Ausgerechnet: ein Stummfilm über Schiller, den wortgewaltigsten Autor überhaupt. Die Akteure reden, was das Zeug hält - aber man kann sie nicht hören. Ein Kuriosum also? Keinesfalls. Schon bei seiner ersten Filmregie reizte der als Schauspieler und Autor stummfilmerfahrene Curt Goetz alle gestischen und mimischen Möglichkeiten des Schnatterns, Plapperns, Auffahrens, Wütens, der Beschleunigung und Verlangsamung und - der Kameraführung und Schnitt-Technik aus. Und so stellt sich das eigentümliche Phänomen ein, dass das sprachlose, ausgebleichte, teilweise überbelichtete und Schlieren durchzogene, trotz aller konservatorischen Bemühungen um das lange in Moskau gelagerte, stellenweise brüchige, grobkörnige Material aus der Flimmerkiste der 20iger Jahre die Dinge bestürzend plastisch auf den Punkt bringt - fast wie beim großen Eisenstein.
Gerade die grobe, grelle Optik, der Zwang zu Verkürzungen, die kontrastierende Schwarz-Weiß-Malerei, gleichsam eine Art Comic im Schelldurchlauf bringen die bedrückende Enge von Schillers Erziehungs- und Lebenswelt zur Kenntlichkeit, die sonst psychologisch oft so nuanciert und im ideen-geschichtlich Allgemeinen schwelgend vermittelt wird, dass man kaum mehr klare Linien sieht. Wenn sich der Herzog wie eine gigantische, böse dräuende Dickens-Figur über den Knaben beugt und ihm eines seiner überväterlichen Drohwörter ins Ohr raunt, verdichtet sich dieser Effekt auf der Großleinwand auf der Stuttgarter Schauspielbühne zur Bild- und Klanggebärde.
Kintopp und Bühne, Kintopp auf der Bühne - in Stuttgart kommt es zu reizvollen medialen Doppeleffekten, wenn Schillers Jugend in bewegten Bildern von der Klippschule bis zur Fürstenkabale, vom Triumph der "Räuber" bis zur Schmach der Flucht in acht musikalisch akzentuierten Film-Akten zur Wiederaufführung nach 82 Jahren kommt. Dabei erweist sich sogar als Glücksfall, dass die Partitur der im Stummfilm-Normalfall die Affekte nur illustrierenden Originalmusik verloren ist. An der Stuttgarter Musikhochschule entstand eine neue Filmmusik. Drei Schlagwerke, eingespielte höfische Musikelemente und das Geräusch von Sprache übersetzen und verstärken das, worum es in einem Augenblick, in den schnell wechselnden, kontrastierenden Szenen geht - um Klang gebärden.
Nicht nur die bedrängende Präsenz des fürstlichen Film-Bösewichts als Landesvater tritt anschaulicher als in vielen Biographien zu Tage. Von harten Percussionsschlägen begleitet vergrößern sich unter der Lupe der Filmbilder die Unerbittlichkeit und Wucht der gleichermaßen gezierten wie gnadenlosen Rituale des Hofes ins Bedrohliche. Die makabre und menschenverachtende Gleichmacherei der württembergischen "Pflanzschule" erscheint als Legebatterie von uniformierten Aufklärungsklonen: Antreten in militärischer Formation, vom Essen bis zum Schlafengehen.
Die alte Flimmerkiste als ideologiekritische Feinoptik. Man ist versucht, an Walter Benjamins Idee der Transparenz des Mediums im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit von Kunst zu denken. Und wer hätte bei der Ankündigung dieser Ausgrabungs-Sensation zum Schillerjahr erwartet, dass der in den Inflationsjahren 1922/23 mit Theaterkostümen an Stuttgarter Original-Schauplätzen gedrehte Stummfilm dem üblichen national und pathetisch getönten Schiller-Bild nicht auf den Leim geht: Kostüme - aber kein Kostümschinken; Ironie statt Heroenschwärmerei. Die 100 Minuten Filmgeschichte werden zu einem ebenso vergnüglichen wie anrührenden ironischen Spektakel:
Bilduntertitelungen, halbverwehte Schillerzitate und Dialogbrocken aus den frühen Stücken schaffen eine akustische und visuelle Annäherung an eine Fiktion - ohne dem Sog des "Mythos Schiller" zu erliegen. Dafür kann man in biographischen Szenen das Erfahrungspotenzial nachvollziehen, das den "Räubern", dem "Fiesco", der "Kabale", ja noch dem "Don Carlos" zugrunde liegt, kann regelrecht spüren, wie da einer auf Elend, Druck, Heuchelei, Denunziation und Einfalt redend und schreibend ins Rebellieren kommt, zwangsläufig kommen muss.
Gerade die grobe, grelle Optik, der Zwang zu Verkürzungen, die kontrastierende Schwarz-Weiß-Malerei, gleichsam eine Art Comic im Schelldurchlauf bringen die bedrückende Enge von Schillers Erziehungs- und Lebenswelt zur Kenntlichkeit, die sonst psychologisch oft so nuanciert und im ideen-geschichtlich Allgemeinen schwelgend vermittelt wird, dass man kaum mehr klare Linien sieht. Wenn sich der Herzog wie eine gigantische, böse dräuende Dickens-Figur über den Knaben beugt und ihm eines seiner überväterlichen Drohwörter ins Ohr raunt, verdichtet sich dieser Effekt auf der Großleinwand auf der Stuttgarter Schauspielbühne zur Bild- und Klanggebärde.
Kintopp und Bühne, Kintopp auf der Bühne - in Stuttgart kommt es zu reizvollen medialen Doppeleffekten, wenn Schillers Jugend in bewegten Bildern von der Klippschule bis zur Fürstenkabale, vom Triumph der "Räuber" bis zur Schmach der Flucht in acht musikalisch akzentuierten Film-Akten zur Wiederaufführung nach 82 Jahren kommt. Dabei erweist sich sogar als Glücksfall, dass die Partitur der im Stummfilm-Normalfall die Affekte nur illustrierenden Originalmusik verloren ist. An der Stuttgarter Musikhochschule entstand eine neue Filmmusik. Drei Schlagwerke, eingespielte höfische Musikelemente und das Geräusch von Sprache übersetzen und verstärken das, worum es in einem Augenblick, in den schnell wechselnden, kontrastierenden Szenen geht - um Klang gebärden.
Nicht nur die bedrängende Präsenz des fürstlichen Film-Bösewichts als Landesvater tritt anschaulicher als in vielen Biographien zu Tage. Von harten Percussionsschlägen begleitet vergrößern sich unter der Lupe der Filmbilder die Unerbittlichkeit und Wucht der gleichermaßen gezierten wie gnadenlosen Rituale des Hofes ins Bedrohliche. Die makabre und menschenverachtende Gleichmacherei der württembergischen "Pflanzschule" erscheint als Legebatterie von uniformierten Aufklärungsklonen: Antreten in militärischer Formation, vom Essen bis zum Schlafengehen.
Die alte Flimmerkiste als ideologiekritische Feinoptik. Man ist versucht, an Walter Benjamins Idee der Transparenz des Mediums im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit von Kunst zu denken. Und wer hätte bei der Ankündigung dieser Ausgrabungs-Sensation zum Schillerjahr erwartet, dass der in den Inflationsjahren 1922/23 mit Theaterkostümen an Stuttgarter Original-Schauplätzen gedrehte Stummfilm dem üblichen national und pathetisch getönten Schiller-Bild nicht auf den Leim geht: Kostüme - aber kein Kostümschinken; Ironie statt Heroenschwärmerei. Die 100 Minuten Filmgeschichte werden zu einem ebenso vergnüglichen wie anrührenden ironischen Spektakel:
Bilduntertitelungen, halbverwehte Schillerzitate und Dialogbrocken aus den frühen Stücken schaffen eine akustische und visuelle Annäherung an eine Fiktion - ohne dem Sog des "Mythos Schiller" zu erliegen. Dafür kann man in biographischen Szenen das Erfahrungspotenzial nachvollziehen, das den "Räubern", dem "Fiesco", der "Kabale", ja noch dem "Don Carlos" zugrunde liegt, kann regelrecht spüren, wie da einer auf Elend, Druck, Heuchelei, Denunziation und Einfalt redend und schreibend ins Rebellieren kommt, zwangsläufig kommen muss.