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Aufklärung von Schüler zu Schüler

Kichernde Kinder und nervöse Lehrer: Das ist das Bild, das man sich von einer Schulklasse im Sexualkunde-Unterricht macht. Wie es moderner geht, will die Hauptschule "Baumheide" in Bielefeld zeigen. Hier gibt es sogenannten "Peer-to-peer"-Sexualkundeunterricht.

Von Björn Haubrok | 28.09.2013
    Dijana und Vami sind 17 Jahre alt und gehen in die achte Klasse der Hauptschule Baumheide. In regelmäßigen Abständen besuchen sie andere Klassen, um mit ihrem Mitschülern über Liebe und Sex zu sprechen. Er redet mit den Jungs; sie mit den Mädchen: Diese Trennung ist sinnvoll, denn je nach Geschlecht gibt es andere Fragen.

    Vami: "Wie man verhütet? Wann man das erste Mal haben sollte? Weil die denken, man muss da bestimmt 14, 15, 16 sein. Das sind so die Themen, die die Schüler am meisten Interessieren."

    Dijana: "Also die Mädchen sind sehr zurückhaltend. Auch wenn es um so was geht, dann mehr um die Periode und um Liebeskummer. Die schämen sich davor, allgemein das Thema Sex, und kichern dann in der Ecke."

    Im Gespräch mit den Schülern stellen die beiden Schulerberater schnell fest: Sie müssen nicht bei "null" anfangen. Viele Schüler haben mit 13 oder 14 schon viel über Liebe und Sex gelesen und kennen teilweise sogar Pornofilme aus dem Internet. Mit klassischen Verhütungsmitteln sind sie dagegen nicht unbedingt vertraut. Auch Schülerberater Vami musste vor seinem ersten Einsatz zum Thema Diaphragma bei sich selbst noch Wissenslücken schließen:

    "Diese Verhütung für Frauen, von der habe ich noch nie was gehört. Also das kannte ich auch noch nicht. Als ich dann diese Teile gesehen habe, diese Gegenstände, da habe ich erst mal gedacht, das sie aus wie ein Spielzeug, oder so was. Da dachte ich nicht, das ist für so was gedacht."

    Die Gespräche in der Schulklasse sind vertraulich und die Schüler sind ganz unter sich. Ein Erwachsener ist nicht dabei. Ganz bewusst nicht. Schulklassen oder Biolehrer können die beiden Schüler über die Sozialarbeiterin der Schule anfragen. Vami und Dijana haben eine Ausbildung bei der "Pro Familia" durchlaufen, wie sie ihre verantwortungsvolle Aufgabe angehen sollen: wo aber auch Grenzen liegen. Denn manchmal weiß auch Dijana keine Antwort auf die Fragen der Schüler.

    "Zum Beispiel war da eine Frage: Wie fühlt sich ein Orgasmus an? Dann bin ich auch da stumm stehen geblieben, ich wusste es auch nicht."

    In solchen Fällen kann Schulsozialarbeiterin Verena Graeser helfen. Sie ist Ansprechpartnerin für Vami und Dijana, damit die beiden nicht überfordert werden.

    "Weil die Schüler auch, wenn sie ausgebildet sind, sind die sehr motiviert und euphorisch und wollen ihren Job gut machen, und haben dann den Anspruch an sich, alle Fragen beantworten zu wollen und schießen dann übers Ziel hinaus."

    Vami und Dijana haben Spaß an ihrer freiwilligen Aufgabe. In einer Stunde haben die beiden mit ihren Mitschülern einen Film geguckt und anschließend darüber gesprochen.

    "Das war so ein Aufklärungsfilm. Da waren die Gruppen so zusammen. Da hat man gemerkt, die Mädchen haben sich hinter ihren Taschen verstecken, wollten gar nicht den Film gucken. Und es gab auch so ein paar Stellen, wo die Jungs angefangen haben zu lachen, zum Beispiel als ein Paar zusammen geschlafen hat, da haben die Mädchen sich versteckt und die Jungs haben angefangen zu lachen."

    Ganz ohne Kichern geht es wohl nicht. So war das auch, als die beiden Schülerberater die Klasse von Rebas besucht haben. Der Schüler fand es aber toll, mal ganz offen reden zu können.

    "Mit Schülern zu reden, über Sexualkunde, war viel besser als mit dem Lehrer. Da hat man sich auch getraut, etwas zu sagen. Weil mit den Lehrern, das war auch eine Frau, das war peinlich. Als wir unter Jungs waren, im Großen und Ganzen hat dann jeder was gesagt."#