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Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit
Wissenschaftlichkeit oder Dr. Stasi?

Doktortitel als Karrierebeschleuniger - das funktionierte auch so in der ehemaligen DDR. Die Brandenburgischen Grünen streben eine Überprüfung von Arbeiten an, die an Stasi-Hochschulen geschrieben wurden. Sie bezweifeln die Wissenschaftlichkeit und befürchten Fälle, in denen "das Niveau über das eines Abituraufsatzes nicht hinausgeht".

Von Axel Flemming | 25.08.2014
    Aktenschränke in einem Gebäude des früheren Archivs der DDR-Staatssicherheit, aufgenommen am 13.07.2012 in Berlin.
    Bei der angestrebten Überprüfung, träfe es mehr als 400 Dissertationen früherer Stasi-Funktionäre. (picture-alliance / dpa / Soeren Stache)
    Die Juristische Hochschule in Potsdam-Golm ist längst aufgelöst, aus gutem Grund, denn es war die Juristische Hochschule des MfS, des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Wer dort einen Doktortitel erwarb, konnte was werden im Machtapparat der Diktatur. Das durfte nicht jeder, es war nur den treuesten Anhängern des SED-Regimes vorbehalten.
    Über "Die Planung der politisch-operativen Arbeit im MfS" schrieb Gerhard Neiber, Stellvertreter von Stasi-Chef Erich Mielke. Der DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski promovierte mit dem Thema "Zur Bekämpfung der imperialistischen Störtätigkeit auf dem Gebiet des Außenhandels."
    Ein wahrhaft wissenschaftlicher Titel, aber das passt nicht allen:
    "Diese Titel wurden durch den Einigungsvertrag abgesichert, aber wenn man mal genauer hinguckt und feststellen möchte, haben diese Titel überhaupt einen wissenschaftlichen Wert? So wird man mit Sicherheit in vielen Fällen feststellen, dass das Niveau über das eines Abituraufsatzes nicht hinausgeht", sagt Axel Vogel.
    Zweifel an Wissenschaftlichkeit
    Der Fraktionschef von Bündnis 90/die Grünen im Brandenburger Landtag will die Doktortitel deshalb aberkannt wissen, er bezweifelt die Wissenschaftlichkeit der Werke, weil:
    "Viele dieser Arbeiten als Gruppenarbeit verfasst wurden. So also mit einer 43 Seiten umfassenden Arbeit insgesamt vier Stasi-Offiziere jeweils einen Doktortitel summa cum laude erwerben konnten."
    Und ihn auch bis heute führen dürfen. Sollten die von der Stasi-Hochschule verliehenen Doktortitel 25 Jahre nach dem Mauerfall überprüft werden, träfe das mehr als 400 Dissertationen früherer Stasi-Funktionäre.
    Die Grünen streben Überprüfung an
    Die wollen die Grünen mithilfe der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen untersuchen lassen. Das Problem: Dafür gibt es bislang kein Verfahren. Er zieht einen gewagten Ost-West-Vergleich:
    "Wenn die Hochschule von Frau Schavan aufgelöst worden wäre, im Jahr 2005, aus welchen Gründen auch immer, dann hätte gar keine Möglichkeit bestanden, zu prüfen, ob dieser Doktortitel nach den damals gültigen Vorschriften oder wissenschaftlichen Standards zurecht erworben wurde."
    Denn bislang gilt: keine Hochschule - keine Prüfung!
    Hans-Jürgen Scharfenberg, Abgeordneter der Partei Die Linke im Innenausschuss des Brandenburgischen Landtages, war auch mit der Stasi verstrickt; er berichtete von 1978 bis 1985 als inoffizieller Mitarbeiter an das Ministerium für Staatssicherheit über Kollegen, Vorgesetzte und Nachbarn. Seine 270-Seiten-Doktorarbeit schrieb er 1982; allein.
    "Also ich bitte Sie, selbstverständlich!"
    Thema: "Die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung als wichtiger Bestandteil der ideologischen Manipulierung der BRD-Bürger." Allerdings nicht in Golm, sondern an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft, abgekürzt ASR in Potsdam-Babelsberg.
    "Es ist eine Literaturarbeit gewesen, ich bin nie in der Bundesrepublik gewesen, das war auch der Nachteil, und habe sie unter den damaligen Bedingungen auch verteidigt."
    Aktive Politiker mit Doktortitel von der DDR-Elite-Akademie
    An der DDR-Elite-Akademie ASR war Scharfenberg in guter Gesellschaft. Dort studierten Minister, Mitglieder des SED-Zentralkomitees und MfS-Generäle. Dabei auch der erste Potsdamer Nach-Wende-Oberbürgermeister, Horst Gramlich (SPD), der brandenburgische Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU), aber auch der jetzige sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU).
    Auch die ASR gibt es nicht mehr, aber immerhin einen Rechtsnachfolger: die Uni Potsdam. Will der Grüne Axel Vogel diese Titel auch aberkennen lassen?
    "Ich kann mir vorstellen, dass im Rahmen der kritischen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, es eine solche Überprüfung geben könnte. Man kann sie nicht erzwingen, aber ich denke die Hochschule müsste vielleicht selber ein Interesse daran haben eine solche Überprüfung durchzuführen!"