Entgegen den anderen europäischen Ländern wurde hierzulande lange auf die freiwilligen Absprachen von Energieerzeugern und industriellen Energieverbrauchern gesetzt - getreu dem Motto: Die Branche weiß selbst am besten, wie die Spielregeln für die Strom- und Gasmärkte zu gestalten sind. Ein Konzept, das kläglich gescheitert ist und für das nicht zuletzt die Verbraucher finanziell gerade stehen mussten. Denn seit der Liberalisierung von 1998 hat sich wenig getan: Die anfänglichen neuen Wettbewerber sind weitgehend verschwunden und die Energiepreise markieren im europaweiten Vergleich neue Höchstmarken.
Damit aber soll jetzt Schluss sein, so die Hoffnung der Politik. Ab dem 1. Juli dieses Jahres wird ein staatlicher Regulierer, die so genannte Bundesnetzagentur, zumindest einen Teil der hiesigen Energiemärkte kontrollieren. Alois Rhiel, Wirtschaftsminister von Hessen und Verhandlungsführer auf Unionsseite, über das neue deutsche Energierecht:
"Wettbewerb ist der beste Verbraucherschutz. Deshalb muss der Teilbestand, der monopolistisch organisiert ist - das sind die Netze - hier müssen wir streng kontrollieren. Damit um die Netze herum, im Handelsbereich, Wettbewerb sich verstärken kann."
Mit dem es bislang, wie gesagt, nicht weit her ist. Denn der deutsche Strommarkt wird zu 80 Prozent von lediglich vier Konzernen kontrolliert: Eon, RWE, Vattenfall Europe und Energie Baden Württemberg, kurz, ENBW. Gemeinsames Vorsteuerergebnis allein 2004: knapp 13 Milliarden Euro. Doch die Platzhirsche sind nicht nur an den meisten Stadtwerken beteiligt, sondern kontrollieren auch die Netze. Ein unschätzbarer Machtfaktor: Ohne die Netze kommt kein Strom in die Steckdosen der Verbraucher.
Diesen Wettbewerbsvorteil haben sich die Netzeigentümer bislang teuer bezahlen lassen. So lagen die Nutzungsentgelte im vergangenen Jahr für industrielle Großkunden bei knapp 1,5 Cent pro Kilowattstunde und für Haushaltskunden bei rund 6 Cent. In beiden Fällen aber entspricht dies rund einem Drittel des gesamten Stromendpreises - nach Meinung der meisten Experten entschieden zuviel. Neue Anbieter konnte sich die Branche damit vom Leibe halten. Das Problem aber aus Sicht der Wettbewerbsbehörden: Die tatsächlichen Kosten für die Durchleitung konnten bislang nicht ermittelt werden und waren damit auch nicht zu kontrollieren.
Deshalb soll der neue Regulierer genau an dieser Stelle ansetzen - eine richtige Entscheidung, meint auch der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft, also der industriellen Energieverbraucher. Alfred Richmann:
" Ich glaube schon, das wird mehr Wettbewerb geben. Einfach deswegen, weil sich dieses Gesetz konzentriert auf die Netze. Sozusagen als der Marktplatz oder die Autobahnen für Strom und Gas. Und sozusagen wenn die Autobahnen gut zugänglich sind, für die Produkte Strom und Gas, dann wird es natürlich auch lukrativer und wirtschaftlich sinnvoll sein, in Kraftwerke zu investieren beispielsweise oder Gas zu importieren, umso schneller, besser, preiswerter und effizienter an die Kunden heran zu kommen. Das ist das Entscheidende."
Im Klartext: Die neue Bundesnetzagentur, die künftig als Nachfolger der bisherigen Regulierungsbehörde für Post- und Telekommunikation auftreten wird, kümmert sich nicht um Strom oder Gaspreise, sondern ausschließlich um die Netznutzungsentgelte. Auch ordnungspolitisch kommt dieser Ansatz nicht von ungefähr, betonte erst vor einigen Tagen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement auf der Jahrestagung der Elektrizitätswirtschaft:
"Regulierung soll den Wettbewerb und damit auch den Markt stärken - nicht aber gewünschte Preise verordnen." Regulierung ist nicht einfach eine Preissenkungsveranstaltung. Zum einen zielt sie ab auf die Netzpreise, nicht aber auf die Endpreise, die letztlich vom Markt bestimmt werden. Zum anderen muss auch das Interesse der Netznutzer an niedrigen Netzpreisen der Netzkunden da enden, wo unsere aller Interesse an Versorgungssicherheit beginnt. Nur Unternehmen, die auch verdienen dürfen - nehmen sie dass bitte aus dem Munde eines Sozialdemokraten zur Kenntnis - die werden auch investieren. "
Doch welche Kompetenzen hat nun die neue Bundesnetzagentur? Zunächst einmal darf sie - dies wurde im Vermittlungsverfahren auf Drängen der Union geändert - alle bisherigen Durchleitungspreise der rund 1600 Strom- und Gasnetzbetreiber kontrollieren. Bei kleineren Stadtwerken werden dies die Länder tun. Große Ferngasunternehmen wie etwa Ruhrgas sind dagegen von der Regulierung befreit, sofern sie den Nachweis erbringen, dass sie im Wettbewerb stehen.
Ursprünglich hatte die rot-grüne Koalition vorgesehen, dass die Unternehmen zunächst nur Netz-Preiserhöhungen vorlegen müssen. Nach Ansicht der Union können durch die jetzt beschlossene Vorabgenehmigung aber überteuerte Netzengelte von vorneherein verhindert werden. Außerdem sei es möglich, noch während der Genehmigungsverfahren Kostenvergleiche anzustellen. Nach Einschätzung der Energieexpertin der Grünen, Michaele Hustedt, ist jedoch die Vorabgenehmigung nicht unproblematisch:
" Ich sehe dass mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich bin ja im Prinzip für eine Ex-ante-Regulierung. Aber wenn jetzt 1700 Unternehmen ihre Preise sozusagen rüber schieben zur Genehmigung - ob da die Behörde nicht verstopft! Und dass dies dann zu dem Ergebnis führt, dass sie zu hohe Preise genehmigt und dann auch noch den Stempel der Genehmigung verteilt, dass man an diese Preise nie mehr rankommt - das wird erst die Praxis zeigen."
Insofern dürfe die Behörde aber nicht alle Tarife auf einen Schlag prüfen, sondern sich lediglich die strittigen Fälle herausgreifen. Netzpreise, die nicht innerhalb von sechs Monaten beanstandet werden, sollen automatisch als genehmigt gelten, heißt es. Grundsätzlich aber - auch dies ist neu - sind die Unternehmen dazu verpflichtet, ausführlich über ihre Kostenberechnungen zu informieren. Entsprechend enthält das Energiewirtschaftsrecht umfangreiche Berichtspflichten gegenüber der neuen Bundesnetzagentur.
Ebenfalls neu: Die Versorger müssen ihren Netzbereich ausgliedern. Durch diesen Ansatz sollen Quersubventionierungen im Unternehmen und Mauscheleien zu Lasten Dritter von vorneherein unterbunden werden. Mehr Transparenz heißt das Zauberwort. Dadurch soll auch die künftige Arbeit des Regulierers erleichtert werden. Denn bis Mitte 2006 soll dieser ein ganz neues System für die Preisermittlung ausarbeiten, die so genannte Anreizregulierung, die dann die Vorabgenehmigung ersetzen wird. Ein Prinzip, von dem sich auch der hessische Wirtschaftsminister Rhiel viel verspricht:
"Die Anreizregulierung hat ja das Ziel, zusätzliche Effizienzreserven zu erschließen. Wenn wir Netzengelte nur genehmigen auf der Basis der Kostenrechnung, dann ist das zwar korrekt, was die Auflistung der Kosten angeht. Aber das sagt überhaupt nichts aus, ob die Unternehmen effizient arbeiten. Ob sie alle Einsparpotentiale genutzt haben, so wie es jedes private Unternehmen, das im Wettbewerbsmarkt steht, tun muss."
Wie das neue System im Detail funktionieren wird, ist - wie gesagt - derzeit noch unklar. Nur das Prinzip steht fest: Demnach soll der Erzeuger, der besonders kostengünstig arbeitet, in einem Zeitraum von bis zu fünf Jahren höhere Gewinne erwirtschaften dürfen. Später wird das Modell dann auch für die anderen Wettbewerber für allgemeingültig erklärt. Die Konsequenz: Der Effizienz- und damit auch der Kostendruck dürfte merklich steigen.
Auf Drängen der Union, aber auch der Erzeuger, werden die Prinzipien der Anreizregulierung jedoch in einer staatlichen Verordnung festgezurrt. Nicht zuletzt, so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Deutschen Elektrizitätswirtschaft, Eberhard Meller, um willkürliche Maßnahmen der Bundesnetzagentur auszuschließen:
" Die Unternehmen, die ja auf lange Sicht investieren - selbst Netzinvestitionen gehen bis auf 40 Jahre - die möchten eine gewisse Sicherheit haben. Deswegen möchten sie nicht nur einfach vom Regulierer abhängig werden, der dann nach dem Prinzip "trial and error" die Anreizregulierung ausprobiert. Deswegen haben unsere Mitgliedsunternehmen das berechtigte Interesse, wenn die Anreizregulierung erarbeitet ist, dass sie dann auf der Grundlage einer Rechtsverordnung Gültigkeit hat."
Und was heißt dies nun alles für die künftige Preisentwicklung? Im Bundeswirtschaftsministerium verweist man auf Norwegen. Dort seien die Transportkosten für Strom als Folge der Regulierung binnen zehn Jahren um 20 Prozent gesunken. Auf einen ähnlichen Effekt hofft man nun durch das neue Energierecht.
Allerdings ist die Rechnung etwas komplizierter. Denn die Netznutzungsentgelte, um die es hier geht, machen laut Faustregel nur ein Drittel des gesamten Strompreises aus. Der Rest setzt sich zusammen aus Steuern und Abgaben sowie dem eigentlichen Erzeugerpreis. Insofern will sich auch der Energiereferent beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, Thorsten Kasper, nicht genau festlegen:
"Die Netznutzungsentgelte sind ja auch von Region zu Region unterschiedlich. Vor Steuern und Abgaben machen die Netznutzungsentgelte bis zu 70 Prozent des Strompreises aus und wenn es der Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur an dieser Stelle gelingt, die Preise nach unten zu drücken und das dann auch diese Preisermäßigung nach unten weiter gegeben wird, kann man schon mit einer spürbaren Entlastung der Haushaltskunden rechnen."
Die Energiebranche selbst stapelt dagegen bei diesem Punkt eher tief. Von drastischen Preissenkungen könne angesichts der Struktur des Bruttostrompreises keine Rede sein, wiegeln die Erzeuger übertriebene Hoffnungen seitens der Verbraucher ab. Ohnehin sieht man sich dort als Sündenbock für eine überzogene Steuer- und Abgabenpolitik, erklärt VDEW-Präsident Werner Brinker. Auch über die geplanten Beiträge und Gebühren, die die Erzeuger künftig an den Regulierer zahlen sollen, ist die Branche nicht gerade begeistert:
" Lassen sie uns die Netznutzungsentgelte in Deutschland nicht durch die Übernahme der Kosten der Bundesnetzagentur durch die Unternehmen wieder verteuern. Wir haben keine Lust mehr, ewig den Sündebock zu spielen, wenn 40 Prozent des Bruttostrompreises in Deutschland durch Steuern und Abgaben sowie 35 Prozent durch politisch festgezurrte Netznutzungsentgelte festgezurrt sind."
Fakt aber bleibt: Das neue Energierecht ist auf mehr Wettbewerb, neue Anbieter und damit auch sinkende Preise angelegt - vor allem die großen energieintensiven Unternehmen, allein schon durch ihren Bedarf in einer besseren Verhandlungsposition als etwa der einzelne Verbraucher, hoffen daher auf bessere Zeiten. Verbandsgeschäftsführer Richmann:
" Das wird sich allein schon deshalb verbessern, weil sie heute kaum Angebote bekommen, wenn sie Angebote einholen meinetwegen bei verschiedenen Anbietern bei Gas oder bei verschiedenen Anbietern an Strom. Weil insbesondere im Gasbereich die Durchleitungsbedingungen dermaßen schwierig sind, dass man sich scheut, dass überhaupt in Angriff zu nehmen."
Freilich - für den Bereich Gasversorgung wird sich zumindest für die Privatkunden auch mit dem neuen Recht nach Einschätzung vieler Experten wenig ändern. Zwar wurde der Zugang der Gasanbieter zu den Netzen insgesamt erleichtert. Doch für die rund 18 Millionen Haushalte hierzulande, die auf diesen Energieträger zurückgreifen, wird es auch in Zukunft schwierig sein, angesichts der langen Vertragszeiten den Lieferanten zu wechseln. Für den Strommarkt hofft dagegen Hessens Wirtschaftsminister Rhiel in absehbarer Zeit auf einen ähnlichen Wettbewerbsdruck wie nach der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes:
" Ich gehe wirklich davon aus, dass wenn der Staat an dieser Stelle auf den begrenzten Bereich der Netzmonopole bezogen wirklich ein scharfes Instrument, so wie wir es ihm jetzt gegeben haben auch nutzt, dass dann die Voraussetzung auch in einem Monopolbereich geschaffen werden, dass Ergebnisse zustande kommen, wie sie auf dem Wettbewerbsmarkt vorhanden sind. Der Kunde, das heißt sowohl der industrielle als auch der private, muss allerdings auch von dieser Möglichkeit gebrauch machen."
Insofern hat es also auch der Verbraucher in der Hand, wie sich der Wettbewerb auf den Strommärkten künftig entfalten wird. Doch auch an anderer Stelle bringt das Energiewirtschaftsgesetz einige Neuerungen für den Privatkunden. Zwar wurden die ursprünglich von Rot-Grün geplanten Kennzeichnungspflichten im Zuge des Vermittlungsverfahrens zusammengestrichen. Doch auch mit dem abgespeckten Ergebnis ist selbst Verbraucherschützer Kasper durchaus zufrieden:
" Stromkennzeichnung ist ein ganz wesentlicher Faktor. Die Kunden sollen erfahren, wofür sie ihr Geld ausgeben. Sie sollen erfahren, welche Umweltbelastungen im Bereich CO2 oder Atommüll mit ihrem Stromkonsum verbunden sind. Sie sollen erfahren, aus welchen Primärenergieträgern - sei es Atomkraft, oder Öl oder Gas - der Strom, den sie beziehen, hergestellt wird. Insofern wird schon für Transparenz gesorgt."
Doch trotz der neuen Transparenz, trotz des Wettbewerbsdrucks, der sich vermutlich aufbauen wird - das neue Energiewirtschaftsrecht ist auch aus Sicht der Erzeuger akzeptabel. Vor allem die großen Konzerne werden auch unter den neuen Bedingungen gut leben können - nicht zuletzt deshalb hat die Branche zwar hinter den Kulissen verbissen um Detailänderungen gekämpft, nicht aber das Gesetz per se in Frage gestellt.
Allerdings war sie an dieser Stelle auch chancenlos: Denn mit dem neuen Recht setzt Rot-Grün - sozusagen in letzterer Sekunde - lediglich europäische Vorgaben um. Das Energiewirtschaftsgesetz ist die deutsche Antwort auf die so genannte Beschleunigungsrichtlinie, die bereits 2002 von der EU beschlossen worden ist und die bis Juli dieses Jahres in nationales Recht gegossen sein muss. Doch gerade Wirtschaftsminister Clement hat stets darauf geachtet, bei allen Liberalisierungsbemühungen nicht die Interessen der Stromerzeuger zu vernachlässigen. Schließlich, so der Minister, gehe es auch um die Versorgungssicherheit hierzulande:
" Sie haben ihr ein wettbewerbsfreundliches Umfeld mit fairem und diskriminierungsfreiem Netzzugang. Und hier finden sie auch eine Regulierungsbehörde, die auch weiß, dass wir in Deutschland auf Investitionen in Kraftwerke und Leitungen angewiesen sind."
Nicht zuletzt deshalb war Clement auch stets offen für die Klagen der Branche, was wiederum bei den Beratungen zum Energiewirtschaftsrecht wiederholt für heftigen Streit gesorgt hat mit dem kleinen Koalitionspartner. Doch in einem Punkt herrschte immer Konsens, auch mit der Opposition: Das neue Recht muss so schnell wie möglich verabschiedet werden, nicht zuletzt um den Erzeugern die notwendige Planungssicherheit zu geben.
Immerhin geht es um veranschlagte Investitionen für die Erneuerung von Kraftwerken und Stromnetzen bis 2020 in der Größenordnung von bis zu 40 Milliarden Euro! Ohnehin bleiben die Netze trotz der Entflechtung auch künftig Eigentum der Versorger. Die anfallenden Ersatzinvestitionen müssen allerdings - trotz der neuen Wettbewerbsbedingungen - aus den Erlösen finanziert werden.
Dazu aber muss den Unternehmen auch in Zukunft eine ausreichende Rendite zugesichert werden - ein zentraler Streitpunkt bei den zurückliegenden Verhandlungen. Jetzt aber, so der hessische Wirtschaftsminister, habe man auch für die Unternehmen eine zufrieden stellende Lösung gefunden:
" Wir wollen, dass auch die Abschreibung in der Höhe erfolgt wie auch die tatsächliche Investition stattgefunden hat. Alles das, was in den Büchern steht, wird auch abgeschrieben zu einem Prozentsatz, von dem manche Unternehmen im Wettbewerbsmarkt nur träumen. Das gilt auch für die garantierte Verzinsung. Wir schaffen also wirklich eine Voraussetzung, dass der "Return on Invest" auf jeden Fall gesichert ist und damit Investitionssicherheit besteht.""
So erhalten die Erzeuger für den Altanlagenbestand eine garantierte Mindestverzinsung vor Steuern und Inflation von 6,5 Prozent beim Strom und 7,8 Prozent beim Gas auf das eingesetzte Kapital. Für Neuinvestitionen fallen die Zinssätze sogar etwas höher aus. Doch nicht zuletzt die Verbraucherschutzverbände sind an dieser Stelle unzufrieden. Die großzügigen Abschreibungsregeln würden zu Mehrbelastungen führen von bis zu 1,2 Milliarden Euro. Ein weiterer Wermutstropfen: Energieintensive Unternehmen sollen bei den Netzkosten von Ausnahmeregeln profitieren, was wiederum zu Lasten von kleineren Unternehmen sowie der Privatkunden gehen dürfte.
Sonderbehandlungen bleiben also die Ausnahme. Ansonsten sorgt der Gesetzgeber auch bei den geplanten Investitionen den Stromkonzernen genau auf die Finger. So sind im Zuge der Versorgungssicherheit strenge Berichtspflichten an die Bundesnetzagentur vorgesehen, die dann wiederum in regelmäßigen Abständen veröffentlicht werden sollen. Je nach Ergebnis müsse dann über den weiteren Verfahrensweg entscheiden werden, meint die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt:
" Die Netzagentur sagt, ihr müsst da und da eine Leitung bauen. Dagegen bin ich strikt und ich habe auch gesagt, dass könnt wir nicht machen. Denn wenn sich die Netzagentur irrt, wer finanziert dann die Leitung? Deswegen wollen wir stärkere Haftungspflichten. Wir wollen Standards definieren, was ist Versorgungssicherheit in Deutschland - was versteht man darunter. Und wenn dann nicht ausreichend investiert wird von den Netzbetreibern, dann müssen sie haftbar gemacht werden für Folgeschäden, wenn das Stromnetz ausfällt."
Doch dies ist alles noch Zukunftsmusik. Im Zweifelsfalle nämlich müsste erst der Gesetzgeber für solche Zwangsmaßnahmen die notwendigen rechtlichen Grundlagen schaffen. Entsprechend gelassen geht die Branche bislang mit solchen Überlegungen um.
An anderer Stelle hat das Energiewirtschaftsrecht jedoch längst zu hektischer Aktivität geführt. Denn das neue Gesetz wird gerade für kleine Versorger zu erheblichen Mehrbelastungen führen, etwa was die neuen Informations- und Berichtspflichten angeht. Auch die neuen Abschreibungsregeln versprechen erheblichen Mehraufwand.
Insofern könnte jetzt das geschehen, was 1998 nach der ersten Liberalisierungswelle noch ausgeblieben ist: eine deutliche Konzentration innerhalb des Stromsektors. So auch die Einschätzung beim Hauptgeschäftsführer der Elektrizitätswirtschaft, Eberhard Meller:
" Insgesamt wird es durch das Energiewirtschaftsgesetz zu einer größeren Konzentrationswirkung kommen. Denn Unbundeling ist ja auch ein anderer Teil des Energiewirtschaftsgesetzes. Frühere Synergieeffekte werden entfallen. Deshalb müssen gerade Stadtwerke zusätzliche Synergiewirkungen entfalten. Zum Beispiel, dass sich Netzbetreiber zusammenschließen, um eben die Kosten aufzufangen."
Und längst gibt es auch konkrete Pläne: So will sich etwa der Versorger in Mannheim mit den Stadtwerken in Frankfurt und Offenbach zusammenschließen. Andere der rund 600 kommunalen Betriebe werden wohl folgen, um auch unter den neuen Wettbewerbsbedingungen ihr Überleben zu sichern.
Zudem denken selbst kleinere Versorger inzwischen über den Bau von neuen Kraftwerken nach - damit aber würde dann genau das eintreten, was das neue Energiewirtschaftsrecht im Grundsatz bewirken soll: mehr Wettbewerb, dem sich selbst die Platzhirsche stellen müssen. Die Energieexpertin der Grünen, Hustedt:
" Wenn wir in Zukunft die Hälfte der Kraftwerkskapazitäten in Deutschland ersetzen wollen und müssen. Dann ist ja die Frage: werden das nur die vier großen Konzerne sein, die in Zukunft den Strom in Deutschland produzieren. Oder laden wir andere Investoren nach Deutschland ein - ausländische Investoren oder die Industrie, die chemische Industrie, die ja auch gleich die Wärme verwenden kann, kleine Investoren, Erneuerbare Energien aber auch Kraft-Wärme-Kopplung. Oder wollen wir, dass auch andere als Ruhrgas und Wingas Gas nach Deutschland importieren."
Die Politik hat darauf die Antwort gegeben. Vor allem auf sanften Druck von Brüssel hin konnte selbst in Vorwahlkampfzeiten ein parteiübergreifender Kompromiss gefunden werden, der die deutschen Energiemärkte zumindest mittelfristig grundlegend verändern wird.
Damit aber soll jetzt Schluss sein, so die Hoffnung der Politik. Ab dem 1. Juli dieses Jahres wird ein staatlicher Regulierer, die so genannte Bundesnetzagentur, zumindest einen Teil der hiesigen Energiemärkte kontrollieren. Alois Rhiel, Wirtschaftsminister von Hessen und Verhandlungsführer auf Unionsseite, über das neue deutsche Energierecht:
"Wettbewerb ist der beste Verbraucherschutz. Deshalb muss der Teilbestand, der monopolistisch organisiert ist - das sind die Netze - hier müssen wir streng kontrollieren. Damit um die Netze herum, im Handelsbereich, Wettbewerb sich verstärken kann."
Mit dem es bislang, wie gesagt, nicht weit her ist. Denn der deutsche Strommarkt wird zu 80 Prozent von lediglich vier Konzernen kontrolliert: Eon, RWE, Vattenfall Europe und Energie Baden Württemberg, kurz, ENBW. Gemeinsames Vorsteuerergebnis allein 2004: knapp 13 Milliarden Euro. Doch die Platzhirsche sind nicht nur an den meisten Stadtwerken beteiligt, sondern kontrollieren auch die Netze. Ein unschätzbarer Machtfaktor: Ohne die Netze kommt kein Strom in die Steckdosen der Verbraucher.
Diesen Wettbewerbsvorteil haben sich die Netzeigentümer bislang teuer bezahlen lassen. So lagen die Nutzungsentgelte im vergangenen Jahr für industrielle Großkunden bei knapp 1,5 Cent pro Kilowattstunde und für Haushaltskunden bei rund 6 Cent. In beiden Fällen aber entspricht dies rund einem Drittel des gesamten Stromendpreises - nach Meinung der meisten Experten entschieden zuviel. Neue Anbieter konnte sich die Branche damit vom Leibe halten. Das Problem aber aus Sicht der Wettbewerbsbehörden: Die tatsächlichen Kosten für die Durchleitung konnten bislang nicht ermittelt werden und waren damit auch nicht zu kontrollieren.
Deshalb soll der neue Regulierer genau an dieser Stelle ansetzen - eine richtige Entscheidung, meint auch der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft, also der industriellen Energieverbraucher. Alfred Richmann:
" Ich glaube schon, das wird mehr Wettbewerb geben. Einfach deswegen, weil sich dieses Gesetz konzentriert auf die Netze. Sozusagen als der Marktplatz oder die Autobahnen für Strom und Gas. Und sozusagen wenn die Autobahnen gut zugänglich sind, für die Produkte Strom und Gas, dann wird es natürlich auch lukrativer und wirtschaftlich sinnvoll sein, in Kraftwerke zu investieren beispielsweise oder Gas zu importieren, umso schneller, besser, preiswerter und effizienter an die Kunden heran zu kommen. Das ist das Entscheidende."
Im Klartext: Die neue Bundesnetzagentur, die künftig als Nachfolger der bisherigen Regulierungsbehörde für Post- und Telekommunikation auftreten wird, kümmert sich nicht um Strom oder Gaspreise, sondern ausschließlich um die Netznutzungsentgelte. Auch ordnungspolitisch kommt dieser Ansatz nicht von ungefähr, betonte erst vor einigen Tagen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement auf der Jahrestagung der Elektrizitätswirtschaft:
"Regulierung soll den Wettbewerb und damit auch den Markt stärken - nicht aber gewünschte Preise verordnen." Regulierung ist nicht einfach eine Preissenkungsveranstaltung. Zum einen zielt sie ab auf die Netzpreise, nicht aber auf die Endpreise, die letztlich vom Markt bestimmt werden. Zum anderen muss auch das Interesse der Netznutzer an niedrigen Netzpreisen der Netzkunden da enden, wo unsere aller Interesse an Versorgungssicherheit beginnt. Nur Unternehmen, die auch verdienen dürfen - nehmen sie dass bitte aus dem Munde eines Sozialdemokraten zur Kenntnis - die werden auch investieren. "
Doch welche Kompetenzen hat nun die neue Bundesnetzagentur? Zunächst einmal darf sie - dies wurde im Vermittlungsverfahren auf Drängen der Union geändert - alle bisherigen Durchleitungspreise der rund 1600 Strom- und Gasnetzbetreiber kontrollieren. Bei kleineren Stadtwerken werden dies die Länder tun. Große Ferngasunternehmen wie etwa Ruhrgas sind dagegen von der Regulierung befreit, sofern sie den Nachweis erbringen, dass sie im Wettbewerb stehen.
Ursprünglich hatte die rot-grüne Koalition vorgesehen, dass die Unternehmen zunächst nur Netz-Preiserhöhungen vorlegen müssen. Nach Ansicht der Union können durch die jetzt beschlossene Vorabgenehmigung aber überteuerte Netzengelte von vorneherein verhindert werden. Außerdem sei es möglich, noch während der Genehmigungsverfahren Kostenvergleiche anzustellen. Nach Einschätzung der Energieexpertin der Grünen, Michaele Hustedt, ist jedoch die Vorabgenehmigung nicht unproblematisch:
" Ich sehe dass mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich bin ja im Prinzip für eine Ex-ante-Regulierung. Aber wenn jetzt 1700 Unternehmen ihre Preise sozusagen rüber schieben zur Genehmigung - ob da die Behörde nicht verstopft! Und dass dies dann zu dem Ergebnis führt, dass sie zu hohe Preise genehmigt und dann auch noch den Stempel der Genehmigung verteilt, dass man an diese Preise nie mehr rankommt - das wird erst die Praxis zeigen."
Insofern dürfe die Behörde aber nicht alle Tarife auf einen Schlag prüfen, sondern sich lediglich die strittigen Fälle herausgreifen. Netzpreise, die nicht innerhalb von sechs Monaten beanstandet werden, sollen automatisch als genehmigt gelten, heißt es. Grundsätzlich aber - auch dies ist neu - sind die Unternehmen dazu verpflichtet, ausführlich über ihre Kostenberechnungen zu informieren. Entsprechend enthält das Energiewirtschaftsrecht umfangreiche Berichtspflichten gegenüber der neuen Bundesnetzagentur.
Ebenfalls neu: Die Versorger müssen ihren Netzbereich ausgliedern. Durch diesen Ansatz sollen Quersubventionierungen im Unternehmen und Mauscheleien zu Lasten Dritter von vorneherein unterbunden werden. Mehr Transparenz heißt das Zauberwort. Dadurch soll auch die künftige Arbeit des Regulierers erleichtert werden. Denn bis Mitte 2006 soll dieser ein ganz neues System für die Preisermittlung ausarbeiten, die so genannte Anreizregulierung, die dann die Vorabgenehmigung ersetzen wird. Ein Prinzip, von dem sich auch der hessische Wirtschaftsminister Rhiel viel verspricht:
"Die Anreizregulierung hat ja das Ziel, zusätzliche Effizienzreserven zu erschließen. Wenn wir Netzengelte nur genehmigen auf der Basis der Kostenrechnung, dann ist das zwar korrekt, was die Auflistung der Kosten angeht. Aber das sagt überhaupt nichts aus, ob die Unternehmen effizient arbeiten. Ob sie alle Einsparpotentiale genutzt haben, so wie es jedes private Unternehmen, das im Wettbewerbsmarkt steht, tun muss."
Wie das neue System im Detail funktionieren wird, ist - wie gesagt - derzeit noch unklar. Nur das Prinzip steht fest: Demnach soll der Erzeuger, der besonders kostengünstig arbeitet, in einem Zeitraum von bis zu fünf Jahren höhere Gewinne erwirtschaften dürfen. Später wird das Modell dann auch für die anderen Wettbewerber für allgemeingültig erklärt. Die Konsequenz: Der Effizienz- und damit auch der Kostendruck dürfte merklich steigen.
Auf Drängen der Union, aber auch der Erzeuger, werden die Prinzipien der Anreizregulierung jedoch in einer staatlichen Verordnung festgezurrt. Nicht zuletzt, so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Deutschen Elektrizitätswirtschaft, Eberhard Meller, um willkürliche Maßnahmen der Bundesnetzagentur auszuschließen:
" Die Unternehmen, die ja auf lange Sicht investieren - selbst Netzinvestitionen gehen bis auf 40 Jahre - die möchten eine gewisse Sicherheit haben. Deswegen möchten sie nicht nur einfach vom Regulierer abhängig werden, der dann nach dem Prinzip "trial and error" die Anreizregulierung ausprobiert. Deswegen haben unsere Mitgliedsunternehmen das berechtigte Interesse, wenn die Anreizregulierung erarbeitet ist, dass sie dann auf der Grundlage einer Rechtsverordnung Gültigkeit hat."
Und was heißt dies nun alles für die künftige Preisentwicklung? Im Bundeswirtschaftsministerium verweist man auf Norwegen. Dort seien die Transportkosten für Strom als Folge der Regulierung binnen zehn Jahren um 20 Prozent gesunken. Auf einen ähnlichen Effekt hofft man nun durch das neue Energierecht.
Allerdings ist die Rechnung etwas komplizierter. Denn die Netznutzungsentgelte, um die es hier geht, machen laut Faustregel nur ein Drittel des gesamten Strompreises aus. Der Rest setzt sich zusammen aus Steuern und Abgaben sowie dem eigentlichen Erzeugerpreis. Insofern will sich auch der Energiereferent beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, Thorsten Kasper, nicht genau festlegen:
"Die Netznutzungsentgelte sind ja auch von Region zu Region unterschiedlich. Vor Steuern und Abgaben machen die Netznutzungsentgelte bis zu 70 Prozent des Strompreises aus und wenn es der Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur an dieser Stelle gelingt, die Preise nach unten zu drücken und das dann auch diese Preisermäßigung nach unten weiter gegeben wird, kann man schon mit einer spürbaren Entlastung der Haushaltskunden rechnen."
Die Energiebranche selbst stapelt dagegen bei diesem Punkt eher tief. Von drastischen Preissenkungen könne angesichts der Struktur des Bruttostrompreises keine Rede sein, wiegeln die Erzeuger übertriebene Hoffnungen seitens der Verbraucher ab. Ohnehin sieht man sich dort als Sündenbock für eine überzogene Steuer- und Abgabenpolitik, erklärt VDEW-Präsident Werner Brinker. Auch über die geplanten Beiträge und Gebühren, die die Erzeuger künftig an den Regulierer zahlen sollen, ist die Branche nicht gerade begeistert:
" Lassen sie uns die Netznutzungsentgelte in Deutschland nicht durch die Übernahme der Kosten der Bundesnetzagentur durch die Unternehmen wieder verteuern. Wir haben keine Lust mehr, ewig den Sündebock zu spielen, wenn 40 Prozent des Bruttostrompreises in Deutschland durch Steuern und Abgaben sowie 35 Prozent durch politisch festgezurrte Netznutzungsentgelte festgezurrt sind."
Fakt aber bleibt: Das neue Energierecht ist auf mehr Wettbewerb, neue Anbieter und damit auch sinkende Preise angelegt - vor allem die großen energieintensiven Unternehmen, allein schon durch ihren Bedarf in einer besseren Verhandlungsposition als etwa der einzelne Verbraucher, hoffen daher auf bessere Zeiten. Verbandsgeschäftsführer Richmann:
" Das wird sich allein schon deshalb verbessern, weil sie heute kaum Angebote bekommen, wenn sie Angebote einholen meinetwegen bei verschiedenen Anbietern bei Gas oder bei verschiedenen Anbietern an Strom. Weil insbesondere im Gasbereich die Durchleitungsbedingungen dermaßen schwierig sind, dass man sich scheut, dass überhaupt in Angriff zu nehmen."
Freilich - für den Bereich Gasversorgung wird sich zumindest für die Privatkunden auch mit dem neuen Recht nach Einschätzung vieler Experten wenig ändern. Zwar wurde der Zugang der Gasanbieter zu den Netzen insgesamt erleichtert. Doch für die rund 18 Millionen Haushalte hierzulande, die auf diesen Energieträger zurückgreifen, wird es auch in Zukunft schwierig sein, angesichts der langen Vertragszeiten den Lieferanten zu wechseln. Für den Strommarkt hofft dagegen Hessens Wirtschaftsminister Rhiel in absehbarer Zeit auf einen ähnlichen Wettbewerbsdruck wie nach der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes:
" Ich gehe wirklich davon aus, dass wenn der Staat an dieser Stelle auf den begrenzten Bereich der Netzmonopole bezogen wirklich ein scharfes Instrument, so wie wir es ihm jetzt gegeben haben auch nutzt, dass dann die Voraussetzung auch in einem Monopolbereich geschaffen werden, dass Ergebnisse zustande kommen, wie sie auf dem Wettbewerbsmarkt vorhanden sind. Der Kunde, das heißt sowohl der industrielle als auch der private, muss allerdings auch von dieser Möglichkeit gebrauch machen."
Insofern hat es also auch der Verbraucher in der Hand, wie sich der Wettbewerb auf den Strommärkten künftig entfalten wird. Doch auch an anderer Stelle bringt das Energiewirtschaftsgesetz einige Neuerungen für den Privatkunden. Zwar wurden die ursprünglich von Rot-Grün geplanten Kennzeichnungspflichten im Zuge des Vermittlungsverfahrens zusammengestrichen. Doch auch mit dem abgespeckten Ergebnis ist selbst Verbraucherschützer Kasper durchaus zufrieden:
" Stromkennzeichnung ist ein ganz wesentlicher Faktor. Die Kunden sollen erfahren, wofür sie ihr Geld ausgeben. Sie sollen erfahren, welche Umweltbelastungen im Bereich CO2 oder Atommüll mit ihrem Stromkonsum verbunden sind. Sie sollen erfahren, aus welchen Primärenergieträgern - sei es Atomkraft, oder Öl oder Gas - der Strom, den sie beziehen, hergestellt wird. Insofern wird schon für Transparenz gesorgt."
Doch trotz der neuen Transparenz, trotz des Wettbewerbsdrucks, der sich vermutlich aufbauen wird - das neue Energiewirtschaftsrecht ist auch aus Sicht der Erzeuger akzeptabel. Vor allem die großen Konzerne werden auch unter den neuen Bedingungen gut leben können - nicht zuletzt deshalb hat die Branche zwar hinter den Kulissen verbissen um Detailänderungen gekämpft, nicht aber das Gesetz per se in Frage gestellt.
Allerdings war sie an dieser Stelle auch chancenlos: Denn mit dem neuen Recht setzt Rot-Grün - sozusagen in letzterer Sekunde - lediglich europäische Vorgaben um. Das Energiewirtschaftsgesetz ist die deutsche Antwort auf die so genannte Beschleunigungsrichtlinie, die bereits 2002 von der EU beschlossen worden ist und die bis Juli dieses Jahres in nationales Recht gegossen sein muss. Doch gerade Wirtschaftsminister Clement hat stets darauf geachtet, bei allen Liberalisierungsbemühungen nicht die Interessen der Stromerzeuger zu vernachlässigen. Schließlich, so der Minister, gehe es auch um die Versorgungssicherheit hierzulande:
" Sie haben ihr ein wettbewerbsfreundliches Umfeld mit fairem und diskriminierungsfreiem Netzzugang. Und hier finden sie auch eine Regulierungsbehörde, die auch weiß, dass wir in Deutschland auf Investitionen in Kraftwerke und Leitungen angewiesen sind."
Nicht zuletzt deshalb war Clement auch stets offen für die Klagen der Branche, was wiederum bei den Beratungen zum Energiewirtschaftsrecht wiederholt für heftigen Streit gesorgt hat mit dem kleinen Koalitionspartner. Doch in einem Punkt herrschte immer Konsens, auch mit der Opposition: Das neue Recht muss so schnell wie möglich verabschiedet werden, nicht zuletzt um den Erzeugern die notwendige Planungssicherheit zu geben.
Immerhin geht es um veranschlagte Investitionen für die Erneuerung von Kraftwerken und Stromnetzen bis 2020 in der Größenordnung von bis zu 40 Milliarden Euro! Ohnehin bleiben die Netze trotz der Entflechtung auch künftig Eigentum der Versorger. Die anfallenden Ersatzinvestitionen müssen allerdings - trotz der neuen Wettbewerbsbedingungen - aus den Erlösen finanziert werden.
Dazu aber muss den Unternehmen auch in Zukunft eine ausreichende Rendite zugesichert werden - ein zentraler Streitpunkt bei den zurückliegenden Verhandlungen. Jetzt aber, so der hessische Wirtschaftsminister, habe man auch für die Unternehmen eine zufrieden stellende Lösung gefunden:
" Wir wollen, dass auch die Abschreibung in der Höhe erfolgt wie auch die tatsächliche Investition stattgefunden hat. Alles das, was in den Büchern steht, wird auch abgeschrieben zu einem Prozentsatz, von dem manche Unternehmen im Wettbewerbsmarkt nur träumen. Das gilt auch für die garantierte Verzinsung. Wir schaffen also wirklich eine Voraussetzung, dass der "Return on Invest" auf jeden Fall gesichert ist und damit Investitionssicherheit besteht.""
So erhalten die Erzeuger für den Altanlagenbestand eine garantierte Mindestverzinsung vor Steuern und Inflation von 6,5 Prozent beim Strom und 7,8 Prozent beim Gas auf das eingesetzte Kapital. Für Neuinvestitionen fallen die Zinssätze sogar etwas höher aus. Doch nicht zuletzt die Verbraucherschutzverbände sind an dieser Stelle unzufrieden. Die großzügigen Abschreibungsregeln würden zu Mehrbelastungen führen von bis zu 1,2 Milliarden Euro. Ein weiterer Wermutstropfen: Energieintensive Unternehmen sollen bei den Netzkosten von Ausnahmeregeln profitieren, was wiederum zu Lasten von kleineren Unternehmen sowie der Privatkunden gehen dürfte.
Sonderbehandlungen bleiben also die Ausnahme. Ansonsten sorgt der Gesetzgeber auch bei den geplanten Investitionen den Stromkonzernen genau auf die Finger. So sind im Zuge der Versorgungssicherheit strenge Berichtspflichten an die Bundesnetzagentur vorgesehen, die dann wiederum in regelmäßigen Abständen veröffentlicht werden sollen. Je nach Ergebnis müsse dann über den weiteren Verfahrensweg entscheiden werden, meint die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt:
" Die Netzagentur sagt, ihr müsst da und da eine Leitung bauen. Dagegen bin ich strikt und ich habe auch gesagt, dass könnt wir nicht machen. Denn wenn sich die Netzagentur irrt, wer finanziert dann die Leitung? Deswegen wollen wir stärkere Haftungspflichten. Wir wollen Standards definieren, was ist Versorgungssicherheit in Deutschland - was versteht man darunter. Und wenn dann nicht ausreichend investiert wird von den Netzbetreibern, dann müssen sie haftbar gemacht werden für Folgeschäden, wenn das Stromnetz ausfällt."
Doch dies ist alles noch Zukunftsmusik. Im Zweifelsfalle nämlich müsste erst der Gesetzgeber für solche Zwangsmaßnahmen die notwendigen rechtlichen Grundlagen schaffen. Entsprechend gelassen geht die Branche bislang mit solchen Überlegungen um.
An anderer Stelle hat das Energiewirtschaftsrecht jedoch längst zu hektischer Aktivität geführt. Denn das neue Gesetz wird gerade für kleine Versorger zu erheblichen Mehrbelastungen führen, etwa was die neuen Informations- und Berichtspflichten angeht. Auch die neuen Abschreibungsregeln versprechen erheblichen Mehraufwand.
Insofern könnte jetzt das geschehen, was 1998 nach der ersten Liberalisierungswelle noch ausgeblieben ist: eine deutliche Konzentration innerhalb des Stromsektors. So auch die Einschätzung beim Hauptgeschäftsführer der Elektrizitätswirtschaft, Eberhard Meller:
" Insgesamt wird es durch das Energiewirtschaftsgesetz zu einer größeren Konzentrationswirkung kommen. Denn Unbundeling ist ja auch ein anderer Teil des Energiewirtschaftsgesetzes. Frühere Synergieeffekte werden entfallen. Deshalb müssen gerade Stadtwerke zusätzliche Synergiewirkungen entfalten. Zum Beispiel, dass sich Netzbetreiber zusammenschließen, um eben die Kosten aufzufangen."
Und längst gibt es auch konkrete Pläne: So will sich etwa der Versorger in Mannheim mit den Stadtwerken in Frankfurt und Offenbach zusammenschließen. Andere der rund 600 kommunalen Betriebe werden wohl folgen, um auch unter den neuen Wettbewerbsbedingungen ihr Überleben zu sichern.
Zudem denken selbst kleinere Versorger inzwischen über den Bau von neuen Kraftwerken nach - damit aber würde dann genau das eintreten, was das neue Energiewirtschaftsrecht im Grundsatz bewirken soll: mehr Wettbewerb, dem sich selbst die Platzhirsche stellen müssen. Die Energieexpertin der Grünen, Hustedt:
" Wenn wir in Zukunft die Hälfte der Kraftwerkskapazitäten in Deutschland ersetzen wollen und müssen. Dann ist ja die Frage: werden das nur die vier großen Konzerne sein, die in Zukunft den Strom in Deutschland produzieren. Oder laden wir andere Investoren nach Deutschland ein - ausländische Investoren oder die Industrie, die chemische Industrie, die ja auch gleich die Wärme verwenden kann, kleine Investoren, Erneuerbare Energien aber auch Kraft-Wärme-Kopplung. Oder wollen wir, dass auch andere als Ruhrgas und Wingas Gas nach Deutschland importieren."
Die Politik hat darauf die Antwort gegeben. Vor allem auf sanften Druck von Brüssel hin konnte selbst in Vorwahlkampfzeiten ein parteiübergreifender Kompromiss gefunden werden, der die deutschen Energiemärkte zumindest mittelfristig grundlegend verändern wird.