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Aufstand der Wichtel

Im polnischen Wrocwaw, das einmal Breslau hieß, erinnern seit genau 25 Jahren Gartenzwerge an den Beginn eines Aufstandes gegen die Kommunisten. Das zieht mittlerweile Touristen magisch an.

Von Erich Reißig |
    Es ist laut in Breslau. Baustellen, Autos Verkehr, verstopfte und überlastete Straßen überall.

    "Und während dieser Verkehr hier entlang rollt, bauense gerade die Straße, teeren. Ein paar Bauarbeiter schleppen eine Walze zwischen den Autos hindurch, eine Handwalze. Das Chaos. Die Ambulanz fährt vorbei..."

    Nach Jahren der Vergessenheit trat die Stadt an der Oder Anfang des neuen Jahrtausends wieder ins Licht der Öffentlichkeit. Und mit ihr ein neues Symbol – Die Zwerge von Breslau - die zu hunderten die Altstadt bevölkern, Wojcieck Zalewski:

    "Polen ist berühmt wegen der Solidarnosc-Bewegung, aber in Breslau gab es eine avantgardistisch antikommunistische Bewegung die "Orangene Alternative". Ihr Initiator - Waldemar Fydrych - kam Anfang der 80-er nach Breslau. Er sammelte eine Gruppe von Gleichgesinnten, die nicht nur mit Streiks das System bekämpfen wollten, sondern mit dadaistischen Happenings, mit Spaß und mit Liebe.
    Sie schrieben Ort und Tag ihrer Aktionen auf Hauswände und wenn das über Nacht von den Machthabern übertüncht wurde, malte einer aus der Gruppe einen Zwerg auf diese Flächen. Die Menschen hatten den Eindruck, dass Zwerge die Inschriften übermalten und dafür sorgten, dass die Stadt sauber und hübsch aussah - von hässlichen Parolen befreit."

    "Sie machten auch eine Revolution der Zwerge: Am Internationalen Kindertag am 1. Juni versammelten sich Tausende von Leuten in orangenen Umhängen und Hüten als Zwerge verkleidet auf der Swidnicka Straße und als die Polizei sie zerstreuen und verhaften wollte, weil Versammlungen während des Kriegsrechts verboten waren, erklärten sie: Schaut her wir sind keine Menschen, wir sind Zwerge und für Zwerge gibt es kein Versammlungsverbot. So wurde der Zwerg zum Symbol der Bewegung."

    "Nach dem Jahr 2000 gab es eine große Diskussion, wie die Stadt sich vermarkten könnte. Man suchte etwas, das unverwechselbar war und identitätsstiftend und weil es die Ptodrdt- Zwerge nur in Breslau gab, kamen die Werbestrategen auf die Idee handtellergroße Zwergskulpturen aufstellen zu lassen. Ein erster kam in die Swidnicka Straße, dort bei der Uhr, wo seinerzeit die "Orangene Alternative" sich versammelte und ihre Aktionen abhielt."

    "Ein paar Jahre später 2004 gab es eine erste Gruppe von 12 Zwergen, die die Stadt bei dem Künstler Thomas Mocik in Auftrag gab, Den Leuten gefielen die Bronzefiguren so sehr, dass Jahr für Jahr neue hinzu kamen, einige von der Stadt bezahlt, aber inzwischen lassen auch Firmen, Läden und Büros eigene Zwerge herstellen."

    Hier an der Ecke, wo damals in den achtziger Jahren die Demonstrationen der Orangenen Alternative stattfanden, ist ein Monument, ein kleines errichtet: Papa Zwerg, eine Figur, die auf einem Kubus steht.
    Es gibt eine ganze Anzahl von Zwergen hier in der Stadt, hundert oder sogar mehr. Ein paar von denen sind gleich auf der anderen Seite. Das heißt, es waren ein paar, einer ist noch übrig geblieben, die anderen sind irgendwie geklaut worden.


    Vom politischen Symbol haben sich die Zwerge inzwischen zur Touristenattraktion gewandelt. Nicht wenige Passanten, die über den Platz am alten Rathaus schlendern, laufen weiter in die hübsch hergerichteten Gassen rund um den Markt.
    Sie folgen dem Zwergenstadtplan um die kleinen Figuren zu suchen.
    Ein vergnügliches Spiel, das zuweilen zu wundersamen Ergebnissen führt

    "Na, wo ist denn jetzt der nächste Zwerg?
    Ich weiß nicht.
    Und sind die alle so klein?
    Hmmm. Du musst an den Häusern entlang gehen.
    Da ist ja einer
    Das ist ein Rohr
    Ein Rohr, ja."