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Forscher wollen Image von Tierversuchen verbessern

Wenn das Thema Tierversuche in die Schlagzeilen gerät, dann meistens, weil Tierschützer gegen ein neues Tierhaus, einen Affenversuch oder einen Wissenschaftler protestieren. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen will die öffentliche Wahrnehmung ändern: Sie hat ein neues Internetportal vorgestellt, auf dem die Forscher ihre Sicht der Tierversuche darstellen wollen.

Volkart Wildermuth im Gespräch mit Uli Blumenthal | 06.09.2016
    Eine Maus in einem Forschungslabor in Prag
    Demonstration gegen den Einsatz von Affen in der Forschung am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. (Imago)
    Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth war bei der Vorstellung der Webseite dabei und erklärt das neue Portal im Gespräch mit DLF-Moderator Uli Blumenthal.
    Uli Blumenthal: Wie ist der erste Eindruck?
    Volkart Wildermuth: Eine gut gemachte Seite. Viele Bilder und Videos. Es gibt einen Faktencheck, Portraits von Wissenschaftlern, die an Tieren forschen, es gibt spezielle Informationen für Schüler und man kann Fragen stellen, also ein durch und durch professionelles Angebot. Kein Wunder, es waren ja nicht nur Wissenschaftler beteiligt, sondern auch eine Werbeagentur.
    "Es soll eben keine Schlacht der Werbebotschaften sein"
    Blumenthal: Das klingt so, als soll hier versucht werden, den Besuchern eine Botschaft unterzujubeln?
    Wildermuth: Die Seite vertritt eine klare Position, dass sie von Profis gemacht wird, finde ich gut. Schließlich arbeiten auch Tierversuchsgegner nicht mehr mit kopierten Handzetteln, sondern präsentieren ihre Sicht der Dinge auf Hochglanzprospekten, an denen sicher auch Werbeagenturen arbeiten. Dieser Kritik wollen die Wissenschaftsorganisationen in Deutschland endlich auf Augenhöhe begegnen. Und dafür sind sie bereit 250.000 Euro im Jahr und eine Stelle zu investieren, erst einmal für drei Jahre. Aber es soll eben keine Schlacht der Werbebotschaften sein. Für Jörg Hacker, derzeit Vorsitzender der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, ist es entscheidend, dass die Fakten im Vordergrund stehen. Er will die Sorgen und Fragen ernst nehmen, die Position der Wissenschaftler darstellen und dann soll jeder selbst entscheiden, ob ein neues Medikament oder eine neue Erkenntnis es wert sind, dafür mit Tieren zu experimentieren.
    Blumenthal: Das klingt nach einem hehren Anspruch, wird er denn umgesetzt?
    Wildermuth: Soweit ich das bisher gesehen, auf der Ebene der Fakten ja. Da werden viele Dinge gerade gerückt. Auf der Pressekonferenz wurde zum Beispiel gefragt, wie viele Tierversuche für Kosmetika gemacht werden. Das ist schon seit den Neunzigern in der EU verboten, aber das wird immer noch als Vorwurf verbreitet. Gut sind auch die Informationen zu den alternativen zu Tierversuchen, die zeigen, dass hier schon viel möglich ist. Aber die gleichzeitig betonen, dass sich bestimmte wichtige Fragen eben nur mit Tierversuchen klären lassen. Manchmal machen es sich die Autoren der Seite auch ein wenig einfach: Einer der hier entlarvten Mythen zu den Tierversuchen lautet, dass unnötig viele Tiere für Versuche eingesetzt werden. Da wird einfach auf die Gesetze verwiesen, nach denen immer Alternativen geprüft werden müssen. Das stimmt, trotzdem gibt es natürlich auch schlecht gemachte Tierversuche. Also hier wird manches schon etwas glatter und eindeutiger dargestellt, als es ist.
    "Persönliche Botschaften wirken einfach überzeugender"
    Blumenthal: Jetzt haben wir über die Fakten geredet. In der Diskussion geht es aber vor allem um die Emotionen. Da wird ja nicht immer argumentiert sondern erst mal ein Bild von einem Affen mit einem Stecker im Kopf gezeigt. Versuchen die Wissenschaftler auch auf dieser Ebene zu argumentieren?
    Wildermuth: Ein bisschen in den Videos, in denen einzelne Forscherinnen und Forscher erklären, warum sie Tierversuche machen, da ist gelegentlich Leidenschaft zu spüren, davon hätte ich mir im Grunde mehr gewünscht. Solche persönlichen Botschaften wirken einfach überzeugender, als Statistiken. Was mir an den Videos noch gefallen hat: da sieht man auch, wie eine Maus seziert wird. Also es wird die Realität von Tierversuchen nicht versteckt, aber sie wird eben nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sondern es wird erklärt worum es dabei konkret geht.
    "Es könnte sein, dass die Tierversuchsgegner die Seite massiv angehen"
    Blumenthal: An wen richtet sich denn die Seite?
    Wildermuth: Im Grunde an alle, die sich über Tierversuche informieren wollen. Wer Tierversuche aus tiefer Überzeugung ablehnt, der wird hier nichts finden, was ihn umstimmt. Aber Menschen, die noch keine feste Meinung haben, die verstehen wollen, was die Forscher eigentlich dazu bringt, mit Tieren zu experimentieren, die können hier viel Interessantes erfahren und vor allem einen Blickwinkel kennen lernen, der in der öffentlichen Diskussion meist keine so große Rolle spielt.
    Blumenthal: Stichwort Diskussion, wollen die Forscher auch zuhören?
    Wildermuth: Natürlich, auf interaktive Elemente kann heute keine Webseite mehr verzichten. Facebook, Youtube und Twitter werden bedient. Man kann jeden Beitrag kommentieren und seine Fragen stellen. In Berlin wurde versprochen, dass auch kritische Anmerkungen veröffentlicht werden, solange sie keine Hassbotschaften enthalten. Noch habe ich aber keine Kommentare gesehen. Es könnte sein, dass die Tierversuchsgegner die Seite massiv angehen. Das muss man abwarten. Die Wissenschaftler in Berlin haben das Ganze einen riskanten Ansatz genannt, aber sie wollen eben nicht länger nur reagieren, sondern ihre Sicht auf die Tierversuche einmal offensiv und an einer Stelle gebündelt darstellen. Es wird spannend sein, nach einer Weile nachzugucken, was die Öffentlichkeit aus diesem Angebot macht.