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Auf windiger See

Bald beginnt der Bau von Deutschlands erstem kommerziellen Offshore-Windpark. Auftraggeber ist die Firma BARD Engineering aus Bremen. Das Investitionsvolumen liegt in Milliardenhöhe.

Von Tim Hannes Schauen | 24.07.2009
    "Das Innovative an uns ist das Gesamtkonzept, dass wir uns überlegt haben, wie wir dieses Thema Offshore-Windkraft in Gänze angehen können."

    Heiko Roß sitzt ganz entspannt im Besprechungsraum der Firmenzentrale von BARD in Bremen. Und das wenige Tage, bevor es nach sechs Jahren endlich losgeht. BARD Engineering baut den ersten privaten Windpark auf See: Bard offshore 1 liegt 90 Kilometer vor Borkum. Seit 2003 laufen die Vorbereitungen, erzählt Geschäftsführer Heiko Roß.

    "Damals haben wir gesagt: Okay, wir kaufen Windkraftanlagen und Fundamente und lassen errichten - wir haben festgestellt, dass damals Lösungen nicht vorhanden waren und haben deshalb eigene Lösungen entwickelt, und so stehen wir heute da, haben ein komplettes System für die Errichtung von Offshore-Windkraftwerken."

    Das heißt: BARD macht alles selbst: Von der Projektplanung über das Herstellen kompletter Windräder bis hin zur Errichtung und Wartung der Anlagen auf hoher See. Für insgesamt elf Nordsee-Windparks hat BARD bislang Anträge gestellt, acht in Deutschland, drei in den Niederlanden.

    "Wir wollen ab 2010 ein Kraftwerksprojekt pro Jahr errichten mit 80 Windkraftanlagen, fünf Megawatt-, 6,5 Megawatt-Anlagen pro Jahr ..."

    Strom für etwa 500.000 Haushalte.

    "Und wir werden bis Ende 2010 unsere Mitarbeiterzahl von derzeit circa 850 auf circa 2000 bis Ende 2010 hochfahren."

    Am Standort Cuxhaven schweißen BARD-Leute gigantische Windmühlen-Fundamente zusammen: Hinter den patentrechtlich geschützten Eigenkonstruktionen mit dem Namen Tripiles stecken Stützkreuze auf drei Röhrenbeinen mit fast 500 Tonnen Gewicht. Die werden in den Meeresgrund gerammt und bieten den 90 Meter hohen Türmen Halt. Die gewaltigen Kräfte auf See machen solche Dimensionen nötig. In Cuxhafen hat BARD fast 200 Millionen Euro investiert. Doch das größte Werk der BARD-Gruppe steht im ostfriesischen Emden. Hier fertigen Mitarbeiter Getriebegondeln, die Stromtechnik sowie Rotorblätter.
    Andreas Kölling öffnet die Tür zur großen Fertigungshalle...

    ... und steht gleich wieder vor einer Wand: grau, sechs Meter hoch, es ist das dicke Ende eines Rotorblatts. Links ist eine große runde Öffnung, umgeben von 99 Schrauben der Stärke M42. Diese Schrauben verbinden später den Rotor mit der Nabe. Ein 60er Schlüssel ist nötig, um sie festzudrehen. Arbeiter schleifen gerade die Oberfläche glatt. Andreas Kölling legt den Kopf in den Nacken, blickt hoch zu den Schrauben.

    "Wir stehen vor dem Blattanschluss, dieser Blattanschluss ist der Übergang zwischen dem aerodynamischen Teil des Flügels hin zur Nabe. Dieser Übergang ist nicht einfach herzustellen, wir machen's aber selber, und im Gegensatz zu dem Blatt ist dieser Teil aus einzelnen Fäden gewickelt, einzelnen Glasfasern, und dann mit Acrylharz verbunden, während dieser Teil des Flügels, der hintere Teil sozusagen, aus Glasfasermatten und entsprechendem Harz besteht."

    Ein solcher Rotorflügel wiegt 30 Tonnen, das andere Ende ist 70 Meter von Kölling entfernt, dort, am spitzen Ende, ist es immerhin noch knapp einen Meter stark. Drei solcher Giganten drehen sich später an einer Windmühle und haben einen Durchmesser von 120 Metern – Fußballfeldlänge.

    "Das ist nicht mehr auf der Straße zu transportieren, sondern da muss man eine Infrastruktur haben, die es einem ermöglicht, direkt aufs Wasser zu gehen, und das haben wir hier, wir können hier direkt über die Kaikante verladen."

    Wegen der guten Anbindung zum seetiefen Wasser, aber auch wegen der großen Lagerflächen hat BARD sich für den Standort im Hafen Emden entschieden. Zwischen den Werkhallen liegen in überdimensionierten Hochregalen fertige Rotorblätter, warten auf ihren Einsatz.
    Zum Errichten der Windparks auf See hat BARD ein eigenes Spezialschiff bestellt, auf hydraulischen Beinen kann es sich 70 Meter aus dem Wasser heben, der Kran darauf 500 Tonnen hieven. Ein kleines, besonders hochseetaugliches Versorgungsschiff soll folgen. So gewaltig wie die Dimensionen der Windräder sind auch die Errichtungskosten der Windkraftwerke auf See. Doch genau, so Geschäftsführer Heiko Roß, lasse sich das noch gar nicht beziffern.

    "Es ist eigentlich schwer, für ein Kraftwerk Investitionsvolumen zu nennen, das draußen noch gar nicht steht. Wir sehen derzeit im Offshore-Bereich in Wassertiefen 30, 40 Meter spezifische Investitionskosten, die liegen bei 3,5 Millionen Euro je Megawatt. Mit einem dicken Daumen: ein 400 Megawatt-Windkraftwerk zwischen 1,4 und 1,6 Milliarden Euro."

    ... die fast ausschließlich kreditfinanziert sind. Zurückgezahlt werden die Darlehen aus den Einspeisevergütungen für Windstrom. Auf See versprechen sich die Windmüller doppelt so viele Stunden mit starkem Wind wie auf dem Land, um die 4.000 im Jahr, also auch etwa doppelt so viel Ertrag. Ende September, wenn acht bis zehn Anlagen errichtet sind, möchte BARD den ersten Windstrom einspeisen. Ab dann sollen die hohen Kosten zurückfließen – regenerativ.