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Aufschub für reife Früchtchen

Genetik.- Mit gentechnischen Methoden ist es indischen Forschern gelungen, die Hautalterung von Tomaten stark zu verzögern. Sie legten die Gene für zwei bisher unterschätzte Schlüsselenzyme still. Die Haltbarkeit des saftigen Obstes könnte damit verlängert werden.

Von Volker Mrasek | 03.02.2010
    Was beim Menschen noch nicht klappt, das ist indischen Pflanzengenetikern jetzt bei Tomaten gelungen: Sie züchteten Früchte mit stark verzögerter Haut-Alterung. Weil Schale und Zellwände schön straff blieben, seien ihre Tomaten viel länger haltbar als gewöhnliche, schreiben die Forscher in ihrer neuen Studie. Mit einem Trick gelang es ihnen, das Vergammeln der Früchte aufzuhalten: Sie legten die Gene für zwei bisher unterschätzte Schlüsselenzyme still.

    Selbst Forschungsleiter Asis Datta mag die beiden Enzyme nicht bei ihren richtigen Namen nennen. Die sind nämlich ziemlich kompliziert. Der Gründungsdirektor des Nationalen Instituts für Pflanzengenomforschung in Neu-Delhi benutzt lieber die Kurzformen: Alpha-Man und Beta-Hex:

    "Wenn Tomaten reifen, dann ist die Konzentration von freien Glykanen in ihren Fruchtwänden erhöht. Das sind Zuckermoleküle, die sich aus den Zellwänden lösen und von denen wir wissen, dass sie die Reifung weiter stimulieren. Wir haben nun entdeckt, dass zeitgleich auch viel Alpha-Man und Beta-Hex gebildet wird. Das war der Punkt, an dem wir mit unserer Arbeit begannen."

    Am Ende der Studie steht die Erkenntnis: Die beiden Enzyme sind kräftig an der Demontage der Zellwände in Tomatenfrüchten beteiligt. Sie zersetzen nicht Cellulose und Pektin, also die Bestandteile, an die man zuerst denkt, sondern Bausteine, die aus Zucker und Eiweiß bestehen und Glykoproteine genannt werden. Dadurch nehmen die schon erwähnten freien Glykane zu, und das wiederum lässt die Tomaten schneller reifen.

    Mit gentechnischen Methoden schuf Dattas Arbeitsgruppe eine Labor-Zuchtlinie frei von Alpha-Man und Beta-Hex. Ihre Tomaten seien gut 30 Tage länger haltbar als andere, sagen die Forscher und sprechen von einem großen Fortschritt:

    "Denken Sie nur an die ganzen Verluste nach der Ernte, die weltweit auftreten. Sie sind enorm! In Indien zum Beispiel gibt es fast nirgends Möglichkeiten zur Zwischenlagerung oder zum schnellen Transport von Obst und Gemüse. Fast die Hälfte davon vergammelt. Unsere Tomaten dagegen halten 45 Tage lang und nicht mehr nur zehn oder zwölf, und das bei Raumtemperatur. Die beiden Enzyme kommen im Übrigen auch in anderen Früchten vor. Man könnte unsere Technologie daher genauso bei Papayas oder Bananen anwenden."

    Die neue Studie ist kaum erschienen, da wird sie schon von Kollegen gelobt. So etwa von Ken Manning, britischer Biochemiker an der Universität von Warwick in Coventry und ebenfalls Experte für Reifungsprozesse in Früchten:

    "Wenn Früchte während der Reifung ihre Festigkeit verlieren, sind daran viele Gene und ihre Produkte beteiligt. Die Forschung hat sich hier bisher auf Prozesse konzentriert, die zum Abbau von Cellulose und Pektin in den Zellwänden führen. Aber die Ergebnisse waren nicht so überzeugend. Die neue Studie könnte unser Verständnis von der Fruchtreifung grundlegend verändern. Indem sie die Aufmerksamkeit auf andere Gene und Prozesse lenkt, die offenbar wichtiger sind."

    Einen Haken hat die Sache mit der neuen enzymreduzierten Frucht aus Indien allerdings. Es handelt sich um eine transgene Tomate.

    Zwar enthält sie kein artfremdes Material. Ihre Züchter haben lediglich tomateneigene Gene inaktiviert. Doch das Stigma der Genmanipulation trägt die Frucht mit dem verlängerten Leben dennoch. Im Moment steckt sie zwar ohnehin noch in einem Versuchsstadium. Doch auch eine spätere Markteinführung der langlebigen Tomate wird nur dann möglich sein, wenn die Verbraucher transgene Früchte akzeptieren. Nur dann könnte man auch auf das hoffen, was die Forscher vor allem möchten: die große Menge von vergammeltem, weggeschmissenem Obst und Gemüse zu reduzieren.