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Aufruf an Kulturguträuber

Eine wertvolle Bronzeamphore wurde illegal in Italien ausgegraben und danach über verschlungene Wege nach München und in die Schweiz verkauft. Mithilfe eines Fachmediums sucht die Polizei nach Hinweisen.

Von Barbara Weber |
    "Archäologische Arbeit hat immer etwas kriminologisches",

    so Dr. Annette Nünnerich-Asmus, Archäologin und Chefredakteurin "Antike Welt".

    ""Durch Analyse und Feststellung eines Fundtatortes fühlen wir uns da schon in den Methoden verbunden."

    Der Fall:

    ""Es war ungefähr 2004. Da wurden bei einer illegalen Ausgrabung mehrere Terrakottagegenstände aus dem Boden geholt und eine sehr wertvolle Bronzeamphore. Es gibt wohl Ermittlungen der italienischen Behörden im Raubgräbermilieu. Die Bronzeamphore war leider beschädigt. Man hat dort offenbar Indizien dafür, dass dieses Objekt, was hier gesucht wird, aus einem konkreten Grabzusammenhang stammt. Es war dann so, dass diese wertvolle Bronzeamphore von den Tätern gezeichnet wurde, und die haben dann über Zwischenhändler Käufer gesucht. Das war anfangs nicht sehr einfach, weil die wollten doch 200.000 oder auch mehr, am liebsten wollte man 400.000 Euro haben für die Amphore. Und man bekam dann aber nur 200.000 Euro und musste dazu ins Ausland, also nach Deutschland gehen, um die Amphore an Händler zu verkaufen."

    Da kam Elisabeth Zum-Bruch ins Spiel, Hauptkommissarin beim bayerischen Landeskriminalamt:

    "Wir haben 2009 von dem Fall erfahren. Die Polizei aus Italien hat uns informiert. Da gibt's eine spezielle Dienststelle, die nennt sich Comando dei Carabinieri zum Schutz kulturellen Vermögens, und die haben seit Jahren schon Kontrollen und Überwachungen im Bereich der illegalen Grabungen durchgeführt. Und dann kam es zu mehreren Ermittlungsverfahren in Italien. Aus einem Ermittlungsverfahren hat sich ergeben, dass eine Spur nach München führt."

    Warum ausgerechnet München? Der Archäologe Dr. Michael Müller-Karpe vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz, beschäftigt sich seit Jahren mit Raubgrabungen und Antikenhehlerei.
    Er weiß die Antwort:

    "München hat sich in den letzten Jahren zunehmend zu einem Zentrum des illegalen Antikenhandels entwickelt. Die allermeisten Staaten der Welt verwenden inzwischen große Anstrengungen darauf, die Antikenhehlerei zu bekämpfen. In Deutschland tut man sich nach wie vor schwer damit, und München ist da leider ein markantes Negativbeispiel. "

    Daraus resultiert auch die Zusammenarbeit zwischen dem LKA in München und den italienischen Sonderermittlern.

    "Die Italiener haben uns den Hinweis gegeben. Die haben einige verhaftete Personen vernommen, die wir dann hier überprüft haben."

    Wie überprüft?

    "Wir haben Durchsuchungen gemacht in München."


    Mit welchem Ergebnis?


    "Wir konnten die Amphore nicht auffinden. Schriftliche Unterlagen gibt es, nur ob die jetzt mit letztendlicher Sicherheit genau diese Amphore betreffen, ist momentan noch Gegenstand der Ermittlungen."

    Was heißt das konkret?

    "Rechnungen über ein Objekt. Sagen wir es mal so: Was Namen anbelangt, kann ich Ihnen leider gar nichts dazu sagen."

    Die Beschuldigten schweigen. Insider wissen, dass es drei, vier Händler in München gibt, die immer wieder in den Fokus staatsanwaltlicher Ermittlungen geraten. Was die Restauration der Amphore anbelangt, führt eine Spur in die Schweiz:

    "Das wussten die Italiener auch schon. Auch wir haben das in München bei den Durchsuchungen festgestellt, aber es wurde auch durch die italienischen Kollegen die Schweiz ins Gespräch gebracht."


    Klar zu sein scheint, dass es sich nicht um unbedarfte Amateure handelt, die mit der Amphore zu tun hatten. Hier waren und sind Profis am Werk - so der Archäologe Michael Müller-Karpe, womöglich auch Kollegen?


    "Das ist auch wieder eine brisante Frage, weil da natürlich Fachleute involviert sein müssen. Also zum einen Fachleute, die ein solches Objekt identifizieren können, deren Echtheit bescheinigen können. Aber dann auch Restauratoren, die konservieren und solche Objekte reinigen, und wenn es notwendig ist, wieder zusammensetzen. Also das ist offenbar passiert in der Schweiz. Das ist der übliche Weg, dass solche Dinge aus den Herkunftsländern dann ins Zollfreilager in Genf kommen. Dort gibt es Ausstellungsräume, die sollen ausgestattet sein wie Museen, da kauft man diese Dinge, parkt die dann für ein paar Jahre. Bisher war die Ersitzensfrist fünf Jahre. Nach fünf Jahren konnte man sie dann quasi "gutgläubig erworben" in die Schweiz einführen. Diese Frist ist jetzt verlängert worden seit dem neuen Kulturgütertransfergesetz. Insofern ist es etwas schwieriger geworden, andererseits hört man, dass der Handel nach wie vor floriert und zwar durch die Schweiz."

    Da Fachleute involviert sein müssen, hatte die Hauptkommissarin die Idee, den Antikenraub in einem Fachorgan publik zu machen:


    "Leute, die sich mit antiker Kunst beschäftigen, die wissen doch sehr viel, wie Sie jetzt auch schon einiges ermittelt haben und recherchiert haben, wie ich gerade gemerkt habe. Da spricht sich das natürlich auch in diesen Kreisen auch rum. Und man hört doch so einiges, vor allem, wenn es um so spektakuläre Dinge geht wie um eine Bronzeamphore, die aus dem 6. Jahrhundert stammen soll, was sehr, sehr selten ist und sehr wertvoll ist. Da besteht schon die Möglichkeit, dass sich das in Fachkreisen herumspricht und die Zeitschrift "Antike Welt" und auch die Internetplattform erscheint mir als geeignetes Medium, um die richtigen Leute anzusprechen, die etwas über die Amphore wissen könnten."

    Eine gute Idee, findet die Archäologin und Chefredakteurin Annette Nünnerich-Asmus. Vermutet sie unter ihren Lesern jemanden, der womöglich mit dem Objekt in Berührung gekommen sein könnte?

    "Mit Sicherheit! Zu unseren Lesern gehören natürlich das klassische Bildungsbürgertum. Das sind auch unsere Fachkollegen, Archäologen, Althistoriker, Altphilologen, weil wir uns natürlich in diesem Material bewegen. Darunter sind natürlich auch - ich sag' mal - Sammler, Privatsammler, also Käufer solcher Stücke und es ist schon ein etwas gebildeteres Leserpublikum, was wir haben."

    Das schließt natürlich nicht prinzipiell eine gewisse kriminelle Energie bei dem einen oder anderen Leser aus. Aber für öffentliche Auktionen ist die Amphore mit diesem Aufruf verbrannt.

    "Gehört haben wir, aber stark beobachtet, denn es schossen unsere Besucherzahlen genau auf diesen Teil unserer magazinartigen Homepage enorm nach oben. Es war in dieser Woche, wo die freigeschaltet wurde die Nachricht, die meist besuchteste Nachricht und die größte Verweildauer darauf zu bemerken, das heißt, das Interesse lag ganz mit Fokus auf dieser Nachricht. Das war also ganz erstaunlich."

    Letztendlich stellt sich die Frage: Wozu das Ganze? Soll die Aktion nur verhindern, dass eine gestohlene Amphore auf den Markt kommt? Nein, meint die Archäologin, die Hintergründe sind vielschichtiger:

    "Es bedeutet einfach, ein Fundobjekt ist nur in seinem Kontext wichtig und kann Geschichte dort erzählen und kann natürlich Aufschluss geben über Lücken, größere wie kleinere in den Epochen der Menschheitsgeschichte. Denn außerhalb seines Kontextes, der dann nicht wieder festgestellt werden kann, beurteilt und eingeordnet werden kann, ist das Objekt schier wertlos für die Wissenschaft und damit auch für die Geschichte unserer kulturellen Entwicklungen der gesamten Menschheit. Also von daher ist es immer wichtig, dass die - wie bei einem Tatort für die Kriminalistik: Es muss am besten nichts angefasst werden, sondern analysiert werden, bevor man die Objekte beiseite räumt. Und so ist es in der Archäologie auch."