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Aufwendige Mogelpackung

Genetik. - Stechmücken der Art Anopheles übertragen die Malaria, an der jedes Jahr Millionen Menschen erkranken. Mit der Sterile-Insekten-Technik (SIT) bekämpfen Wissenschaftler die Mücken. In einem neuen Verfahren setzen Forscher auf genetisch unfruchtbar gemachte Insektenmännchen.

Von Joachim Budde | 24.11.2011
    Wenn ein Weibchen der Mückenart Anopheles gambiae einen Partner sucht, fliegt es in eine Art Disco: Die Schwärme der Männchen sehen aus, als tanzten tausende Mücken in der Abendsonne. Nach der Begattung macht sich das Anopheles-Weibchen auf die Suche nach Blut, das es für die Produktion der Eier benötigt – und es paart sich nie wieder.

    Diese Eigenschaft versuchen Biologen zu nutzen, die die Mücke mit der Sterile-Insekten-Technik, kurz SIT, bekämpfen wollen. Sie planen, unzählige sterile Männchen freizulassen. Wenn sich Weibchen mit diesen Männchen paaren, legen sie leere Eier – der Nachwuchs bleibt aus, die Mücken verschwinden und damit die Gefahr der Malaria.

    Doch die SIT hat ein Problem, sagt Flaminia Catteruccia vom Imperial College in London:

    "Es ist sehr wichtig, dass die sterilisierten Männchen nicht zu stark beschädigt sind, damit sie dort draußen ihre Aufgabe erfüllen können: Ein Weibchen finden, es begatten und für den Rest ihres Lebens enthaltsam machen."

    Bisher experimentieren die meisten SIT-Forschungsgruppen mit radioaktiv bestrahlten Männchen. Eine minimale Strahlendosis zerstört ihre Samenzellen, schädigt aber auch die Mücken. Catteruccia und ihre Kollegen untersuchen einen anderen Ansatz: Sie machen die Männchen mittels genetischer Verfahren unfruchtbar. Im Labor haben sie Mückeneiern bestimmte RNA-Fragmente eingespritzt, die das Gen blockieren, das die Bildung der Samenzellen auslöst. Wie die weiteren Versuche gezeigt haben, sind die Männchen ansonsten unversehrt, sagt Catteruccia.

    "Zu unserer Überraschung und Erleichterung haben sich diese Weibchen ganz normal verhalten. Für uns bedeutet das, dass es ein sicherer Weg ist, Männchen ohne Samenzellen zu erzeugen. Denn die Weibchen merken nicht, dass mit dem Männchen etwas nicht stimmt, sie sind zufrieden und paaren sich nicht erneut."

    Das Ergebnis ist nicht selbstverständlich: Untersuchungen an Fruchtfliegen haben gezeigt, dass Fruchtfliegen-Weibchen sich sehr wohl neu paaren, wenn ein Männchen ihnen keine Samenzellen übergeben hat.

    Bei den Mücken ist das anders. Offenbar signalisieren Sekrete der männlichen Geschlechtsdrüsen dem Weibchen, dass die Befruchtung geklappt hat, also die Stoffe, in die unter normalen Umständen die Spermien bei der Befruchtung eingebettet sind.

    Das Ergebnis ist auch für andere Forschungsgruppen interessant, die sich mit der Sterilen Insektentechnik beschäftigen, sagt der Biologe Mark Benedict von der Universität im italienischen Peruggia. Er hat bis vor Kurzem bei der Internationalen Atomenergiebehörde an SIT-Projekten mitgearbeitet.

    "Ich bezweifle, dass andere Forschergruppen wegen dieser Erkenntnis augenblicklich ihre Stoßrichtung ändern werden. Aber Frau Catteruccia beantwortet eine entscheidende Frage: Was macht ein Mücken-Männchen guter Qualität aus? Sie hat gezeigt, es sind die Sekrete der Geschlechtsdrüsen, nicht der Samen selbst."

    Ein Wermutstropfen bleibt aber auch bei Catteruccias Ansatz. Denn ein kleiner Anteil der befruchteten Weibchen – in freier Wildbahn ein oder zwei Exemplare von Hundert – paart sich doch ein zweites Mal. Wenn sie der Bekämpfung entgingen, könnte sich daraus eine Anopheles-Variante entwickeln, die sich immer mehrmals paart. Dann wäre die neue Waffe stumpf.
    Auch diese Weibchen wollen Flaminia Catteruccia und ihre Kollegen ins Visier nehmen. Darum wollen sie als Nächstes herausfinden, welcher Stoff genau die Enthaltsamkeit der anderen Weibchen hervorruft.

    "Mücken passen sich sehr schnell an und überwinden jede Bekämpfungstechnik. Die beste Lösung ist also, sowohl die Weibchen als auch die Männchen zu bekämpfen. So verringern wir das Risiko, dass die Insekten Resistenzen entwickeln."