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Auferstanden aus Ruinen

Die vierhundert Jahre alte Moritzburg in Halle, einst erzbischöfliche Residenz, wird seit 1904 als städtisches Kunstmuseum genutzt. Zu DDR-Zeit verfiel das Gebäude mehr und mehr, sodass das Gebäude für mehr als 18 Millionen Euro renoviert und umgebaut werden musste. Bundespräsident Horst Köhler eröffnete die neu renovierte Moritzburg, welche Kunstschätzen nun noch mehr Platz bietet.

Von Carsten Probst |
    Wer die Moritzburg vor vier Jahren gesehen hat, kann heute nur staunen. Damals war der Westflügel eine langgezogene Ruine, in die von oben die Sonne schien, und die mittelalterlichen und historischen Ausstellungsräume darum herum lagen in einem schweren Dämmerschlaf. Die ganze Anlage schien versunken und nicht mehr ganz von dieser Welt.

    "Ich denke, heute ist wirklich eine Sternstunde für die Moritzburg, für die Burg, aber auch für das Museum, das nach hundert Jahren erstmals die ganze Moritzburg bespielen kann."

    Katja Schneider, die Direktorin der Burg, könnte also Recht haben. Das spanische Architektenpaar Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano ist bekannt für seine spezielle Stilmischung aus einem edlen, bisweilen dramatischen Naturalismus und streng minimalistischen Formen. So haben sie es beispielsweise auch bei ihren bisher wohl bekanntesten Projekten, dem Meeresmuseum auf Gran Canaria und dem Kunstzentrum der Stadt Cordoba gehalten. Die verwitterte Ruine der Moritzburg kam ihnen offenbar gelegen. Denn im Ergebnis haben die beiden nun das vierhundert Jahre alte, knorrige Mauerwerk zu einer Art Felsenlandschaft umgedeutet, aus der nun wie eine abstrakte Frucht die kristallinen und geraden Linien eines Neubaus mit viel Glas und Aluminium herauswachsen.

    Die historische Metapher dahinter ist nicht zu übersehen und setzt sich auch im Inneren fort. Dort sind in die einstige Ruine über eine Stahlkonstruktion von oben weiße, begehbare Kuben in die Weite des Raumes gehängt, und an den rustikalen Ruinenwänden laufen strenge, feine Emporenbänder rundherum, so dass auch hier der Raum die Blickachsen schafft, als wäre wolle er sich mit der Landschaft darum herum, der er sich ab und zu mit Panoramafenstern öffnet, vereinigen.

    "Ich hab zum Beispiel gelernt das schöne Wort "Strumpfbandinjektion", da geht einem die Fantasie durch, in Wirklichkeit ist es aber nur die Stabilisierung eines vierhundert Jahre alten Mauerwerkes, von dem statisch nicht sicher war, ob es die eingehängte Box wirklich tragen würde. In der naiven Anschauung eines Laien schaut man sich diese vier Meter dicken Wände an und sagt: Na klar! Aber wenn man weiß, wie diese Wand strukturiert ist und was im Inneren und im Äußeren ist, dann merkt man, dass es tatsächlich genauestens berechnet sein muss und dass man es stabilisieren muss."

    So berichtet Jan-Hendrik Olbertz, Landeskulturminister und eine treibende Kraft hinter dieser wahrlich spektakulären und nicht krisenfreien Verwandlung der Moritzburg in den letzten Jahren. Die Begeisterung und das Erstaunen über diesen Wurf ist den Hallensern anzumerken. Man möchte als Museum wieder ernst genommen werden, und da passt es gut, dass der Kunstsammler Hermann Gerlinger zufällig ein Haus für seine reiche Expressionisten-Sammlung aus dem Umkreis der "Brücke" suchte. Mit Gerlinger gelingt der Verweis auf die massiven Verluste, die die von Max Sauerlandt einst zu internationalem Rang geführte Moritzburg während der Nazizeit hinnehmen musste, weil ihre Bilder als entartet galten.

    Doch mit Ausnahme eines grandiosen Konvolutes von Arbeiten des Dresdner Konstruktivisten Hermann Glöckner lässt der Rest der Moritzburgsammlung erahnen, wie sehr das Haus den Anschluss an die Kunst nach 1945 verpasst hat. Architektonisch, als Geste nach außen, hat sich die Moritzburg nun ein neues Profil zugelegt. Künstlerisch, als Museum, wird sie diesen Anspruch, auch für die heutige Zeit zu stehen, erst noch untermauern müssen, vor allem durch die Berufung entsprechenden Personals.