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Aus beim ersten Fehltritt

Der Leichtathletik-Weltverband führt zum Jahresbeginn die Nulltoleranzregel im Sprint ein - was angeblich im Interesse der TV-Sender ist. Wer als Sprinter einen Fehlstart macht, fliegt schon beim ersten Fehlversuch raus, nicht erst beim zweiten. Ob das wirklich die Sprintwettbewerbe attraktiver macht, wird bezweifelt.

Von Gerd Michalek |
    Schon wer den ersten Fehlstart macht, fliegt raus. Und zwar weltweit. Dadurch sollen die Laufwettbewerbe telegener werden, erhofft sich der Leichtathletik-Weltverband. Ob seine Rechnung aufgeht, bezweifelt Alexander Krause von der Agentur Sport + Markt:

    "Die Nulltoleranzregel in den Laufdisziplinen kann nur ein Mosaikstein sein, wenn es darum geht, die Wettkämpfe neu zu gestalten. Was ändert sich daran? Die Laufwettbewerbe finden ein wenig schneller statt, man kann die Wettkämpfe im Fernsehen etwas zügiger verfolgen, aber das bringt ja nichts Wesentliches mit sich."

    Seit 2003 waren die Zuschauer daran gewöhnt, dass jeder Sprinter immer eine zweite Chance hatte. Und irgendwie waren Fehlstarts auch Teil der Dramaturgie. Von daher fragt sich Medienwissenschaftler Professor Thomas Schierl von der Sporthochschule Köln, ob Fans so glücklich über die Neuerung sind:

    "Auf der anderen Seite kann man sagen, dass, wenn es gut inszeniert ist, das Fehlstarten eine gewisse Spannung aufbauen kann. Gerade der 100-Meter-Lauf ist die Königsdisziplin, das wollen alle schauen. Dass gerade da weg-gezappt werden soll, wenn ein Fehlstart passiert, kann ich nicht ganz sehen."

    Die Zukunft gehört dann wohl dem Sicherheits-Start: Lange im Startblock hocken bleiben und nichts riskieren! Dass so etwas gut ankommt, glaubt Thomas Schierl kaum:

    "Ich halte es auch für einen starken Eingriff in die den Sport selbst, der die Athleten unter einen unglaublichen Druck bringt. Wenn beim ersten Mal schon Ende ist, muss ich von Anfang an risikoärmer agieren. Und ich werde sehr viel seltener Rekorde sehen - schon gar keine Weltrekorde. Wenn ich weis, ich bin beim ersten Mal draußen, dann werde ich mir gut überlegen, ob ich das Maximum raushole."

    Der Deutsche Leichtathletik-Verband hingegen begrüßt die neue Regel: Er hofft, dass alle Zuschauer - ob vorm Fernsehen oder im Stadion - sich künftig über weniger Zeitverzögerungen durch Fehlstarts freuen werden.