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Aufrechter Gang statt Hangeln

Paläoanthropologie.- Auch Friedemann Schrenk vom Frankfurter Forschungsinstitut Senckenberg sucht nach weiteren Puzzlestücken der frühen Menschheitsgeschichte. Der Wissenschaftler rechnet damit, dass in den kommenden Jahren noch ältere Urmenschen-Skelette gefunden werden.

    Gerd Pasch: Welche Bedeutung hat das Skelett "Ardi" für die Menschheitsgeschichte?

    Friedmann Schrenk: Dieser Fund zeigt, dass wir zwar eine gemeinsame Abstammung mit dem Rest der Menschenaffen haben, aber dass doch die Entwicklung schon seit mindestens viereinhalb Millionen Jahren getrennt verläuft. Und es zeigt auch, dass der Beginn des aufrechten Gangs möglicherweise darin besteht, dass unsere Vorfahren auf den Bäumen nicht gehangelt sind, sondern auf den Bäumen entlang gelaufen sind. Man hat früher gedacht, unsere Vorfahren sind gehangelt, wie Menschenaffen, aber das man wohl glaub ich inzwischen vergessen. Das ist eigentlich eine sehr interessante neue Sichtweise.

    Pasch: Wir haben dieses Jahr, 2009, das Darwin-Jahr. Wie ändert sich durch "Ardi" denn der Blick auf die Evolution des Menschen?

    Schrenk: Der Blick wird geschärft, würde ich sagen, auf die Evolution des Menschen. Darwin hat ja schon gesagt, unsere nächsten Verwandten sind die Schimpansen. Das ist auch so. Aber wir erfahren jetzt, dass es doch eine sehr viel größere Bandbreite gibt an frühen Vorfahren. Und so stellen wir fest, dass Evolution eben nicht nur eine Hypothese ist, sondern tatsächlich stattgefunden hat.

    Pasch: Hat Sie denn der Zustand des so viele Millionen Jahre alten menschlichen Skeletts überrascht?

    Schrenk: Der Zustand ist relativ gut. Meistens finden wir ja nur Zähne oder einzelne Knochensplitter. Hier ist doch sehr viel mehr gefunden worden. Das spricht dafür, dass die Fossilisationsbedingungen ziemlich gut gewesen sind.

    Pasch: Vor etwa 35 Jahren wurde Lucy gefunden. Übertrumpft das neue Skelett, dem die Forscher ja den Spitznamen "Ardi" gegeben haben, diesen alten Fund?

    Schrenk: Ich glaub, die Funde kann man nicht direkt vergleichen. Wobei man sagen muss, Lucy hat damals ja die Kenntnis über die Geschichte der Menschheit auch um ungefähr zwei Millionen Jahre oder anderthalb Millionen Jahre nach vorne verlegt und das passiert jetzt noch mal. Es ist ja damit zu rechnen, dass noch ältere Funde gemacht werden. Ich glaube, das wird so bei sieben Millionen Jahren irgendwann wird man dann an dem Punkt angekommen sein, wo man sagen kann: Das waren die letzten gemeinsamen Vorfahren von Menschenaffen und Menschen.