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Augsburger Puppenkiste
Wagners „Ring“ als Melodram

Zum 70. Geburtstag der Augsburger Puppenkiste präsentiert das Ensemble sein bislang größtes Theaterprojekt: Richard Wagners "Ring des Nibelungen". Herausgekommen ist ein spannungsreicher Handlungsbogen, der Wagner keineswegs verfälscht, sondern nur komprimiert.

Von Robert Jungwirth | 19.11.2018
    Die Puppen Wotan, Fricka, Freia, Loge Fafner und Fasolt
    Die Puppen Wotan, Fricka, Freia, Loge Fafner und Fasolt (Augsburger Puppenkiste)
    Mit Drachen kennt man sich aus an der Augsburger Puppenkiste. Schließlich erfreut Urmel aus dem Eis bereits Generationen von Kindern. Jetzt hat Urmel mit dem Lindwurm aus Wagners Walküre einen allerdings nicht ganz so freundlichen Artgenossen bekommen. Der hat rotglühende Augen, und aus seinem Maul faucht er jede Menge Dampf. Ein Ungeheuer wie es sich gehört. Und die Rheintöchter haben endlich mal richtige Flossen und Schuppen und sehen ein bisschen aus wie Seepferdchen. Sehr originell sind auch die beiden tumben Riesen Fasolt und Fafner mit den kleinen gelben Bauhelmen auf ihren großen Köpfen. Gerade kommen sie von der Großbaustelle Walhall - der Götterburg, die sie Wotan gebaut haben.
    Gesungen wird in diesem Ring nicht, sondern gesprochen - mit Musikuntermalung. Der Ring als Melodram also.
    Anknüpfung an Wagners revolutionäres Gedankengut
    Auch wenn das meiste in dieser Ring-Adaption der Augsburger Puppenkiste recht märchenhaft daherkommt, wie man es von Deutschlands berühmtester Marionettenbühne auch nicht anders erwartet, will Florian Moch mit diesem Ring doch auch eine Aussage transportieren, die an Wagners revolutionäres Gedankengut zur Entstehungszeit des Rings anknüpft.
    "Es gibt viele Themen die heute aktueller denn je sind, angefangen im weitesten Sinn bei Umweltschutz und Kapitalismuskritik, was im Hintergrund eigentlich immer mitschwingt in dem Stück. Die Mächtigen sind in dem Stück eigentlich eine verkommene Verbrecherbande, wenn man so will. Es gibt viele Anknüpfungspunkte die auch heute noch das Stück relevant machen, und wir versuchen das Ganze reduziert, knapp zu erzählen, damit man erst mal weiß, worum es geht in diesem Mammutwerk."
    Florian Moch hat die 16 Stunden Spielzeit der vier Opern des Rings des Nibelungen zu handlichen 2 Stunden eingedampft und dafür ein komplett neues Libretto geschrieben. Zudem stammen die Puppen und die Kostüme von ihm. Die Sprache ist durchaus heutig und mit humorvollen Zitaten versehen, etwa von Brecht. Aber auch original Wagner kommt vor.
    Den Text haben dann Schauspieler als Quasi-Hörspiel auf Band eingesprochen und der erfahrene Filmkomponist Enjott Schneider hat das nun vertont.
    "Zentralstück sind sozusagen immer die Motive, die Ankunftspunkte oder die Absprungpunkte. Dann geht es so ähnlich wie beim Underscoring, da ist ein Siegfriedschwert-Thema, dann geht er rüber und da passiert das, und dann grummelt irgendwelche Elektronik und Bässe kommen als Filmmusik und dann ist er an einem bestimmten Punkt und plötzlich kommt das Liebesthema wieder drauf. Weil der Wagner, wenn man ihn wirklich im Original zitiert, geht in die Länge, das ist unglaublich. Weil Wagner hat ja die so genannte unendliche Melodie erfunden und das war seine spezielle Technik: Herstellen von einer Zeitlosigkeit, und das ist jetzt genau das Problem gewesen, also wenn man da ein Stück Wagner zitiert, unter 3-4 Minuten ist da kaum was zu machen, also musste ich eben das Orchester manchmal mit Hilfe von Elektronik, was ja so eine Zeitlosigkeit herstellen kann, mit einfachen Mitteln verwenden."
    Ein richtiges Orchester konnte Schneider für seinen "Ring" aus Kostengründen leider nicht verwenden, da musste das heimische Tonstudio herhalten, das Schneider aber auch schon für etliche seiner Filmmusiken effektiv genutzt hat.
    Viel Gespür für Wagners Werk
    Der Beginn des Augsburger Puppenkisten-Rings ist tatsächlich recht nah an Wagners Original – textlich und musikalisch. Im weiteren Verlauf hat sich Florian Moch dann auf die zentralen Handlungsmomente konzentriert und die mitunter recht weitschweifigen Monologe und Dialoge der Wagner'schen Vorlage komplett gestrichen oder extrem gekürzt. Er hat das mit dem geübten Blick des Theaterpraktikers getan, aber auch mit viel Gespür für Wagners Werk, mit dem sich der gelernte Theaterwissenschaftler intensiv beschäftigt hatte.
    Herausgekommen ist ein durchaus gelungener spannungsreicher Handlungsbogen, der Wagner keineswegs verfälscht, sondern einfach nur komprimiert und den Gesang durch Sprache ersetzt. Ideal also für Opernfreunde, die keinen Gesang mögen, falls es solche gibt, oder für Einsteiger in Wagners Welt…
    Was die Musik betrifft, so hat Enjott Schneider auch ein paar Extras zu Wagner hinzugefügt, wie etwa Anklänge an den Filmklassiker "Herr der Ringe". Ansonsten verfuhr er mit der Musik so wie Moch mit dem Text: Er hat sie gerafft und auf ein kleineres Format heruntergebrochen – und er hat neue Übergänge und Untermalungen komponiert. Im Rheingold und der Walküre ist noch viel von Wagners Musik zu hören, in den beiden folgenden Opern, Siegfried und Götterdämmerung, wird das dann leider immer weniger, und gerade in der Götterdämmerung klingt die Musik ein wenig einfalls- und spannungslos.
    Es gibt keine große Liebesmusik zwischen Siegfried und Brünnhilde und auch keinen Trauermarsch für Siegfried. Schade, denn was man an Phantasie und Witz auf der kleinen Bühne optisch geboten bekommt, etwa den Drachenkampf Siegfrieds, die Verwandlungen Alberichs oder auch die Ermordung Siegfrieds – das ist allemal sehens- und staunenswert und nimmt dem Ring auch nichts von seiner inhaltlichen Bedeutung. Nicht weniger als 30 Figuren sind immerhin für das Mammutunterfangen geschnitzt und eingekleidet worden.
    Souverän werden sie in der Regie von Florian Moch, der die Puppen auch selbst entworfen und kostümiert hat, von den insgesamt sieben Puppenspielern punktgenau durch die Bühnenbilder von Hans Kautzmann bewegt. Wobei nicht nur die jeweils sprechenden Personen agieren, sondern auch das übrige anwesende Personal. Kein Wunder, dass dieser Ring das bislang größte Theaterprojekt der Puppenkiste darstellt.
    Das letzte Wort des Rings hat in Augsburg die Urmutter Erda, die raunend den Niedergang der Götter kundtut. Der Musik von Enjott Schneider fällt dazu allerdings leider nicht mehr viel ein.