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Auftakt der Mozartwoche in Salzburg
Choreografie für Pferde

Von Jörn Florian Fuchs |
    Endlich gibt es wieder Pferde in der Salzburger Felsenreitschule. Seit Langem wird dieser Ort ja gleichsam zweckentfremdet und sommers wie winters vorwiegend mit Konzerten und Opern bespielt. 1694 wurde die Felsenreitschule gebaut und zunächst exklusiv für Pferdedarbietungen genutzt – vorwiegend in der warmen Jahreszeit, denn ein Dach gab es damals noch nicht. In den berühmten Felsenarkaden saß das Publikum. Heute schaut man vom Zuschauerraum aus auf die steinernen Bögen, davor beziehungsweise darunter befindet sich die Bühne.
    Ein klein wenig an alte Zeiten erinnert die Eröffnungspremiere der Salzburger Mozartwoche, allerdings sind in den Arkaden nun die Sänger und Musiker positioniert.
    Zwischen Publikum und Künstlern wurde eine Unmenge grauer Sand aufgeschüttet, damit die Pferde dort elegant schreiten oder tänzeln können. Ein Dutzend Tiere der Rassen Lusitano und Criollo hat der französische Pferdechoreograf Bartabas von Versailles an die Salzach geholt, um Mozarts Kantate "Davide penitente" tierisch zu bereichern. Das Stück ist eine Kontrafaktur, Mozart verwendete vorwiegend Teile seiner älteren c-Moll-Messe. Eher gediegen geht es zu, König Davids Reflexionen im alttestamentarischen Psalmengewand schreien nicht gerade nach der großen Bühne. Dirigent Marc Minkowski und Bartabas aber fanden schlicht Gefallen an der Musik, Minkowski ergänzte den 45-Minüter noch durch ein paar weitere kurze Werke Mozarts.
    Die drei Gesangssolisten werden durch Pferde verdoppelt, jedoch sind die virtuosen Kunststückchen vom Inhaltlichen, vom Gesungenen völlig abgekoppelt. Man erlebt eine wunderbar anzuschauende Revue, zu der es eben auch noch Musik gibt. Komplex wird die Sache einzig dort, wo das Orchester mit Rubati arbeitet und auch die Pferde kunstvoll ins Stocken, Zögern geraten. Bartabas selbst reitet zu Mozarts "Maurerischer Trauermusik" ein erst traumverloren schönes, dann düster enigmatisches Solo. In solch verstörenden Augenblicken gewinnt der Abend eine gewisse Kraft.
    Gewöhnen muss man sich indes an die ewigen Geräusche von diversem Zaumzeug, an das ständige Trappeln und Schnaufen. Ein Tier klappert immer wieder mit den Zähnen, ein anderes schnaubt während Christiane Karg brillante Soprankoloraturen singt.
    Da die Musiker so weit im Raum verteilt sind, leidet die Koordination arg. Noch am ehesten überzeugt der von Alois Glassner einstudierte Salzburger Bachchor, Marc Minkowskis Musiciens du Louvre Grenoble hingegen enttäuschen durch viele Patzer und leider auch durch ein insgesamt eher mattes Klangbild.
    Was bleibt also von diesem eigenwilligen Projekt? Die Erkenntnis, dass sich zwar Mozart nicht dressieren lässt, aber ein eher schwaches Stück durch solch ein Pferdespektakel immerhin etwas an Intensität gewinnt. Bartabas verabschiedete sich mit einer wilden Zugabe aller zwölf Pferde, während der die zum Applaus angetretene Christiane Karg beinahe umgenietet wurde. Hobbyreiter und Pferdenarr Minkowski nahm sie daraufhin herzhaft in den Arm.
    Tags darauf stand eine konzertante Schubert-Rarität auf dem Programm: "Alfonso und Estrella". Die Geschichte ist simpel, zwei anfangs ziemlich unglückliche Königskinder verfeindeter Dynastien finden nach drei langen Akten zueinander. Eigenartig ist das Stück gebaut, konkrete Handlungsorte bleiben unklar, dazu verknüpft Schubert 34 Nummern, die ohne Rezitative ineinander über gehen. Es handelt sich eher um einen hochgerüsteten Liederkreis denn um eine echte Oper. Für Schuberts Zeitgenossen war das zu experimentell, erst 1854 folgte die Uraufführung. In Weimar war das, unter Leitung von Franz Liszt, der jedoch eine neue Fassung erstellte und das Werk ziemlich verstümmelte.
    Antonello Manacorda erwies sich am Pult des Mozarteumorchesters als kluger Klangkoordinator, wieder recht gut der Bachchor. Bei den Solisten überzeugten vor allem Michael Nagy als kräftiger Mauregato - ein grimmiger Bösewicht - und Mojca Erdmann als wohltönend leichte Estrella.