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Auf zum Einwohnermeldeamt

Der Artikel 59 der hessischen Verfassung lautet: "In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, Höheren- und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich." Weil in diesem Jahr die hessische CDU-Landesregierung dennoch ein so genanntes "Studienbeitragsgesetz" beschlossen hat und Studiengebühren von 1000 Euro pro Jahr verlangt, werden nun in Hessen Unterschriften für eine Verfassungsklage gesammelt. Doch die Hürden sind hoch: Damit die Verfassungsklage im Frühjahr eingereicht werden kann, müssen 43.000 Hessen zu ihren Einwohnermeldeämtern gehen und den Klagetext im Beisein eines Beamten unterschreiben. Das macht neue Aktionsformen nötig.

Von Ludger Fittkau | 01.12.2006
    " Ich gehe mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir.
    Gleiche Chancen für alle und darum sind wir hier. "

    Gestern Abend in der Darmstädter Innenstadt. Mehrere hundert Studierende der örtlichen Hochschulen ziehen mit Lampions und Fackeln durch die Straßen.

    Es wird diskutiert, wie man die Passanten dazu bringen könnte, die Verfassungsklage gegen Studiengebühren aktiv zu unterstützen. Zum Beispiel, in dem der Bummel über den Weihnachtsmarkt mit einem Abstecher ins nahe gelegene Einwohnermeldeamt verbunden wird.

    Denn nur unter Aufsicht der kommunalen Beamten ist die Unterschrift gültig, die mehr als 40.000 Landeskinder leisten müssen, damit die Klage beim Hessischen Staatsgerichtshof eingereicht werden kann. Mike Josef vom AStA der Uni Frankfurt ist die studentische Vertrauensperson für die Verfassungsklage:

    " Leider ist die die Sache wirklich sehr kompliziert, weil wir die Menschen wirklich dazu kriegen müssen, zum Einwohnermeldeamt oder zum Bürgeramt zu laufen und dort die Unterschrift wirklich vor den Augen des Sachbearbeiters zu tätigen, sie dann Abstempeln zu lassen und dann das Antragsformular wieder an die jeweiligen Asten bzw. an die Gewerkschaftsbüros zurückzubringen. Und es ist natürlich ein enormer zeitlicher Aufwand. "

    Jochen Nagel, der hessische Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW, die die Verfassungsklage gegen Studiengebühren unterstützt, hält dieses bürokratische Verfahren geradezu für politisch gewollt:

    " Offenkundig soll das auch dazu dienen, dass die Menschen in diesem Lande eben nicht so leicht ihre Rechte in Anspruch nehmen. "

    Dennoch will die GEW ihre 20.000 Mitglieder in den nächsten Monaten dazu bewegen, zum Amt zu gehen und die Klage zu unterstützen. Bei insgesamt 160.000 Studierenden in Hessen würde aber auch schon ein Viertel der von Studiengebühren ummittelbar Betroffenen ausreichen, um die erforderlichen Unterschriften zu bekommen.

    Die Asten wollen deshalb in den nächsten Wochen so genannte Go-ins zu Einwohnermeldeämtern organisieren. Mike Josef:

    " Man trifft sich in der neuen Mensa beispielsweise oder generell in den Mensen und läuft dann zusammen zur Unterschriftsleistung. Oder wir haben auch auf der Homepage www.verfassungsklage-bildung.de die einzelnen Einwohnermeldeämter aufgelistet. Dort kann jeder nachschauen, je nachdem, wo man seinen Erstwohnsitz hat, dort stehen die Einwohnermeldeämter drin mit den Öffnungszeiten und man kann sich auch daran orientieren. "

    Die von Roland Koch geführte CDU-Landesregierung in Wiesbaden muss in den nächsten Monaten abwarten, ob ihr Studienbeitragsgesetz auf diesem Wege gekippt wird. Sie hält das Gesetz für verfassungskonform. Als Argument führt man einen Passus der Landesverfassung an, der bei grundsätzlicher Gebührenfreiheit von Schul- und Hochschulbesuch doch Geldzahlungen ins Spiel bringt:

    " Das Gesetz kann anordnen, dass ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn es die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen gestattet." "

    Für den GEW-Landesvorsitzenden Jochen Nagel stellt jedoch dieser Absatz nicht den hessischen Verfassungsgrundsatz der Gebührenfreiheit in Frage, auf den sich früher auch schon Mitglieder der Familie von Roland Koch berufen hätten:

    " Interessanterweise hat ja bekanntermaßen der Vater von Herrn Koch noch seine Gebührenfreiheit juristisch durchgesetzt beim Studium, da war das Hemd näher als die allgemeine Frage. Von daher gehe ich davon aus, dass das auch heute noch nach wie vor so ist. "

    Auf den Weihnachtsmärkten der hessischen Studentenstädte wird man sich also in den nächsten Wochen an Protestler gewöhnen müssen, die nach dem Glühwein-Genuss zum gemeinsamen Besuch von städtischen Meldeämtern bitten. Und wer zu Weinachten nicht mitmacht, muss damit rechnen, auch noch zu Ostern in Amtsstuben geschickt zu werden - nicht zum Eiersuchen, sondern zum unterschreiben der Verfassungsklage gegen das Studienbeitragsgesetz. Mike Josef vom AStA Frankfurt:

    " Gesetzlich gibt es keine Einschränkungen, aber wir haben uns intern eine Frist von sechs Monaten gesetzt, so das wir im Frühjahr, das heißt entweder Ende April, Anfang Mai die Klage einreichen wollen. "