täuschungsmanöver. Die eingezeichnete Fläche für Parkplätze sei zu klein, ebenso der Abschnitt für Gebäude wie Internat, Indoor-Halle, Restaurant und Shop:
"Ich geh mal davon aus, dass man da wirklich entweder ein halbes Hochhaus stehen hat auf einmal oder aber das Ganze doch noch in die Breite geht, und dann hat man natürlich die entsprechende Flächeninanspruchnahme, die zusätzliche. Und aufgrund dessen, was in diesem Erbbaurechtsvertrag drinsteht, kann die Stadt es entweder genehmigen oder eben viel Geld bezahlen."
Der Erbbaurechtsvertrag ist Teil des Deals, den der Stadtrat noch absegnen muss. Er reduziert die Möglichkeit, den Bau zu stoppen, auf ein Minimum. Red Bull wird ein Anspruch auf weitere Flächen garantiert. Philipp Steuer:
" Zum zweiten aber, und da wird's noch viel heikler, möchte man dem Investor ein regelmäßiges Rücktrittsrecht zugestehen. Das heißt, erstmals nach zehn Jahren kann Rasenball Leipzig sagen: Wir wollen da jetzt kein Geld mehr reinstecken, also gehen wir einfach. Damit nicht genug, würde in dem Fall die Stadt Leipzig den Investor auch noch entschädigen müssen für Investitionen, die er bereits getätigt hat."
Nach dem Vertragsentwurf muss Red Bull nicht einmal die üblichen Sicherheiten hinterlegen. Auch das zeugt von Leipzigs blindem Vertrauen in Größe. Analysten bewerten den Umstand, dass der Konzern inzwischen mehr für Marketing inklusive Sport ausgibt als für die Herstellung seiner Getränke, als durchaus riskant. Die letzte Bilanz, die für das Geschäftsjahr 2009, fassten sie gerade in einen nüchternen Satz: "Die goldenen Jahre sind vorbei."