Sonntag, 19. Mai 2024

Archiv


Augenhornhäute und Herzklappen

Seit August vergangenen Jahres gibt es ein spezielles Gesetz, das Transplantationen von Gewebe regelt. Es verbietet den kommerziellen Handel und sorgt für eine bundesweite Erfassung und Dokumentation von gespendetem Gewebe. Experten hoffen, dass dadurch mehr Spenden möglich werden, denn heute bekommt nur jeder zweite Wartende das für ihn benötigte Gewebe.

Von William Vorsatz | 08.04.2008
    Die Hornhaut des Auges kann sich im Laufe des Lebens trüben. Etwa durch Verletzungen, Infektionen oder degenerative Veränderungen im Alter. Dann ist das Sehvermögen eingeschränkt - bis hin zur Erblindung. In solchen Fällen hilft eine Gewebespende. Die Transplantation der Hornhaut von Verstorbenen kann dem getrübten Auge die Sehkraft zurückgeben. Professor Detlev Michael Albrecht vom Universitätsklinikum Dresden:

    "Bei uns am Klinikum sind es etwa 100 Hornhäute pro Jahr, der Bedarf Gesamtdeutschland ist in der Größenordnung bis zu 10.000 anzusetzen und im Moment ist damit der Bedarf noch nicht gedeckt, der also generiert wird aus den Gewebespenden. "

    Derzeit werden nur die dringendsten Fälle berücksichtigt. Wenn es genug Spender gäbe, könnte fast doppelt so oft Hornhautgewebe übertragen werden. Ähnlich sieht es bei Herzklappen oder Blutgefäßen aus. Frank Peter Nitschke, medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation:

    "Es gibt im Gewebebereich Situationen, dass Patienten ein großes Blutgefäß haben, was mal durch eine Prothese ersetzt worden ist, diese Prothese ist infiziert hinterher, und diese Infektion droht sich auf den ganzen Körper auszubreiten und dann mit dem Tode des Patienten zu enden. Und um dieses zu beherrschen, kann man ein Gefäß von einem Verstorbenen entnehmen und das diesem Patienten einpflanzen, um die Infektion zu beherrschen, um den Blutfluss wieder herzustellen und um ihm das Leben zu retten. "

    Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation ist ein gemeinnütziges Netzwerk. Drei Hochschulkliniken haben es im vergangenen Jahr gegründet, um Patienten je nach Dringlichkeit mit knappem Spendergewebe zu versorgen. Hier sind verschiedene nicht kommerzielle Gewebedatenbanken miteinander verbunden. Die Gesellschaft arbeitet unabhängig und versorgt auch Empfänger außerhalb der drei Kliniken, je nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht.

    "Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantationen hat einen Bestand an Transplantaten in den Banken, für jedes Transplantat gibt es eine Expertengruppe, in dieser Expertengruppe werden solche Verteilungsregeln festgelegt, und dann gibt es eine Gruppe, die aktiv jeden Tag das macht und nach diesen Regeln verteilt. "

    Außerdem informiert die Gesellschaft potentieller Spender. Viele Menschen wissen zum Beispiel nicht, dass bestimmte Gewebearten, anders als komplette Organe, noch bis zu mehreren Tagen nach dem Hirntod entnommen werden können.

    Die Gewebespende wird als Unterpunkt bei der Organspende geregelt. So kann sich der Einwilligende auch lediglich für ganz bestimmte Organe oder Gewebe entscheiden, die er nach dem Tod frei gibt. Frank-Peter-Nitschke:

    "Das Problem, was wir aber haben, ist, dass, wenn Menschen heut zu Tage konfrontiert werden mit dieser Thematik, dann sagen sie, Organtransplantation, Organspende ist prima, ist eine gute Sache, man kann Menschen helfen. Und dann ist vom Prinzip her Ende. Sie hören sich das an, aber danach treffen sie dann keine Entscheidung und sagen: ich gehe jetzt hin, hole mir einen Organspendeausweis, ich belese mich noch mal, ich informiere mich noch mal und ich treffe für mich eine Entscheidung. Das findet zu wenig statt. "

    In den neuen Bundesländern ist die Bereitschaft zu spenden erheblich höher als in den alten Ländern. Den besten Platz nimmt Mecklenburg-Vorpommern ein, wo das Angebot bereits den Bedarf deckt. Ist es die intensive Aufbauarbeit, mit der die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation dort bisher präsent war? Eine geringere konfessionelle Bindung? Die Experten wissen es noch nicht. Seit August letzten Jahres gilt ein neues Gewebegesetz. Danach müssen transplantierte Gewebe künftig zentral dokumentiert werden. Erstmals können so überhaupt genug Daten erfasst und statistisch ausgewertet werden. Die Ärzte und Wissenschaftler hoffen, mit diesen Informationen künftig mehr Gewebetransplantationen zu ermöglichen.