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Aus anderer Perspektive

Seit dem vergangenen Wintersemester gibt es am Fachbereich Soziologie in Hamburg eine C3-Professur für Queer Theory sowie einen Nebenfachstudiengang ''Gender und Queer Studies''. Dahinter verbirgt sich eine Forschungsrichtung, die Geschlechter und Geschlechterbeziehungen als gesellschaftliche Konstruktionen versteht und untersucht.

    Studiengang und Professur sind aus Mitteln des Hochschulsonderprogramms Frauenförderung finanziert. Über Jahre hatten sich eine Gruppe von Hochschullehrerinnen und die studentische Arbeitsgemeinschaft "LesBiSchwule Studien/Queer Studies" für die Einrichtung engagiert. Soziologie-Professorin Marianne Pieper erläutert die Hintergründe der Forschungsrichtung: "Es ist ein Denkansatz, der auch weiterhin Bestand haben wird, der aber erweiterbar ist auf Aspekte wie: 'was ist eigentlich Rassismus, was ist Konstruktion von Ethnizität?' auf der einen Seite und auf der anderen Seite auch zu fragen: Wie sind denn in einen solchen theoretischen Ansatz auch noch ökonomische Ungleichheiten einzudenken."

    Die Studierenden hinterfragen in ihren Seminaren Normen, die im Bewusstsein oft fest verwurzelt sind - wie die Rolle der Familie. Der Student Philipp Helms erzählt: "Dadurch, dass ich mich in dieser speziellen Art und Weise mit der Hinterfragung von gegebenen Normen geschäftige, habe ich auch einen sehr viel leichteren Zugang dazu, auch andere Normen oder Werte, die in der Gesellschaft als unhinterfragbar dargestellt werden, auch zu hinterfragen." Die Queer Studies - nach "queer", dem englischen Wort für "schwul", das offensiv eines abfälligen Beigeschmacks entkleidet wird - sind durchaus nicht nur ein Studium "für Betroffene". "Es geht eigentlich darum, bestimmte gesellschaftliche Situationen in Frage zu stellen", sagt der Lehrbeauftragte Ralf Bauer, "eine kritische Reflexion um Geschlecht und Sexualität zu erwerben. Deshalb haben wir es auch in einen Nebenfachstudiengang gegossen, weil es die Studierenden befähigen soll, ihre Hautfächer von dieser queeren oder feministischen Perspektive zu kritisch zu beleuchten." Noch ist die C3-Professur in Hamburg auf sechs Jahre befristet und wird noch vertreten, weil die zunächst berufene Professorin die Stelle wohl unter diesen Umständen nicht antreten wollte.