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Aufstand gegen Brüssel

Die Regierung in Rom hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das alle Lebensmittel mit einem lückenlosen und perfekten Herkunftsnachweis versehen soll. Italien muss mit Einwänden aus Brüssel rechnen. Doch in Rom ist man wild entschlossen, das Etikettengesetz durchzuboxen.

Von Thomas Migge |
    Ob Morgen- oder Mittagsmagazin: Italiens Fernsehsendungen thematisieren immer wieder, Woche für Woche, das Thema Lebensmitteletiketten und Lebensmittelbetrug. Die Etikette macht den Unterschied: das ist das Credo, das in Italiens Medien verkündet wird. Dass es auch Etikettenbetrüger gibt, die gefälschte Aufschriften produzieren, um zum Beispiel chinesische Produkte als "Made in Italy" auszugeben, ist bekannt, kratzt aber nicht am Image der Herkunfts- und Zusammensetzungsbeschriftungen.

    Auch im Landwirtschaftsministerium denkt man so und in allen italienischen Parteien. Regierung und Opposition haben deshalb in seltener Einmütigkeit ein neues Gesetz verabschiedet, das die Etiketten neu regelt. National und ohne Ausnahme für alle Lebensmittel, die verpackt verkauft werden.
    Landwirtschaftsminister Giancarlo Galan:

    "Jetzt haben die Italiener ein Recht mehr. Das Recht zu wissen, woher ein Lebensmittel kommt, wer es produziert und abgepackt hat. Jetzt müssen alle Produzenten nachweisen, woher ihr Produkt kommt. Der Konsument weiß also woran er ist."

    Geflügel- und anderes Fleisch, Milch und Olivenöl und einige andere Produkte: sie alle müssen schon seit Jahren Herkunftsnachweise tragen. Ab sofort gilt das auch für Nudeln, Wurstwaren, für Säfte, Tomatenmark, Käse und andere Lebensmittel. Die Etiketten müssen erklären, wer was und wo hergestellt hat und was das Produkt exakt enthält. Mehr Sicherheit für den Verbraucher, frohlockt der berühmte Fernseharzt Giorgio Calabrese:

    "Es gibt verschiedene Wege Lebensmittelsicherheit zu garantieren. Dieses neue Gesetz ist der richtige Weg, denn es verpflichtet die Produzenten maximale Informationen zu geben. Sicherlich: Lebensmittelfälscher fälschen auch Etiketten, aber unsere italienische Lebensmittelpolizei ist eine der besten weltweit. Die werden solchen Betrügereien schon aufdecken. Mehr kann man nicht tun."

    Auch Verbraucherverbände und Feinschmeckervereinigungen, wie zum Beispiel die in Deutschland bekannte und vertretene Bewegung Slow Food, begrüßen das neue Gesetz. Dieses neue Gesetz schreibt auch vor, dass Lebensmittel mit OGM-Zusätzen deutlich als solche ausgewiesen werden. Wer falsche oder nicht alle Zutaten und Zusätze eines Lebensmittels angibt, betreibt dem Gesetz zufolge Handelsbetrug, der strafrechtlich verfolgt wird. Die in einem solchen Fall vorgesehenen Geldstrafen verdoppeln sich, wenn es sich bei falschen oder gefälschten Etiketten um Produkte mit den Güte- und Herkunftssiegeln DOC und DOP, IGP und SGT handelt.

    Die neue Bestimmung sieht ebenfalls vor, dass diejenigen Bauern der Region Kampanien, die den bekannten und in den letzten Jahren wegen Dioxinrückständen arg ins Gerede gekommenen Mozzarellakäse herstellen, täglich ihre Milchproduktion festhalten und den Behörden mitteilen müssen. Auf diese Weise soll verhindert werden, das, wie oft geschehen, Milch von auswärts angekauft wird um die Produktion illegalerweise zu steigern. Carlo Petrini, Präsident von Slow Food Italia:

    "Ich muss schon sagen: die machen das richtig mit diesem Gesetz. Der Konsument weiß jetzt woran er ist. Bisher war fast immer unklar, woher zum Beispiel das Obst in Fruchtsäften oder der Rohstoff für lang haltbare Milch kam. Wir können jetzt genau nachverfolgen woher die Dinge kommen. Und mit uns auch die Lebensmittelpolizei. So wird man auch die Vertrauenskrise seitens der Verbraucher bestimmten Lebensmitteln gegenüber in den Griff bekommen."

    Zustimmung auf allen Seiten für das neue Gesetz. Bleibt abzuwarten was die europäische Kommission zu dem italienischen Alleingang sagen wird. Die Kommission hat drei Monate Zeit, um die Gültigkeit dieses Gesetzes zu prüfen. Egal wie diese Prüfung ausfällt: Landwirtschaftsminister Galan erklärte bereits, kampfbereit und selbstbewusst, dass seine Regierung die neue Bestimmung unter keinen Umständen zurücknehmen werde. Das sei man den italienischen Verbrauchern schuldig.