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Aufnahme von Flüchtlingen
Länder fordern mehr Unterstützung vom Bund

Eine Woche nach Angela Merkels Entscheidung, Flüchtlinge aus Ungarn unregistriert nach Deutschland kommen zu lassen, gibt es immer mehr Kritik daran aus den Bundesländern. Von Ausnahmezustand und der Grenze der Belastbarkeit ist die Rede. Der Bund müsse die Länder stärker unterstützen.

Von Johannes Kulms | 13.09.2015
    Flüchtlinge auf ihren Betten in einem Zelt der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen.
    Flüchtlinge aus Afghanistan sind in Zelten der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen untergebracht. (picture alliance / dpa/ Boris Roessler)
    Für den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich stellt sich die Frage nach einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland momentan noch nicht. Darüber werde man diskutieren müssen, wenn die Möglichkeiten der Bundesrepublik zur Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden an Grenzen stießen, sagte Tillich im Interview der Woche des Deutschlandfunks. Zweifel hegt der CDU-Politiker derweil an der Bewegungsfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten:
    "Man muss sich natürlich die Frage stellen: Ich habe den Eindruck, das Schengen nicht mehr funktioniert und das natürlich dazu führt, dass dann darüber hinaus unregistrierte Bürger dann zu uns kommen."
    Ob die Entscheidung der Bundesregierung, Flüchtlinge unregistriert nach Deutschland einreisen zu lassen, ein Fehler war, will Tillich nicht sagen. Es stelle sich jetzt die Frage, wie man mit der sich jetzt entwickelnden Situation umgehe.
    "Wir stoßen schon an unsere Grenze. Und wenn es so länger anhält, wird es kaum zu schaffen sein. Ich habe oft jetzt in den letzten Tagen mit den Hilfskräften sprechen können: Die sind am Ende ihrer Kräfte."
    Derweil wird diesem Wochenende aus mehreren Ländern Kritik laut am Entschluss von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Flüchtlinge aufzunehmen.
    Am weitesten ging Seehofer
    Am weitesten ging der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der von einem Fehler gesprochen hatte, "der uns noch lange beschäftigen" werde. Er sehe keine Möglichkeit mehr, "den Stöpsel auf die Flasche" zu kriegen, hatte der CSU-Politiker gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel gesagt" - und damit viel Unverständnis ausgelöst.
    Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz sagte, dass die Länder "völlig überrascht worden" seien von Merkels Entscheidung und nun in großer Not seien bei der Unterbringung der Flüchtlinge. Der Bund müsse mit mehr Gebäuden und Personal diesem "Ausnahmezustand" gegensteuern, so der der rheinland-pfälzische Innenminister gegenüber der "Welt am Sonntag". Der SPD-Politiker hofft darauf, dass die EU-Staaten bei der Innenministerkonferenz am Montag in Brüssel beschließen, Deutschland Flüchtlinge abzunehmen.
    Am Samstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer CDU-Veranstaltung ihre Entscheidung verteidigt.
    "Aber ich möchte nach den letzten Tagen auch sagen: Dies ist nicht nur eine Verantwortung Deutschlands, dies ist eine Verantwortung aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und darauf werden wir hinweisen."
    Am Samstag noch hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gesagt, dass Deutschland die Kraft habe zu helfen - und es tue. Inzwischen wird der CSU-Politiker mit den Worten zitiert, dass die Grenzen der Belastbarkeit erreicht seien und dieses Signal unmissverständlich ausgesendet werden müsse. Dobrindt spricht sich auch für die wirksame Kontrolle der eigenen Grenzen aus.
    Pau: Deutschland insgesamt nicht überfordert
    Petra Pau, Abgeordnete der Partei "Die Linke" im Deutschen Bundestag und Mitglied des Innenausschusses, sagt dagegen:
    "Ich sehe nicht, dass die Bundesrepublik insgesamt überfordert ist".
    Die Stadt München klage zu Recht über die Grenzen der Belastbarkeit, die anderen Bundesländer müssten sich solidarisch zeigen um die Flüchtlinge zügiger zu verteilen. Pau sprach sich gegenüber diesem Sender für Erstaufnahmen auch in anderen Bundesländern aus - zum Beispiel in Baden-Württemberg.
    Aber auch der Bund müsse seiner Verantwortung nachkommen, indem er "beispielsweise Immobilien, die in der Verfügbarkeit des Bundes sind, viel schneller zur Verfügung stellt, entsprechend ausrüstet, so, dass die Menschen auch dort unterkommen können. Es ist keine Lösung, jetzt Zeltlager aus dem Boden zu stampfen. Wir sollten uns klar machen, wir sind im September, der Winter ist nahe."
    Der SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer fordert angesichts der Flüchtlingssituation ein parteiübergreifendes, breites gesellschaftliches Bündnis. Parteipolitische Auseinandersetzungen seien angesichts der auf Deutschland zukommenden Herausforderungen völlig fehl am Platz.