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Auf Umwegen zum Film

Helmut Käutner drehte in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zunächst seichte Filme, die wenig Kritik an den tatsächlichen Vorgängen dieser Zeit übten. Dennoch wurden Teile seines Schaffens durch die Nationalsozialisten verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg begeisterte Käutner sein Publikum mit Filmen wie "Der Hauptmann von Köpenick" und dem Antikriegsdrama "Die letzte Brücke".

Von Eva Pfister | 25.03.2008
    Helmut Käutner kam auf Umwegen zum Film. Er studierte Theaterwissenschaft bei Arthur Kutscher in München und erwies sich bei Auftritten an den legendären Künstlerfaschingsbällen als derart witzig und pointensicher, dass er daraus einen Beruf machte. Sein Kabarett "Die vier Nachrichter" - anspielend auf die berühmten "Elf Scharfrichter" - feierte Erfolge bis 1935. Da wurde es von den Nationalsozialisten als "destruktiv" und "zersetzend" verboten. Dabei waren die Texte zwar zeitkritisch, aber unpolitisch, so etwa "Der kommerzielle Tango" von 1932:

    "Unsere Zeit hat keine Zeit für Liebesschmerzen und kranke Herzen, denn wir sind heute für Liebe insolvent. Jede Frau weiß, das was uns treibt, wenn die Schreibmaschine schreibt: Ich mache Ihnen unverbindlich ein Angebot in Liebe - Absatz!"

    Witz und Heiterkeit prägten das Werk von Helmut Käutner, was angesichts seiner Jugend etwas verwundert. Denn der am 25. März 1908 in Düsseldorf geborene Kaufmannssohn verlor früh seine Eltern. Der Vater fiel im Ersten Weltkrieg, die Mutter starb, als er 18 Jahre alt war. Immer lustig sein, kann als Überlebensstrategie dienen, vielleicht auch für Käutner. Auf erstaunlich unberührte Weise überstand er den Nationalsozialismus.

    Seine neun Filme aus jener Zeit waren verspielte Komödien oder heiter-melancholische Romanzen, bei denen französische Vorbilder durchschimmern. Nur im Film "Auf Wiedersehen, Franziska" von 1941 musste er auf höheren Befehl eine Szene mit Durchhalteparolen dazu drehen. Im Mai 1946 erteilten die Briten in Hamburg Helmut Käutner die erste Filmlizenz. Mit minimalen Mitteln und großem Enthusiasmus entstand "In jenen Tagen".

    "Ich nahm das Mittel der Verfremdung, nämlich die Geschichte eines Autos, um von einem relativ neutralen Standpunkt die Dinge zu erzählen, denn unsere Wut, unsere Verzweiflung und unser Hass auf das, was gewesen war, wäre nicht in der Lage gewesen, eine Geschichte zu erzählen, die richtig wär. Das wäre dann nur: Ja, jetzt wo ihr dürft, da brüllt ihr los."

    In sieben Episoden erinnert das sprechende Auto an Menschen, die in den Jahren der Diktatur Zivilcourage zeigten und anderen beistanden. Die politischen Umstände werden dabei nur angedeutet:

    "Ich habe nicht viel von jenen Tagen gesehen. Keine großen Ereignisse, keine Helden, nur ein paar Schicksale, und auch davon nur Ausschnitte. Aber ich habe ein paar Menschen gesehen. Ihre Menschlichkeit war stärker als die Zeit."

    Der erste große Erfolg kam für Helmut Käutner aber erst 1954 mit "Die letzte Brücke". Dieser Antikriegsfilm mit Maria Schell in der Rolle einer deutschen Truppenärztin und Bernhard Wicki als jugoslawischer Partisan gewann den Preis der Internationalen Jury in Cannes.

    Das deutsche Publikum eroberte Käutner vor allem mit seinen Zuckmayerverfilmungen "Der Hauptmann von Köpenick" mit Heinz Rühmann und "Des Teufels General" mit Curd Jürgens. In beiden Drehbüchern entschärfte er mögliche Konflikte und betonte das Menschlich-Private, auch in der Figur des Fliegergenerals Harras:

    "Harras ist nun nicht mehr der typische Vertreter der prächtigen Luftwaffe, sondern er ist ein Individualist, er ist eigentlich ein Bohemien, der aus Liebe zur Fliegerei eben zum General des Teufels wurde."

    Stets ging es Helmut Käutner um menschliche Versöhnung über die Fronten hinweg. Manchmal geriet er dadurch aber zwischen die Fronten, zum Beispiel mit "Himmel ohne Sterne", einer deutsch-deutschen Liebestragödie. Dass er bei diesem Thema nicht Partei ergriff, nahmen ihm 1955 beide Seiten übel.

    In den 60er und 70er Jahren arbeitete Helmut Käutner vermehrt als Theaterregisseur, auch als Schauspieler sah man ihn auf der Bühne und in Fernsehfilmen. Auf die Entwicklung des westdeutschen Kinos nach dem Krieg sah er mit Resignation zurück:

    "Es wurde eine allgemeine Banalität, und es gab eigentlich keinen künstlerischen oder politischen Film mehr, sondern nur noch eine Art von, ja: Unterhaltung. Die wertvollen Ansätze dieser ersten Zeit sind im Grunde verloren gegangen."

    Seinen letzten Fernsehfilm drehte Helmut Käutner im Herbst 1977. Dann zog er sich in sein Haus in der Toskana zurück, wo er am 20. April 1980 starb.