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Auf verlorenem Terrain

Fehlender Respekt der deutschen Polizei gegenüber - selbst in Vierteln, die als gelungenes Beispiel für Integration gelten, kommt es zu Verständigungsproblemen. Besonders, wenn es Ärger gibt. Dem sollen Polizisten aus der Türkei abhelfen.

Von Kemal Hür |
    Restaurants, Apotheken, Supermärkte, Boutiquen für Brautkleider: Alle Geschäfte haben türkische Namen. Besucher aus der Türkei können sich hier – im Duisburger Stadtteil Marxloh – wie zuhause fühlen. Auch die türkischstämmigen Bewohner fühlen sich in ihrer Umgebung wohl. Türkische Polizisten aber, die in der Weseler Straße ihren Dienst tun, würden sie nicht akzeptieren.

    "Für mich ist das die größte Beleidigung. Wenn wir jetzt in diesem Jahrhundert noch anfangen, wo wir sagen, wir sind schon multikulti, dann kommt noch die Polizei aus der Türkei. Das macht alles kaputt."

    Die Besitzerin eines Brautkleider-Geschäftes spricht aus, was viele denken. Türkische Polizisten auf Streife in Duisburg-Marxloh - die Idee stößt auf Ablehnung - auch im benachbarten türkischen Frisiersalon für Männer.

    "Die haben ihre eigene Ausbildung da gemacht, andere Ausbildung, denke ich mal, und die hier ganz andere Ausbildung. Die sind nicht gleich. Und wenn ich keinen Respekt vor Deutschen haben sollte, habe ich auch vor meinem eigenen Landsmann nicht."

    Fehlender Respekt der deutschen Polizei gegenüber. Das hat den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft in Nordrhein-Westfalen auf den Plan gerufen: Erich Rettinghaus will türkische Polizisten mit den Deutschen auf Streife schicken. Er erhofft sich durch Verstärkung aus der Türkei mehr Akzeptanz für seine deutschen Kollegen. Auf einen Versuch käme es an, betont Rettinghaus.

    "Das wäre natürlich ganz hervorragend, festzustellen, wie reagieren die Leute, bei denen wir Maßnahmen treffen müssen, wo die Polizei Maßnahmen treffen muss und sich durchsetzen muss, wenn ein türkischer Polizist mit türkischer Uniform aus dem Streifenwagen mit aussteigt."

    "Ich würde erstmal so lachen. Ich würde sagen, die deutsche Polizei sind so gesunken, dass sie die türkische Polizei hier rufen müssen."

    Rettinghaus widerspricht dem Jungendlichen: Es sei falsch zu denken, dass deutsche Polizisten nicht durchgreifen könnten und auf Hilfe angewiesen seien. Seine Forderung sei keine Bankrotterklärung. Es ginge vielmehr um einen Erfahrungsaustausch wie beispielsweise im Grenzgebiet zu Holland mit der niederländischen Polizei.

    "Deutsche Polizisten gehen in der Urlaubszeit dahin, wo auch viele deutsche Touristen Urlaub machen. Das ist gut angekommen, stößt auf allen Seiten, von der niederländischen Seite, deutschen Seite, Touristen her auf wachsende Begeisterung. Das heißt, deutsche Polizisten sind in Uniform mit im Einsatz zum Beispiel in Renesse und schlichten dort genauso Schlägereien in Diskotheken, in Kneipen und sonstige Sachen und unterstützen. Und das klappt doch."

    Der Gewerkschafter aber vergisst eines: Bei der Bevölkerung in Duisburg-Marxloh oder Köln-Ehrenfeld - beides Stadtteile mit hohem Ausländeranteil - handelt es sich nicht um Touristen. Sondern: Die Menschen sind größtenteils hier geboren und Teil der deutschen Gesellschaft. Die fehlende Akzeptanz deutschen Ordnungskräften gegenüber beruhe auf Gegenseitigkeit, erzählen Jugendliche vor einem der vielen traditionellen Männercafés. Die Jungs fühlten sich oft schlecht behandelt.

    "Bei Schlägereien oder so, wenn Ausländer sich schlagen, da kommen die deutschen Polizisten erst zu spät, wenn die Sache geklärt ist. Wir möchten nur, dass wir die gleichen Rechte wie alle Deutschen hier haben."

    "Wie ich letzte Mal gesehen habe, Deutscher steht hier auf Fahrradweg, und Polizist sagt dann einfach "Weiterfahren". Aber wenn ein Türke hier steht, direkt kriegt er dann die Strafe."

    Doch diesen Schilderungen setzt Rettinghaus Erfahrungen seiner Kollegen aus dem Polizeialltag entgegen.

    "Man möchte jemanden festnehmen, in Gewahrsam nehmen, aus welchen Gründen auch immer. Dann wird das oft versucht zu verhindern. Dann kommt es zu Gefangenenbefreiungen und dann quasi zur Belagerung des Streifenwagens. Und das Ganze eskaliert häufig in großen Schlägereien."

    Das könnte eine der Situationen sein, bei der die türkischen "Gast-Polizisten" schlichtend eingreifen könnten, meint Rettinghaus. Rechtliche Befugnisse aber dürften sie nicht haben und natürlich auch keine Dienstwaffe tragen. Obwohl viele türkisch-stämmige Bürger in Marxloh der Idee skeptisch gegenüberstehen, es gibt auch andere Stimmen. Solche, die meinen, der Einsatz türkischer Polizisten könnte möglicherweise helfen, den Mentalitätsunterschied zu überbrücken.

    "Unsere Leute, die haben keinen Respekt vor den deutschen Polizisten. Wenn da türkische Polizisten dabei wären, dann wäre das vielleicht etwas besser, weil die hätten das auf Türkisch aufklären können und so."

    Das würden sich auch zwei deutsche Taxifahrer wünschen:

    " Solange die sie nur begleiten jetzt, unsere Polizisten, damit die Aggressivität bisschen zurückgeht bei denen, finde ich das vernünftig. Weil es gibt ja viele Türken, die sprechen in ihrer Sprache."

    "Holländische gehen ja auch, holländische gehen auf Weihnachtsmärkte, finde ich doch gar nicht mal so schlecht."

    In einer Teestube spielen Männer Karten und Backgammon. Ein 32-Jähriger findet die Idee mit den türkischen Polizisten absurd. Der Staat solle lieber junge Einwanderer für den Polizeidienst ausbilden. Er selbst wäre bereit, dafür seinen sehr gut bezahlten Job aufzugeben.

    "Was soll der türkische Polizist, der in der Türkei eine Ausbildung gemacht hat, hier gegen mich machen? Ich bin hier geboren. Ich habe nur den Realschulabschluss. Aber warum kommen die nicht auf mich zu und sagen "Pass mal auf, Jungs, wir wollen euch fördern. Wir wollen auch türkische Polizisten haben, damit wir auch mit den ausländischen Mitbürgern klarkommen. Weil die Mentalität kennt kein deutscher Polizist von den türkischen.""

    Beamte mit Migrationshintergrund gibt es bereits bei der deutschen Polizei. Wichtigste Voraussetzung aber ist der deutsche Pass. Das weiß auch Erich Rettinghaus von der Gewerkschaft. Für ihn wäre eine Kooperation mit türkischen Polizisten keine Alternative, sondern nur eine ergänzende Maßnahme. Bislang aber finden noch keine Gespräche mit den türkischen Behörden statt. Ob seine Idee überhaupt realisiert werden kann, sei völlig offen, gesteht Rettinghaus ein.

    ""Die Reaktion im Innenministerium, was ich bis jetzt gehört habe, ist verhalten. Aber wir haben ja eine neue Regierung, wir haben einen neuen Innenminister. Und ich denke, er muss sich auch erstmal einarbeiten. Er wird viele Themen haben, viele Bereiche abzudecken haben. Und er wird sich erstmal ein Bild machen."