Heute morgen waren wir von der srilankischen Hauptstadt Colombo in einem klimatisierten japanischen Kleinbus nach Norden aufgebrochen. Nun sind wir nach einer halsbrecherischen Fahrt mit einigen Beinahe-Zusammenstößen und einer Polizeikontrolle am neuen Busbahnhof in unserem Zielort Anuradhapura eingetroffen.
Anuradhapura müssen wir uns unbedingt anschauen. Denn das antike Anuradhapura, das westlich vom neuzeitlichen Anuradhapura liegt, ist das Angkor Wat von Sri Lanka. Seit dem vierten Jahrhundert vor Christus hatten buddhistische Könige hier ihren Regierungssitz. Und mit ihnen lebten bis zu 5000 buddhistische Mönche in einer riesigen Stadt. Als Jesus lebte, war Anuradhapura die achtgrößte Stadt der Welt! Jedoch setzten tamilische Heere aus Indien kommend dem srilankischen König derart zu, dass er sich mit Gefolge nach Südosten zurückziehen musste. Seit dem sechsten Jahrhundert versank Anuradhapura im Dschungel und wurde erst im neunzehnten Jahrhundert wieder ausgegraben und erforscht. Die neue Betriebsamkeit ließ ein modernes Anuradhapura neben dem alten entstehen.
Kaum haben wir unseren Kleinbus verlassen, da nehmen uns schon fliegende Händler und nette Onkels, die uns helfen wollen – für ein paar srilankische Rupies natürlich –ins Visier. Da hilft nur: jeden Blickkontakt vermeiden. Nie stehen bleiben. Mit festem Schritt deutlich machen, dass man ganz genau weiß, wo man hin will. Unten am See, am Ostrand der Neustadt von Anuradhapura, fängt uns Gamini mit dem Fahrrad ab. Gamini: ein schlanker Mann um die Fünfzig. Er verdient sein Geld als Postbote, sagt er. Jetzt hat er Feierabend und kann uns gerne bei der Suche nach einer Herberge behilflich sein. Wir bedanken uns und suchen selber nach einer Herberge.
Das Etablissement, das wir aufsuchen, entpuppt sich jedoch schnell als schäbiges Stundenhotel. Da es schon dunkel ist und wir müde sind, ergeben wir uns in unser Schicksal, und das heißt: Gamini, der Postbote. Und so führt uns Gamini ganz selbstlos zu einem neu erbauten Gasthaus. Nun, das Gasthaus kostet einiges mehr, als wir eigentlich ausgeben wollten.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf zu den antiken Tempelanlagen der versunkenen Königsstadt Anuradhapura. Das Gelände der einstmals achtgrößten Stadt der Welt ist riesig groß, und zu Fuß kaum abzulaufen. Nun ist uns aber auch klar, dass unser Geist nur begrenzt aufnahmefähig ist. Wenn wir uns also auf einige imposante Gebäude konzentrieren, haben wir wohl mehr davon, als wenn wir alle Baukolosse dieser Wunderstadt eilig abklappern.
Spiritueller Mittelpunkt des antiken Anuradhapura ist der Buddhabaum. Der Bodhibaum soll ein direkter Abkömmling jenes Pappelfeigenbaums sein, unter dem Religionsgründer Gautama Buddha in Südindien seine Erleuchtung für das Nirwana fand. Eine Tochter des Buddhistenkaisers Ashoka brachte jenen Setzling des Erleuchtungsbaums nach Sri Lanka, und nun wächst und gedeiht die Pappelfeige hier in Anuradhapura sage und schreibe schon seit 2300 Jahren.
Es rührt uns an, dass ein Baum das spirituelle Zentrum einer Religionsgemeinschaft darstellt. Die Srilanker lieben ihre geheiligten Pappelfeigen. Alte Frauen begießen den Boden um die Wurzeln regelmäßig. Polizisten beschützen das Heiligtum aufmerksam, aber unaufdringlich. Denn ein christlicher Eiferer versuchte in den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, den Buddhabaum zu zerstören.
Unter seinem Segen spendenden Schatten befindet sich eine kleine Kapelle, ein Gebetsschrein. Ständig kommen Leute, bringen Räucherkerzen, Tücher oder Früchte mit, die sie als Opfergaben auf den Altar legen. Jeder murmelt seine eigenen Gebetsformeln, Mütter nehmen die Hände ihrer Kinder und lassen sie den heiligen Schrein berühren, damit etwas von der Aura des Erleuchtungsbaums auf sie übergehen möge. Wir treffen den buddhistischen Mönch
"Ich bin Bante Demanande."
Unser Mönch trägt den obligatorischen orangefarbenen Umhang. Die Haare hat er aber nicht geschoren. Strähnen hängen in die fliehende Stirn. Bante war schon öfter zu Studienzwecken in Deutschland. Darum kann er uns auch das Eine oder Andere erklären. Zum Beispiel: Was machen die Leute hier am Bodhibaum-Schrein?
"Es gibt verschiedene Gründe, zum Beispiel für eine Person, um eine gute Ernte zu bekommen. Andere Personen bitten, Krankheiten oder andere Schwierigkeiten zu beseitigen. Gemäß der buddhistischen Kultur kann jeder nach seiner Vorstellung am Bodhibaum an den Ritualen teilnehmen, um sodann Segen zu bekommen. Je nach eigenen Wünschen."
Sri-lankische Familien schauen am Wochenende hier vorbei am Buddhaschrein. Der Buddhabaum ist aber auch erste Station einer Pilgerreise für Buddhisten. Danach besucht der Pilger acht heilige Stupas, oder, wie man in Sri Lanka sagt: Dagobas. Und auch wir pilgern zu den nächstgelegenen Dagobas. Dagobas, oder Stupas: das sind riesige, kreisrunde Erdhaufen, in denen sich eine von jenen 84.000 Aschenresten des erleuchteten Gautama Buddha befinden, die der buddhistische Großkaiser Ashoka einst an die gläubigen Gemeinden zu verteilen wusste. Umkleidet sind die Reliquienhalbkugeln mit weiß verputzten Ziegelsteinen. Die größte Dagoba in Anuradhapura ist die "Ruwanweliseye"-Dagoba. Wie eine gigantische weibliche Brust strahlt sie gegen den leider schon wieder von drohenden Regenwolken verhangenen Himmel. Wir umschreiten den großräumigen Vorplatz. 2000 Steinelefanten schauen uns zu. Auf einem Altarschrein hat sich ein Affe niedergelassen, und verspeist in aller Ruhe die essbaren Opfergaben der Gläubigen.
Apropos Affen: Sie stellen heute die größte Einwohnerschaft des antiken Anuradhapura. Sie hocken auf allen möglichen Heiligtümern. Als meine Frau einer Affenmutter mit ihrem Jungen eine Banane geben will, springt von der Seite ganz ungalant ein Affenmännchen, und klaut der Affenmutter die Banane, und fordert sodann ganz kackfrech von uns noch mehr Bananen. Uns bleibt nur der geordnete Rückzug. Wir sehen vor uns dicht an dicht viereckige Steinsäulen. Auf den Steinsäulen ruhte früher ein großes Dach. Hier war damals das Refektorium, oder weltlicher ausgedrückt: der Speisesaal, in dem jeden Tag 3000 Mönche verköstigt wurden. Was weiß unser Freund Bante über seine antiken Kollegen zu berichten?
"Dies ist die 'Lomam Habaye'. Eine Tempelanlage für dreitausend Mönche. Das war eine Klosteruniversität sozusagen, wo die Mönche gelernt haben, studiert haben, und auch zusammen die buddhistische Lehre debattiert haben. Und zwischen dem fünften und siebten Jahrhundert sind auch die Mönche anderer buddhistischer Traditionen aus Indien und China nach Sri Lanka gekommen. Weil Anuradhapura war ein internationales buddhistisches Zentrum."
Anuradhapura: ein weit in die Welt wirkendes Zentrum buddhistischer Gelehrsamkeit. Und die Mönche lebten außerordentlich komfortabel. Wir sehen die Überreste einer Art von Appartmenthäusern. In jedem Häuschen lebten zwei Mönche. Sehr modern war in Anuradhapura auch die Kanalisation. Ganz Anuradhapura ist durchzogen von technisch ausgefuchsten Rohrsystemen. Diese Rohre stehen in Verbindung zu den beiden im Westen angelegten großen Seen, dem Bassawakulama Wewa und dem Tissa Wewa. Eine komplette Zisterne ist zu bewundern. Und die Mönche konnten sich jeden Tag rituell reinigen oder auch nur mal ganz locker in Swimming Pools baden. Die Zwillingsbäder Kuttam Pokuna sind noch sehr gut erhalten. Das größere der beiden Becken umfasst 40 mal 15 Meter und ist vier Meter 30 tief. Allerdings hat schon lange keiner mehr darin gebadet. Das Wasser ist grün von Algen und eine einsame Schildkröte ist über und über bedeckt mit Algen.
Und immer wieder stehen am Wegesrand improvisierte Zelte, wo Händler Erfrischungsgetränke und Souvenir-Schnickschnack feilbieten. Ich lasse mich in einem der Zelte nieder, und bestelle Kaffee. Die Leute in dem Zelt wirken sehr arm und zerlumpt. Sie sind etwas überrascht, dass sich ein Europäer in ihr Zelt setzt. Schnell werden Töpfe herumgeschoben, hinderliche Gegenstände in dem völlig überstopften Kiosk weg getragen. Als ich sehe, wie sie den Kaffee in fettigen ungewaschenen Töpfen kochen und mit verdreckten Lappen herumwischen, verbietet mir dennoch die Höflichkeit, das Zelt fluchtartig wieder zu verlassen. Irgendwie will ich auch wissen, wie die Armut in der Dritten Welt schmeckt.
Wir gehen weiter und gelangen erneut zu einem besonders bewachten und eingehegten Platz. Im Inneren dieser Grünanlage befindet sich das Juwel von Anauradhapura: Unter einem Dach wohnt eine unscheinbare Buddha-Statue. Schon leicht abgeschliffen über die vielen Jahrhunderte. Es handelt sich um den Samadhi Buddha. Hier ruht Buddha nach seiner Erleuchtung in sich - im Lotussitz.
Der Samadhi Buddha ist uralt. Er wurde im vierten Jahrhundert vor Christus gemeißelt, und er atmet einen deutlich anderen Geist als die späteren, mit Nippes überladenen Buddhastatuen. Der Gesichtsausdruck nimmt uns gefangen. Einen solchen Geist von Ruhe, Frieden und Abgeklärtheit so unmittelbar und schmucklos zu übermitteln – das ist wahre Kunst!
Wir verweilen lange vor diesem Monument unverfälschter Spiritualität. Doch mittlerweile ist es früher Abend geworden. Wir haben genug gesehen. Wir sind noch ganz angefüllt vom Charme dieser versunkenen Geisteswelt. Doch als wir auf der Autobrücke sind, die das antike Anuradhapura vom lärmenden Neuzeit-Anuradhapura trennt, holt uns die gnadenlose Eile des 21. Jahrhunderts schnell wieder ein.
Anuradhapura müssen wir uns unbedingt anschauen. Denn das antike Anuradhapura, das westlich vom neuzeitlichen Anuradhapura liegt, ist das Angkor Wat von Sri Lanka. Seit dem vierten Jahrhundert vor Christus hatten buddhistische Könige hier ihren Regierungssitz. Und mit ihnen lebten bis zu 5000 buddhistische Mönche in einer riesigen Stadt. Als Jesus lebte, war Anuradhapura die achtgrößte Stadt der Welt! Jedoch setzten tamilische Heere aus Indien kommend dem srilankischen König derart zu, dass er sich mit Gefolge nach Südosten zurückziehen musste. Seit dem sechsten Jahrhundert versank Anuradhapura im Dschungel und wurde erst im neunzehnten Jahrhundert wieder ausgegraben und erforscht. Die neue Betriebsamkeit ließ ein modernes Anuradhapura neben dem alten entstehen.
Kaum haben wir unseren Kleinbus verlassen, da nehmen uns schon fliegende Händler und nette Onkels, die uns helfen wollen – für ein paar srilankische Rupies natürlich –ins Visier. Da hilft nur: jeden Blickkontakt vermeiden. Nie stehen bleiben. Mit festem Schritt deutlich machen, dass man ganz genau weiß, wo man hin will. Unten am See, am Ostrand der Neustadt von Anuradhapura, fängt uns Gamini mit dem Fahrrad ab. Gamini: ein schlanker Mann um die Fünfzig. Er verdient sein Geld als Postbote, sagt er. Jetzt hat er Feierabend und kann uns gerne bei der Suche nach einer Herberge behilflich sein. Wir bedanken uns und suchen selber nach einer Herberge.
Das Etablissement, das wir aufsuchen, entpuppt sich jedoch schnell als schäbiges Stundenhotel. Da es schon dunkel ist und wir müde sind, ergeben wir uns in unser Schicksal, und das heißt: Gamini, der Postbote. Und so führt uns Gamini ganz selbstlos zu einem neu erbauten Gasthaus. Nun, das Gasthaus kostet einiges mehr, als wir eigentlich ausgeben wollten.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf zu den antiken Tempelanlagen der versunkenen Königsstadt Anuradhapura. Das Gelände der einstmals achtgrößten Stadt der Welt ist riesig groß, und zu Fuß kaum abzulaufen. Nun ist uns aber auch klar, dass unser Geist nur begrenzt aufnahmefähig ist. Wenn wir uns also auf einige imposante Gebäude konzentrieren, haben wir wohl mehr davon, als wenn wir alle Baukolosse dieser Wunderstadt eilig abklappern.
Spiritueller Mittelpunkt des antiken Anuradhapura ist der Buddhabaum. Der Bodhibaum soll ein direkter Abkömmling jenes Pappelfeigenbaums sein, unter dem Religionsgründer Gautama Buddha in Südindien seine Erleuchtung für das Nirwana fand. Eine Tochter des Buddhistenkaisers Ashoka brachte jenen Setzling des Erleuchtungsbaums nach Sri Lanka, und nun wächst und gedeiht die Pappelfeige hier in Anuradhapura sage und schreibe schon seit 2300 Jahren.
Es rührt uns an, dass ein Baum das spirituelle Zentrum einer Religionsgemeinschaft darstellt. Die Srilanker lieben ihre geheiligten Pappelfeigen. Alte Frauen begießen den Boden um die Wurzeln regelmäßig. Polizisten beschützen das Heiligtum aufmerksam, aber unaufdringlich. Denn ein christlicher Eiferer versuchte in den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, den Buddhabaum zu zerstören.
Unter seinem Segen spendenden Schatten befindet sich eine kleine Kapelle, ein Gebetsschrein. Ständig kommen Leute, bringen Räucherkerzen, Tücher oder Früchte mit, die sie als Opfergaben auf den Altar legen. Jeder murmelt seine eigenen Gebetsformeln, Mütter nehmen die Hände ihrer Kinder und lassen sie den heiligen Schrein berühren, damit etwas von der Aura des Erleuchtungsbaums auf sie übergehen möge. Wir treffen den buddhistischen Mönch
"Ich bin Bante Demanande."
Unser Mönch trägt den obligatorischen orangefarbenen Umhang. Die Haare hat er aber nicht geschoren. Strähnen hängen in die fliehende Stirn. Bante war schon öfter zu Studienzwecken in Deutschland. Darum kann er uns auch das Eine oder Andere erklären. Zum Beispiel: Was machen die Leute hier am Bodhibaum-Schrein?
"Es gibt verschiedene Gründe, zum Beispiel für eine Person, um eine gute Ernte zu bekommen. Andere Personen bitten, Krankheiten oder andere Schwierigkeiten zu beseitigen. Gemäß der buddhistischen Kultur kann jeder nach seiner Vorstellung am Bodhibaum an den Ritualen teilnehmen, um sodann Segen zu bekommen. Je nach eigenen Wünschen."
Sri-lankische Familien schauen am Wochenende hier vorbei am Buddhaschrein. Der Buddhabaum ist aber auch erste Station einer Pilgerreise für Buddhisten. Danach besucht der Pilger acht heilige Stupas, oder, wie man in Sri Lanka sagt: Dagobas. Und auch wir pilgern zu den nächstgelegenen Dagobas. Dagobas, oder Stupas: das sind riesige, kreisrunde Erdhaufen, in denen sich eine von jenen 84.000 Aschenresten des erleuchteten Gautama Buddha befinden, die der buddhistische Großkaiser Ashoka einst an die gläubigen Gemeinden zu verteilen wusste. Umkleidet sind die Reliquienhalbkugeln mit weiß verputzten Ziegelsteinen. Die größte Dagoba in Anuradhapura ist die "Ruwanweliseye"-Dagoba. Wie eine gigantische weibliche Brust strahlt sie gegen den leider schon wieder von drohenden Regenwolken verhangenen Himmel. Wir umschreiten den großräumigen Vorplatz. 2000 Steinelefanten schauen uns zu. Auf einem Altarschrein hat sich ein Affe niedergelassen, und verspeist in aller Ruhe die essbaren Opfergaben der Gläubigen.
Apropos Affen: Sie stellen heute die größte Einwohnerschaft des antiken Anuradhapura. Sie hocken auf allen möglichen Heiligtümern. Als meine Frau einer Affenmutter mit ihrem Jungen eine Banane geben will, springt von der Seite ganz ungalant ein Affenmännchen, und klaut der Affenmutter die Banane, und fordert sodann ganz kackfrech von uns noch mehr Bananen. Uns bleibt nur der geordnete Rückzug. Wir sehen vor uns dicht an dicht viereckige Steinsäulen. Auf den Steinsäulen ruhte früher ein großes Dach. Hier war damals das Refektorium, oder weltlicher ausgedrückt: der Speisesaal, in dem jeden Tag 3000 Mönche verköstigt wurden. Was weiß unser Freund Bante über seine antiken Kollegen zu berichten?
"Dies ist die 'Lomam Habaye'. Eine Tempelanlage für dreitausend Mönche. Das war eine Klosteruniversität sozusagen, wo die Mönche gelernt haben, studiert haben, und auch zusammen die buddhistische Lehre debattiert haben. Und zwischen dem fünften und siebten Jahrhundert sind auch die Mönche anderer buddhistischer Traditionen aus Indien und China nach Sri Lanka gekommen. Weil Anuradhapura war ein internationales buddhistisches Zentrum."
Anuradhapura: ein weit in die Welt wirkendes Zentrum buddhistischer Gelehrsamkeit. Und die Mönche lebten außerordentlich komfortabel. Wir sehen die Überreste einer Art von Appartmenthäusern. In jedem Häuschen lebten zwei Mönche. Sehr modern war in Anuradhapura auch die Kanalisation. Ganz Anuradhapura ist durchzogen von technisch ausgefuchsten Rohrsystemen. Diese Rohre stehen in Verbindung zu den beiden im Westen angelegten großen Seen, dem Bassawakulama Wewa und dem Tissa Wewa. Eine komplette Zisterne ist zu bewundern. Und die Mönche konnten sich jeden Tag rituell reinigen oder auch nur mal ganz locker in Swimming Pools baden. Die Zwillingsbäder Kuttam Pokuna sind noch sehr gut erhalten. Das größere der beiden Becken umfasst 40 mal 15 Meter und ist vier Meter 30 tief. Allerdings hat schon lange keiner mehr darin gebadet. Das Wasser ist grün von Algen und eine einsame Schildkröte ist über und über bedeckt mit Algen.
Und immer wieder stehen am Wegesrand improvisierte Zelte, wo Händler Erfrischungsgetränke und Souvenir-Schnickschnack feilbieten. Ich lasse mich in einem der Zelte nieder, und bestelle Kaffee. Die Leute in dem Zelt wirken sehr arm und zerlumpt. Sie sind etwas überrascht, dass sich ein Europäer in ihr Zelt setzt. Schnell werden Töpfe herumgeschoben, hinderliche Gegenstände in dem völlig überstopften Kiosk weg getragen. Als ich sehe, wie sie den Kaffee in fettigen ungewaschenen Töpfen kochen und mit verdreckten Lappen herumwischen, verbietet mir dennoch die Höflichkeit, das Zelt fluchtartig wieder zu verlassen. Irgendwie will ich auch wissen, wie die Armut in der Dritten Welt schmeckt.
Wir gehen weiter und gelangen erneut zu einem besonders bewachten und eingehegten Platz. Im Inneren dieser Grünanlage befindet sich das Juwel von Anauradhapura: Unter einem Dach wohnt eine unscheinbare Buddha-Statue. Schon leicht abgeschliffen über die vielen Jahrhunderte. Es handelt sich um den Samadhi Buddha. Hier ruht Buddha nach seiner Erleuchtung in sich - im Lotussitz.
Der Samadhi Buddha ist uralt. Er wurde im vierten Jahrhundert vor Christus gemeißelt, und er atmet einen deutlich anderen Geist als die späteren, mit Nippes überladenen Buddhastatuen. Der Gesichtsausdruck nimmt uns gefangen. Einen solchen Geist von Ruhe, Frieden und Abgeklärtheit so unmittelbar und schmucklos zu übermitteln – das ist wahre Kunst!
Wir verweilen lange vor diesem Monument unverfälschter Spiritualität. Doch mittlerweile ist es früher Abend geworden. Wir haben genug gesehen. Wir sind noch ganz angefüllt vom Charme dieser versunkenen Geisteswelt. Doch als wir auf der Autobrücke sind, die das antike Anuradhapura vom lärmenden Neuzeit-Anuradhapura trennt, holt uns die gnadenlose Eile des 21. Jahrhunderts schnell wieder ein.