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Auf zur Umlaufbahn

Zu den die wichtigsten Komponenten der Internationalen Raumstation ISS zählen das Forschungslabor Columbus und der Materialtransporter ATV, der von der Trägerrakete Ariane 5 ins All geschossen wird. Mit beteiligt ist das Bremer Unternehmen Astrium, wo derzeit die Vorarbeiten für den zweiten Start eines ATV im Februar auf Hochtouren laufen.

Von Christina Selzer | 07.01.2011
    Der Besuch beim Raumfahrtunternehmen EADS Astrium in Bremen beginnt mit einem Blick in die Ariane-Produktion. Der Bremer Standortchef Michael Menking führt in eine riesige Halle. Hier wird die Oberstufe der Trägerrakete Ariane 5 gebaut und getestet:

    "Wir sind für die Oberstufe verantwortlich. Das heißt, für die Stufe, die den Satelliten dort platziert, wo er platziert werden muss, um seine Aufgaben zu übernehmen. Wir sind für Produktion verantwortlich. Und bauen sechs bis sieben Oberstufen pro Jahr."

    Dutzende Raumfahrtingenieure in weißen Kitteln und Haarnetzen werkeln in der Halle, steigen auf die Arbeitsbühnen, die wie Ringe um das runde Raketenteil gezogen sind. Sie testen Computersoftware, schrauben an Ventilen. Die europäische Trägerrakete Ariane 5 ist der Stolz der Bremer. Sie wurde im Auftrag der Europäischen Weltraumagentur ESA entwickelt, ist seit 1996 im Einsatz und befördert zum Beispiel Satelliten in die Erdumlaufbahn. Astrium gehört zum Raumfahrtkonzern EADS mit weltweit 17.000 Mitarbeitern. Im Jahr 2009 lag der Umsatz bei 4,8 Milliarden Euro. Am Standort in Bremen arbeiten rund eintausend hochqualifizierte Beschäftigte an verschiedenen Hightech-Produkten der Raumfahrt.

    Dazu gehört auch das europäische Labor Columbus, das Bestandteil der Internationalen Raumstation ISS ist. Astrium in Bremen hat die Federführung für das europäische Gemeinschaftsprojekt. Hier wird Columbus nicht nur gebaut. Die Bremer sind auch dafür verantwortlich, dass die Station betrieben werden kann.

    In Bremen ist ein maßstabsgetreuer Nachbau des Weltraumlabors zu besichtigen. Acht Meter lang ist das zylinderförmige Bauteil und hat einen Durchmesser von viereinhalb Metern. Michael Menking steht in dem engen weißen, fensterlosen Raum:

    "Sie sehen, dass jeder Platz ausgenutzt wird. Im Weltraum gibt es kein oben und unten. Man sieht das nur an Handgriffen, Fußhaltern. Hier haben wir mal ein Konzept einer Dusche entwickelt, das funktioniert natürlich auch nicht wie auf der Erde, dass man sich unter den Duschkopf stellt und meint, nass zu werden. Hier haben wir ein Konzept entwickelt, wie man Feuchtigkeit auf die Haut aufträgt. Aber das gibt es noch nicht auf der Columbus."

    Duschen in der Schwerelosigkeit - noch ist das nicht möglich. Für Astronauten ist der Alltag im beengten Labor auch sonst nicht einfach. Hier machen sie wissenschaftliche Experimente, und dafür benutzen sie sogenannte Handschuhkästen, damit die Gegenstände nicht im Raum schweben.

    Für die Europäer begann die bemannte Raumfahrt erst richtig mit Columbus. Mindestens zehn Jahre lang soll in dem Weltraumlabor geforscht werden.

    Weiter geht die Besichtigungstour in die nächste gigantische Halle. Hier das Automatische Transportfahrzeug ATV hergestellt.

    "Wir befinden uns im Heiligtum. Hier wird das Fahrzeug zusammengebaut, was zur ISS fliegt, das ATV. Hier wird es komplett getestet."

    Transportiert wird mit dem unbenannten Raumschiff alles, was die Astronauten in der Internationalen Raumstation ISS brauchen. Treibstoff, Ersatzteile für das Weltraumlabor Columbus, wissenschaftliche Geräte und sogar Atemluft werden nach oben gebracht. Das ATV versorgt die Station und dient außerdem der Müllentsorgung. Das Raumschiff, das etwa so groß ist wie ein Doppeldecker-Bus, ist mit einem Navigationssystem ausgerüstet. Damit kann es seine Flugbahn selbst berechnen und selbstständig an der Raumstation ISS andocken. Gestartet wird das ATV mit einer Ariane-5-Rakete.

    Michael Menking bleibt vor einem silbrigen trommelartigen Bauteil stehen. Dicke Kabel verbinden Monitore mit dem elektronischen Inneren des Raumschiffs. Die drei Teile des ATV: Das Gehirn, der Antrieb und der Frachtraum müssen miteinander verbunden und als Einheit getestet werden:

    "Das ist das Hirn des ATV, es ist wesentlich komplexer als zum Beispiel bei der Ariane, was daran liegt, dass es mehrfach abgesichert ist, weil es Bestandteil bemannter Raumfahrt ist, aber auch deshalb, weil es automatisch an die Raumstation fliegt und andockt."
    Es ist das größte und komplizierteste Raumschiff, das jemals in Europa gebaut wurde. Rund sechs Monate bleibt es mit der Raumstation verbunden. Anschließend wird es wieder abgekoppelt und über dem Pazifik gezielt zum Absturz gebracht. Dabei verglüht es. Denn das ATV ist ein Einweg-Raumschiff. Doch EADS Astrium in Bremen will ein neues Modell entwickeln, das nicht nur Material ins All bringen, sondern auch wieder auf die Erde zurückkehren kann.

    Am Standort Bremen soll auch in die Weiterentwicklung der Ariane-5-Rakete investiert werden. Ein weiteres Projekt, das in den nächsten Jahren die eintausend Arbeitsplätze in Bremen sichern soll, ist die Erkundung des Mondes. Zurzeit untersuchen die Astrium-Experten, wie ein Fahrzeug konstruiert sein muss, um in einigen Jahren automatisch am Südpol des Mondes landen zu können.