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Augenscan
Mit Lasertechnologie frühzeitig Alzheimer erkennen

Eine neue Lasertechnologie soll in Zukunft Augenkrankheiten früher diagnostizieren. Sie untersucht die biochemische Zusammensetzung der Netzhaut. Da das Sehorgan direkt mit dem Gehirn verbunden ist, könnte die Methode möglicherweise sogar auch zentrale Nervenerkrankungen wie Alzheimer erkennen.

Von Maximilian Brose | 19.12.2019
Ein Mann am Augenscanner, der mit Hilfe von Lasern Augenkrankheiten erkennen könnte
Derzeit prüft die Ethikkommission am Universitätsklinikum Wien, ob die Raman-Spektroskopie an lebenden Menschen messen darf (Leibniz-Institut für Photonische Technologien)
Ein Schild, das vor Laserstrahlung warnt, leuchtet über Clara Stiebings Labor in Jena. Hier hat die Forscherin vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien eine neue Diagnosemethode untersucht, mit der man Augenkrankheiten künftig früher erkennen soll. Ein Bereich, in dem es noch Nachholbedarf gebe, sagt sie:
"Was in der Augenheilkunde oft der Fall ist, ist, dass man nur strukturelle Informationen aus den Augenhintergründen bekommt. Es werden eben sehr selten auch Informationen der biochemischen Zusammensetzung der Netzhaut erhalten."
Doch genau diese biochemischen Informationen seien wichtig, um Krankheiten wie altersbedingte Makuladegeneration früh zu diagnostizieren. Darum haben die Forschenden menschliche Netzhäute mit einer Lasertechnologie untersucht. Der sogenannten nicht resonanten Raman-Spektroskopie:
"Was man jetzt in der Raman-Spektroskopie sieht, ist die molekulare Zusammensetzung. Das heißt: Wie viele Fette, Eiweiße und Nukleinsäuren vorhanden sind. Und dementsprechend kann man dann auch sagen, ob es Unterschiede zwischen dem gesunden oder dem erkrankten Gewebe gibt."
Risiken des Lasers am Auge
Dazu wird der Augenhintergrund mit Laserlicht bestrahlt, das die Moleküle der Netzhaut zu Schwingungen anregt. Das gestreute Laserlicht zeigt charakteristische Muster, die Rückschlüsse auf den Zustand der Netzhaut erlauben – und damit auf mögliche Krankheiten. Doch mit einem Laser ins Auge zu zielen, bringt auch Gefahren mit sich:
"Der Laser hat natürlich eine sehr hohe Leistung und wenn man die eben in das Auge bringt, kann das zu Verbrennungen auf der Netzhaut oder zu Trübungen der Linse führen. Und daher gibt es diese internationalen Standards, die man einhalten muss. Wir sind bei einem Milliwatt gewesen, damit wir da sicher sind. Wir waren skeptisch, ob das funktioniert und es hat geklappt."
Prüfung durch Ethikkommission
Damit hat das Forschungsteam erstmals gezeigt, dass Raman-Messungen im menschlichen Auge theoretisch möglich sind und wertvolle Gesundheitsinformationen liefern könnten. Das sei eine entscheidende Motivation für das gesamte Projekt gewesen, meint der Koordinator, Professor Rainer Leitgeb, von der Medizinischen Universität Wien:
"Das war für uns also wirklich eine große Freude, dass wir dann Spektren bekommen, die Informationen tragen. Das Gerät wird jetzt vorbereitet, dass wir am lebenden Menschen messen können. Ganz wichtig dabei ist, dass man erst mal eine Einreichung machen muss bei der Ethikkommission."
Derzeit prüfe die Ethikkommission am Universitätsklinikum in Wien die Zulassung für Versuche am Menschen, sagt Rainer Leitgeb.
Auch Informationen über Nervenzellen des Gehirns
Er ist überzeugt: Nicht nur Augenkrankheiten könnte das Diagnosegerät mit Raman-Spektroskopie künftig erkennen, sondern auch Verfallserscheinungen im Gehirn:
"Man sagt immer, das Auge ist das Fenster zum Gehirn. Das Auge selber ist auch Nervengewebe, das direkt mit dem Gehirn verbunden ist. Das heißt also: Alle Erkrankungen, die die Nervenzellen des Gehirns betreffen, die betreffen letztendlich dann die Zellen im Auge."
Rainer Leitgebs Idee: Die typischen Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten, die man heute erst nach ihrem Tod erkennen kann, könnten sich im Augenhintergrund schon früher abzeichnen. Die soll der Raman-Scan dann aufspüren. Doch Versuche mit Alzheimerpatienten sind problematisch, da sie im fortgeschrittenen Stadium der neurodegenerativen Erkrankung häufig nicht mehr in der Lage sind, schriftlich ihr Einverständnis zu erklären:
"Das ist ein sehr wichtiger Punkt bei der Ethik, dass die Patienten eine schriftliche Einwilligung zu der Studie geben und dass sie von einem Arzt genau aufgeklärt werden, ob es gewisse Risiken gibt und so weiter, damit sie dann wirklich aus freiem Willen an der Studie teilnehmen können."
Daher dürften an den klinischen Studien nur Alzheimer-Patienten teilnehmen, bei denen die Krankheit noch nicht die Fähigkeit einschränkt, rationale Entscheidungen zu treffen. Doch auch bei denen soll der Augen-Scanner schon Alzheimerablagerungen erkennen, weil das optische Verfahren so empfindlich ist:
"Wir hoffen, dass wir dann Anfang nächsten Jahres bei der Ethikkommission ein positives Votum haben. Und dann können wir beginnen mit der Einreichung bei der AGES."
Die AGES prüft in Österreich, ob die Medizintechnik für Versuche am Menschen sicher ist. Wenn der Augen-Scanner die Tests besteht, kann ihn das Forschungsteam am Menschen testen. Dann wird sich zeigen, ob die Entdeckung aus Jena tatsächlich hilft, Alzheimer und altersbedingte Augenkrankheiten frühzeitig und zuverlässig zu diagnostizieren.