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Aufstieg und Fall des Basketballprofis Iverson

An diesem Wochenende beginnen in der Nordamerikanischen Basketball-Liga NBA die Playoffs. Die K. O.-Runde war einst die große Zeit des kleinen Allen Iverson. Der nur 1,83 Meter große Spielmacher wurde zwar nie Meister, führte Philadelphia aber 2001 ins Finale, wurde im selben Jahr zum wertvollsten Spieler gewählt und zudem viermal bester Werfer der NBA. Mit seinen 34 Jahren ist Iverson eigentlich noch nicht zu alt, um sich aus der besten Basketball-Liga der Welt zurückzuziehen – und dennoch hatte er die Saison im März vorzeitig beendet, aus privaten Gründen. Mittlerweile ist bekannt geworden, was genau dahinter steckt.

Von Heiko Oldörp | 17.04.2010
    Am 2. März erklärte Iverson seine Saison bei den Philadelphia 76ers für beendet – er wolle sich um seine kranke Tochter kümmern, lautete seine Begründung. Zwei Tage später reichte Iversons Ehefrau jedoch die Scheidung ein und beantragte zudem das Sorgerecht für die fünf gemeinsamen Kinder. Mittlerweile wurde bekannt, dass Iverson nicht nur Alkoholprobleme hat, sondern durch seine Spielsucht auch pleite ist – dabei verdiente er in seiner Karriere mehr als 200 Millionen Dollar.

    Iversons Fall ist ebenso charakteristisch für ihn, wie es einst sein Aufstieg war. Er galt schon immer als das Parade-Beispiel für jemanden, der es aus dem Ghetto nach ganz oben geschafft hat. Mutter Ann ist 15 Jahre alt und alleinerziehend, als sie ihn 1975 in Hampton im Bundesstaat Virginia zur Welt bringt. Seinen Vater lernt Iverson nie kennen, sein Stiefvater ist ein überführter Kokain-Händler. Zusammen mit 13 Verwandten lebt Iverson in einem kleinen, bungalow-ähnlichen Haus. Wenn die Familie die Rechnungen nicht zahlen kann, wohnt sie mehrere Tage ohne Strom, Heizung und Wasser. Iverson träumt früh davon, später ein besseres Leben zu führen. Doch um ihn herum herrscht Armut und Kriminalität. Acht seiner Jugendfreunde werden erschossen. Bei Bob Barefield lernt er Basketball spielen und fällt dem Coach schnell durch sein großes Talent auf.

    "”Ich habe seiner Mutter oft gesagt, dass ihr Sohn das Ticket für sie ist, diese Gegend hier zu verlassen. Aber sie stand unter Drogen, hat mich nicht verstanden.""

    Dennoch ist die Mutter neben dem Trainer Iversons wichtigste Bezugsperson.

    "Meiner Mutter sagte immer, dass ich alles werden kann, was ich möchte. Ich habe meinen Freunden gesagt, dass ich Profi werden will, die meinten nur, dass niemand aus dieser Gegend das schafft."

    Doch Iverson ist derart talentiert, dass er bald in ganz Virginia bekannt wird. Seine große Bühne ist das Colliseum in Hampton, wo er Iverson bereits als 17-Jähriger ein gefeierter Star ist und mit dem Highschool-Team Landesmeister wird. Seine Mutter meint damals stolz im Fernseh-Interview:

    "Ich glaube, dass er eines Tages das wahr macht, was er mir als Neunjähriger schon gesagt hat: Damals meinte er, Mom, ich werde Profi, kaufe dir dann deinen Traumwagen und wohne in einem Haus, dass besser ist, als das von Michael Jordan."

    Iverson gilt als bester Highschool-Basketballer Amerikas, als er am 14. Februar 1993 erstmals straffällig wird. In einer Bowling-Halle bricht eine Schlägerei zwischen Afro-Amerikanern und Weißen aus. Iverson wird beschuldigt, eine Frau mit einem Stuhl auf den Kopf geschlagen zu haben und wird mit drei weiteren Freunden festgenommen – kein Weißer wird angeklagt. So erlangt der Fall überall in den USA Aufmerksamkeit. Verteidiger Jim Ellenson erinnert sich.

    "Keiner von ihnen war vorher straffällig geworden, es gab kaum schwere Verletzungen und es war eigentlich eine Schlägerei von beiden Seiten. Warum dennoch ein so Aufsehen gemacht wurde? Für mich ist Antwort klar – wegen Allen Iverson."

    Iverson wird zu 15 Jahren Haft verurteilt, die Strafe jedoch umgehend abgemildert. Letztlich verbringt er vier Monate hinter Gittern. In seiner Karriere folgen zwei weitere Gefängnis-Strafen – Iverson gilt als Hooligan im Basketball-Shirt.

    "Ich saß dreimal im Gefängnis – ich will nicht sagen, dass ich das gemacht habe, was mir vorgeworfen wurde, aber ich denke, dass ich es jedes Mal verdient hatte, dort zu sein."

    Iverson ist dennoch beliebt bei den Fans. Obwohl er nur 1,83 Meter groß ist, gilt er als Spezialist für spektakuläre Dunks. In Philadelphia ist er um die Jahrtausendwende so beliebt, wie Michael Jordan zu seinen besten Zeiten in Chicago. Reebok macht aus Iverson ein Marketing-Produkt und gibt ihm den Spitznamen "the answer".

    Derzeit wirft Iverson jedoch mehr Fragen auf, als das er Antworten gibt. Joyce Hobson verfolgt den Niedergang des einstigen Stars genau. 1993 ist sie - wie tausende Farbige - in Hampton für ihn auf die Straße gegangen, hat beim Prozess für einen Freispruch protestiert. Heute hingegen sieht die seinen Fall kritisch.

    "Allen Iversons Geschichte ist eine traurige Story mit einem ungeschriebenen Ende. Er muss entscheiden, was für ein Erbe er hinterlassen will. Er hat jetzt Kinder, muss deshalb in den Spiegel schauen und sich darüber klar werden, was für einen Menschen seine Kinder in ihm sehen sollen."