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Auf Zickzackkurs zur Einheitsprüfung

Ende des Zweiten Weltkriegs. In vier Bundesländern – Bayern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und in Baden-Württemberg, wird das Zentralabitur eingeführt, teilweise unter dem Einfluss der französischen bzw. amerikanischen Besatzungsmacht.

Von Antje Allroogen |
    Das Saarland war das erste deutsche Bundesland mit Zentralabitur, rekapituliert Jürgen Schreier, ehemaliger Bildungsminister in Saarbrücken:

    "Sofort nach dem Krieg 1946 und folgende kamen alle Schüler des Saarlandes nach Saarbrücken an eine zentrale Stelle und haben dort in einer großen Halle unter Aufsicht der französischen Administration Abitur gemacht."

    Das Saarland, Bayern und Baden-Württemberg blieben dem Zentralabitur treu, in Rheinland-Pfalz jedoch wurde es nach Ende der Besatzungszeit wieder abgeschafft.

    Kurz nach der Wiedervereinigung führten auch Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt das Zentralabitur ein. Und waren damit Vorreiter eines bundesweiten Trends zu einheitlichen Prüfungen. Als Antwort auf Deutschlands mittelmäßige Noten bei den PISA-Studien forderten viele sogar länderübergreifende Verbünde, um das enorme Leistungsgefälle unter den einzelnen Bundesländern auszugleichen. Auch der damalige Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Olaf Henkel, setzte sich für ein flächendeckendes Zentralabitur ein:

    Olaf Henkel: "”Ein Ansatzpunkt wäre, dass man ein Zentralabitur in den Ländern schafft, das heißt dass letzten Endes die Leistung sozusagen vorgegeben wird (…). Also die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass ein Abitur in München mehr wert ist als in Bremen. Und politisch ist es inkorrekt, darüber zu reden, weil man angeblich das nicht bis auf die letzte Kommastelle beweisen kann.""

    Solche und ähnliche Forderungen nach einem Zentralabitur berührten die föderale Struktur des deutschen Bildungssystems und kamen einem Tabubruch gleich. Vor allem die SPD-regierten Länder wehrten sich vehement gegen die Einheitsprüfung. So sagte etwa Bremens Schulsenator Wille Lemke im August 2002:

    Willi Lemke: "”Zentralabitur? Das wäre schrecklich, das würde mir überhaupt nicht gefallen. Das bringt ja stures Pauken auf der Oberfläche.""

    Inzwischen sind aus den einstigen Gegnern längst Befürworter der Einheitsprüfungen geworden. Auf Länderebene wurde das Zentralabitur in den Jahren 2005 bis 2008 in nahezu allen Bundesländern eingeführt: Bremen, Brandenburg, Hamburg, Berlin, Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben mittlerweile ein Zentralabitur. Bislang bleiben die zentralen Prüfungen jedoch in vielen Ländern auf einzelne Fächer beschränkt.

    Allein ein deutsches Bundesland sträubt sich bis heute gegen das zentralistische Modell. Doris Ahnen, Kultusministerin in Rheinland-Pfalz:

    Doris Ahnen: "Von einem Zentralabitur, also davon, dass alle Schülerinnen und Schüler zur gleichen Zeit, wenn das überhaupt gehen würde, verspreche ich mir gar nichts."
    "Und ich bin sehr froh, dass alle Länder gemeinsam letztlich gesehen haben, dass der Weg über Standards der viel erfolgversprechendere ist."

    Doch auch innerhalb der CDU gehen die Meinungen über das Zentralabitur auseinander. Vor allem, was eine länderübergreifende Lösung anbetrifft. So konnte sich etwa die nordrhein-westfälische Schulministerin Barbara Sommer noch vor kurzem ein "Deutschland-Abitur" durchaus vorstellen. Inzwischen hält sie davon jedoch gar nichts mehr. Im Sommer 2007 mischte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Kontroverse um das Zentralabitur ein und sprach sich für einheitliche Prüfungen aus. Als die Kultusministerkonferenz wenig später im Herbst zusammenkam, um noch einmal über ein nationales Abitur zu verhandeln, wurde dem Zentralabitur jedoch eine Absage erteilt. Stattdessen verständigte man sich über die flächendeckende Einführung von sogenannten Bildungsstandards. Jürgen Zöllner, Präsident der Kultusministerkonferenz:

    "Es geht darum, durch Weiterentwicklung der schon vorhandenen Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung diese zu echten Standards weiter zu entwickeln."

    Einigen CDU-regierten Ländern ging die Entscheidung der KMK nicht weit genug: Im April teilten die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen schließlich mit, dass sie sich zu einem sogenannten "Süd-Abitur" zusammen geschlossen hätten.

    Das Südabitur versteht sich als ein Probelauf für ein bundesweites Zentralabitur und soll die Prüfungssysteme der fünf Länder bis zum Jahr 2012 vereinheitlichen. Auch Berlin und Brandenburg streben im Jahr 2010 ein gemeinsames Abitur an. Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz lehnen ein länderübergreifendes Modell aus organisatorischen Gründen ab.