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Aufmarsch der Giganten

Internet. - Am Donnerstag hat der Suchmaschinen-Konzern Google seine Entwicklungsplattform "Open Social" vorgestellt. Dem kalifornischen Unternehmen scheint damit ein großer Coup gelungen zu sein. Vor allem hat es Google damit offenbar geschafft, dem Rivalen Microsoft ein Schnippchen zu schlagen. Denn an der Studenten- und Schüler-Community "Facebook" hat sich vergangene Woche Microsoft mit 240 Millionen Dollar, umgerechnet 1,6 Prozent des Kapitals, beteiligt. Der Wissenschaftsjournalist Marcus Schuler, bewertet den Kampf der Giganten im Gespräch mit Manfred Kloiber.

    Kloiber: Marcus Schuler, wieso gibt es derzeit solch eine Hysterie um die so genannten "Social Networks", die sozialen Netzwerke im Internet, was hat es damit auf sich?

    Schuler: Den sozialen Netzwerken, so Experten, gehört die Zukunft des Internets. So wie man heutzutage Telefonnummern und Adressen hauptsächlich im Handy oder auf dem Computer abgespeichert hat, so werden die Kontakte, die man in den sozialen Netzwerken geknüpft hat und die aus alten Schulfreunden, Verwandten, Geschäftspartnern und Kollegen und ehemaligen Kollegen bestehen, in einer globalen Welt enorm wichtig. Diese Daten sind in den sozialen Netzwerken nicht mehr lokal auf dem Handy oder dem Computer gespeichert, sondern im Cyberspace hinterlegt. Mit "Open Social" kann man Daten nun von einem Anbieter zum anderen mitnehmen. Das hat für die kommerziellen Netzwerke den Vorteil, dass jeder von jedem profitiert und partizipiert. Deshalb engagiert sich Google auch so stark. Und deshalb wollte sich "Facebook", das sich in den vergangenen Monaten in den USA extrem hoher Zuwachsraten erfreut hat, eine mächtige Allianz entgegenstellen. Unterschied: Google präferiert einen offenen Standard, während die Studenten-Community "Facebook" sich abschottet. Außerdem: Microsoft, Sie haben es eingangs gesagt, ist an Facebook beteiligt, und Microsoft unterhält wie Google eine eigene Suchmaschine und Werbenetzwerk.

    Kloiber: "Open Social" heißt die Neuvorstellung von Google. Am Donnerstagabend hat Google sie vorgestellt. Was genau ist das und wie funktioniert es?

    Schuler: "Open Social" ist quasi ein Verband, dem nun die mithin größten Social Networks der Welt beigetreten sind. Die "Open Social"-Mitglieder haben sich auf eine gemeinsame Programmier-Schnittstelle auch Application Programming Interface, Api genannt, geeinigt. Und in dieser sind gemeinsame Standards definiert und beschrieben. Die Api für "Open Social" ist übrigens eine besonders leicht zu erlernende Programmier-Schnittstelle. Sie basiert nämlich auf einfachem HTML und JavaScript. Dazu Vic Gundotra. Er ist der Chef-Entwickler von Google, war früher übrigens ein sehr wichtiger Mann bei Microsoft und er hat am Donnerstagabend in Kalifornien "Open Social" vorgestellt:

    "Für den Entwickler bedeutet ‚Open Social’: Verbreitung, Verbreitung, Verbreitung. Programmierer für soziale Netzwerke wollen den kürzesten Weg gehen, um die größtmögliche Zahl von Benutzern zu erreichen. Und ‚Open Social’ bietet genau diese Möglichkeit. Man muss nur einmal das Prinzip verstehen und es funktioniert dann auf vielen, vielen Plattformen."

    Kloiber: Herr Schuler, welches Interesse hat Google an dieser Allianz?

    Schuler: Vor allem Geld. Das sagt natürlich keiner der Beteiligten so offen. Aber das ist der eigentliche Antrieb, der dahinter steckt. Geld deshalb, weil die Sozialen Netzwerke, so glauben die Leute bei Google und das bestätigen auch viele Fachleute, die Zukunft des Internets darstellen. Mit dabei ist zum Beispiel "MySpace" – das größte soziale Netzwerk der Welt mit 110 Millionen aktiven Mitgliedern. Dort kann man als Benutzer kostenlos Fotos und Videos hinterlegen und ein eigenes Web-Log führen. Aber auch Gemeinschaften wie "Friendster", "Hi5" oder "LinkedIn" sind mit von der Partie. Diese Netzwerke haben eine Gemeinsamkeit: Als Benutzer muss man relativ viele persönliche Daten preisgeben. Dadurch können Unternehmen wie Google ihre Werbung sehr viel genauer auf das jeweilige Profil abstimmen. Außerdem haben viele User in den USA nicht nur ein "MySpace"-Profil, sondern beispielsweise auch bei LinkedIn ein Benutzerkonto. Durch die "Open Social"-Schnittstelle muss man als Benutzer nur einmal seine Daten ändern und diese Änderung wird dann automatisch auf die anderen Accounts, die Benutzerkonten, übertragen. Und noch ein Umstand ist sehr wichtig: Die Werbung der Zukunft wird sich ändern. Denn: Werbung ist besonders erfolgreich, wenn sie mir von einem Freund oder Bekannten empfohlen wird. Werbung wird "sozial". Nehmen wir an, Sie, Manfred Kloiber, haben bei ein "MySpace"-Konto und ich hätte ein Benutzerkonto bei "Xing". Wenn Sie sich jetzt einen digitalen Fotoapparat gekauft haben und ich bei Xing Sie als Kollegen angelegt habe und gleichzeitig in meinem Profil als Hobby digitale Fotografie angegeben habe, dann könnte mir Google beispielsweise eine Anzeige einblenden, dass mein Kollege Kloiber sich eine Digital-Kamera der Marke XY gekauft hat. Werbefachleute sagen, das ist eine viel, viel effektivere Werbung, weil ich einer Person, die ich kenne, mehr vertraue als einer anonymen unpersönlichen Werbebotschaft.