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Aufwind für die Berlusconi-Freunde

Die Zeiten gewalttätiger Zusammenstöße zwischen links- und rechtsradikalen Studierenden hielten Soziolgen für beendet, doch an Roms Uni herrscht seit Wochen ein Klima wie in den 70er Jahren. Seit dem Wahlsieg Silvio Berlusconis fühlen sich vor allem rechtsradikale Gruppierungen an den Hochschulen im Aufwind.

Von Thomas Migge |
    Es begann mit Schimpfwörtern, dann kam es zu Rempeleien und schließlich zu einer handfesten Schlägerei, an der Dutzende von Studierenden beteiligt waren.

    In der Via De Lollis, auf dem Campus der römischen Universität "La Sapienza", schlugen in dieser Woche Studierende aufeinander ein. Es floss Blut und vier Verletzte mussten in die nahe Universitätsklinik eingewiesen werden. Der Rektor von "La Sapienza", mit rund 100.000 Studierenden die größte Hochschule Italiens, reagierte hilflos und rief in der ebenfalls in der Nähe gelegenen Kaserne an, um Soldaten anzufordern, die die Studierenden zur Raison bringen sollten. Seit Wochen schon herrscht an Roms größer Uni ein Klima wie in den 70er Jahren, den heißen Jahren des italienischen Studentenprotests gegen das politische und vor allem rechte Establishment, berichtet Francesco Ipata. Er studiert politische Wissenschaften an "La Sapienza" und war an den Zusammenstößen beteiligt:

    "Ich gehöre einer Gruppe von Studierenden an, die radikal links ist und dagegen kämpft, dass diesen Rechten hier an der Uni immer mehr Gehör geschenkt wird. Die sind bei uns auf dem Vormarsch, seit Berlusconi und die ehemaligen Neofaschisten an der Macht sind. Jetzt formieren die sich und treten an die Öffentlichkeit."

    Francesco Ipata gehört dem sogenannten antifaschistischen "Collettivo" an, das sich vor allem aus Studierenden der Fakultät "Lettere" zusammensetzt, zu der die politischen Wissenschaften, die Soziologe und Philosophie gehören. Das Gebäude dieser Fakultät war vor allem in den 70er Jahren ein berühmt-berüchtigter Hort linksradikalen Protests.

    Ipata und seine Kommilitonen protestierten in den vergangenen Tagen gegen eine vom Rektor genehmigte Veranstaltung in der Universität. Bei der von der rechtsradikalen Studentenorganisation Forza Nuova organisierten Veranstaltung sollte an kommunistische Kriegsverbrechen, durchgeführt von Titos Soldaten, im Nordosten Italiens erinnert werden. Claudia Doniccini studiert an "La Sapienza" Jura und gehört "Forza Nuova" an:

    "Das große Problem ist nicht, dass man diese Veranstaltung schließlich absagte, sondern dass man uns radikale rechte Studierende mundtot machen will. Hier an der Uni geben die Kommunisten den Ton an. Seit 50 Jahren verdrehen sie die Geschichtsschreibung. Jetzt, wo endlich die Rechten die Regierung stellen, finden wir es an der Zeit, dass auch hier an der Uni die Wahrheit über unsere italienische Geschichte gesagt werden darf."

    Tatsache ist, melden Italiens Medien, dass wie an Oberschulen auch an den Universitäten seit einigen Jahren rechtsradikale Gruppierungen wie Pilze aus dem Boden schießen und immer mehr Mitglieder finden. In der letzten Regierung von Silvio Berlusconi, zwischen 2001 und 2005, so eine Reportage des Nachrichtenmagazins "L'Espresso", finanzierte die aus den Neofaschisten hervorgegangene rechte Nationale Allianz AN, der wichtigste Koalitionspartner des Medienzaren, Jugend- und Studentengruppen, die ihr politisch nahestehen. Seit der Medienzar erneut die Regierung stellt, fühlen sich diese Gruppen vor allem an den Hochschulen im Aufwind, erklärt der Soziologe Raffaele Pastore vom Sozialforschungsinstitut CENSIS in Rom:

    "Die Gruppen sind aus zwei Gründen so attraktiv für Studierende: Sie bieten Hilfen jeder Art an, um den Uni-Alltag zu bewältigen, wie zum Beispiel die Suche nach einer billigen Bleibe, und sie offerieren ein Kulturprogramm mit Musik und Theater, das erstaunlich viel Anklang findet. Im Unterschied zu den meisten linken Studentengruppen scheinen die rechten Gruppen auch über mehr Finanzmittel zu verfügen. Diese Entwicklung ist sehr beunruhigend."

    Der immer größere Einfluss rechtsradikaler Gruppen lässt sich an allen italienischen Hochschulen beobachten. Ein Phänomen, mit dessen Analyse Soziologen erst jetzt beginnen.

    Die Zeiten gewalttätiger Zusammenstöße zwischen links- und rechtsradikalen Studierenden hielten Soziologe wie Raffaele Pastore für beendet; doch anscheinend kehren sie jetzt wieder zurück. Um weitere Zusammenstöße zu verhindern, hat sich das Rektorat von "La Sapienza" dazu entschieden, den gesamten Campus rund um die Uhr von privaten Wachleuten kontrollieren zu lassen.